Die Corona-Krise hat den Einzelhandel in den Innenstädten gefährlich durchgeschüttelt: Das behauptete vor wenigen Tagen Geschäftsführer Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE in München. Wie die Lage in Unterfranken ist, erläutert Volker Wedde vom Handelsverband Bayern im Interview. Der 47-Jährige ist seit 2008 unterfränkischer Bezirksgeschäftsführer in Würzburg. Nach Weddes Ansicht ist es für die Geschäftsleute vor allem wichtig, wie das Weihnachtsgeschäft heuer das Minus der vergangenen Monate auffangen kann. Getümmel in den Läden erwartet er für die kommenden Wochen nicht - allein wegen der Corona-Regeln. Indes seien sinkende Preise jetzt schon zu beobachten.
Frage: Herr Wedde, was hat Corona aus dem Einzelhandel in Unterfranken gemacht?
Volker Wedde: Natürlich ist die Lage im Einzelhandel alles andere als schön oder einfach. Aber letzten Endes haben die Händler rund um die Zeit der Schließung ihre Hausaufgaben gemacht. Sie haben versucht, ihre Waren kreativ abzuverkaufen, haben Kurzarbeit eingesetzt, durften Zahlungen stunden und haben mit Lieferanten verhandelt. So sind wir in Unterfranken ganz gut mit der Sache zurechtgekommen.
Was haben die Kunden davon? Werden ihnen die Waren jetzt hinterher geworfen, gibt es noch mehr Rabattschlachten und Preiskämpfe?
Wedde: Gerade bei jenen Händlern, die Saisonwaren wie etwa Textilien verkaufen, sind die Lager noch nicht abverkauft. Da wird schon seit einigen Wochen mit Rabatten gearbeitet. Wir haben aber noch keine Preisschlacht, wie es früher heraufbeschworen wurde. Natürlich verkaufen die Händler reduzierte Waren, um ihre Lager leer zu bekommen.
Um wie viel Prozent gehen die Preise im Schnitt runter?
Wedde: Ich würde sagen, 30 bis 40 Prozent im Rahmen des Ausverkaufs. Das kann aber natürlich auch höher oder niedriger ausfallen. Eine einzige Zahl kann man schlecht nennen, weil jeder Einzelhändler dies für sich entscheidet.
Es war zu lesen, dass Corona den Einzelhandel zumindest in einigen Sparten bereinigt. Ist das schlecht? Brauchen zum Beispiel die Innenstädte von Würzburg und Schweinfurt wirklich so viele Modeboutiquen und ähnliche Geschäfte?
Wedde: Wenn die Textilangebote in den Innenstädten bisher so nachgefragt worden sind, dass ein solches Angebot vorgehalten werden konnte, wäre eine Bereinigung durch Corona nicht gut. Ich hoffe, dass Corona so rasch wie möglich vorbei ist und dann die Nachfrage entsprechend der Vorjahreswerte wieder anzieht. Die Innenstädte haben sich übrigens schon in den vergangenen Jahren verändert und manche Handelsgeschäfte sind in andere Nutzungen umfunktioniert worden. Wenn man von einer Bereinigung durch Corona spricht, dann ist das ein Sondereffekt, der den Innenstädten auf lange Sicht nicht guttun würde. Es ist in einigen Zentren zu beobachten, dass Geschäftsräume mal eine Zeit lang leer stehen.
Wie viele Geschäfte mussten im unterfränkischen Einzelhandel wegen Corona schließen?
Wedde: Ich kenne vier bis fünf Unternehmen, bei denen man sagen kann, dass Corona maßgeblich an der Schließung beteiligt war. Ich will das Wort Pleitewelle nicht in den Mund nehmen. Es ist bislang ausgeblieben, dass viele Geschäfte aufgegeben wurden. Häufig stehen hinter einer Schließung auch andere Gründe: Etwa, dass der Inhaber die Altersgrenze erreicht. Da kann es sein, dass manche Geschäftsaufgaben dann eben vorgezogen worden sind. Unterm Strich hat es bisher – toi, toi, toi – gar nicht so viele Geschäftsaufgaben gegeben, bei denen man sagen kann: Dafür ist die Corona-Krise maßgeblich verantwortlich.
Kommt das böse Erwachen noch?
Wedde: Das ist etwas, wo wir genau hinschauen müssen. Man muss klar sagen, dass die Umsätze größtenteils bei Weitem noch nicht dort liegen, wo sie vor Corona gewesen sind. Die Händler laufen da noch hinterher, aber nicht in dem Maße, wie es am Anfang befürchtet wurde. Allerdings sagen die Händler auch: Das holen wir nicht mehr auf. Besonders wichtig ist, innerhalb der Branchen genau zu trennen: So habe ich neulich einen Zweiradhändler getroffen, der mir gesagt hat, dass er das beste Geschäftsjahr seines Daseins hat.
Wie wird das Weihnachtsgeschäft in Unterfranken heuer aussehen – auch mit Blick darauf, dass viele Menschen momentan Getümmel eher meiden?
Wedde: Ich finde toll, dass sich die Städte wirklich darum bemühen, Weihnachtsatmosphäre zu schaffen, damit die Menschen ohne Befürchtungen in die Innenstädte kommen können. In Würzburg zum Beispiel sollen die Stände des Weihnachtsmarktes auf die Innenstadt verteilt werden. In Schweinfurt ist das auch der Fall. Ich gehe davon aus, dass Weihnachten in den Innenstädten stattfinden wird, aber eben so, dass sich die Menschen sicher fühlen. Es wäre klasse, wenn dies auch gut angenommen wird, denn der Lockdown hat gezeigt, wie traurig es ist, wenn eine Innenstadt ausgeschaltet wurde und dort kein Leben mehr ist.
Sie sprechen von den Weihnachtsmärkten und vom Treiben auf den Straßen. Getümmel findet ja aber für gewöhnlich auch in den Geschäften statt. Wie ist das zu beurteilen?
Wedde: Da gelten die Regelungen, die dem Einzelhandel auferlegt worden sind. Man darf nicht ohne Ende Kunden in den Laden lassen. Momentan gilt: pro zehn Quadratmeter ein Kunde. Das muss von den Händlern gesteuert werden, was aus meiner Sicht gut funktioniert. Die Händler sind sehr bemüht darauf zu achten, dass die Hygieneregeln eingehalten werden - also die Maskenpflicht, eben die entsprechende Anzahl von Kunden im Laden, die Abstände einhalten. Soweit ich weiß, hat es aus dem Einzelhandel heraus noch keine Infektionskette gegeben. Wir bekommen im Verband auch Zuschriften von Kunden, die mitteilen, dass sie sich gerade wegen dieser Maßnahmen sicher fühlen und einkaufen gehen. In einzelnen Fällen ist das Problem vielmehr, dass sich Menschen vehement ohne Maske in die Läden begeben.
Corona hat dem Onlinehandel noch mehr Aufwind gegeben, als er sowieso schon hatte. Was können die Ladenbesitzer mit ihren meist kleinen Online-Shops gegen Riesen wie Amazon und Co. ausrichten – gerade jetzt vor Weihnachten?
Wedde: Während des Lockdowns haben sich die Händler verstärkt um die Optimierung ihrer Online-Auftritte gekümmert. Das trägt Früchte. Ich höre zum Beispiel von kleineren Händlern, dass sie einen Instagram-Account aufgebaut haben und Rückmeldung von Kunden bekommen, die in den Laden kommen und etwas kaufen. Ich denke aber, dass sich die große Masse der Händler eher Verkaufsplattformen wie Ebay oder Amazon angeschlossen hat. Das scheint zu laufen. Aber natürlich freue ich mich auch, wenn die Menschen weiterhin stationär einkaufen. Das Weihnachtsgeschäft wird dieses Jahr ganz besonders wichtig und mit darüber entscheiden, wie sich die Branchen entwickeln.