Die Corona-Einschränkungen haben die allgemeinbildenden Schulen massiv getroffen. Dabei wurde klar, dass Schüler, Eltern und Lehrer mitunter an ihre Grenzen kommen.
Vergleichsweise ruhig blieb es lange Zeit um die Berufsschulen in der Region. Doch auch hier mussten Tausende Lehrlinge unter schwierigen Bedingungen mit ihrem Unterrichtsstoff klarkommen. Welche Defizite dabei entstanden sind, was das für die laufenden Prüfungen heißt und wie es an diesen Schulen weitergeht, erläutert Matthias Endres aus Stammheim (Lkr. Schweinfurt).
Der 49 Jahre alte Diplom-Handelslehrer ist unterfränkischer Bezirksvorsitzender des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen (VLB) und nach eigenen Worten seit 21 Jahren "leidenschaftlicher Berufsschullehrer". Endres unterrichtet an der staatlichen Ludwig-Erhard-Schule in Schweinfurt.
Matthias Endres: Dies ist eine interessante Frage und beschäftigt viele. Es wurde versucht, den kompletten Inhalt der Lehrpläne auch digital zu vermitteln. Ob hier die Schülerinnen und Schüler die Inhalte genauso gut wie im Präsenzunterricht aufgenommen haben oder Defizite aufweisen, wird sich letztlich in den Prüfungen widerspiegeln. Die Lehrerinnen und Lehrer haben ihr Bestes gegeben und versucht, mit viel Aufwand und Mühe den Unterrichtsstoff zu vermitteln.
Endres: Einige Kolleginnen und Kollegen berichten, dass leistungsstarke Schüler weniger Probleme hatten, dem Distanzunterricht zu folgen, während leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler bestimmt Defizite aufweisen werden. Das Kultusministerium hat im Übrigen das Förderkonzept „gemeinsam.Brücken.bauen“ angestoßen. Es ist ein Programm zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile für Schülerinnen und Schüler und soll den Förderbedarf an den Schulen ermitteln. Es bezieht sich nicht nur auf die Lernförderung, sondern auch auf die Förderung der Sozialkompetenzen.
Endres: Nicht nur die Lerninhalte kamen in der Pandemie wohl zu kurz. Auf alle Fälle wurden durch die Kontaktbeschränkungen auch viele Sozialkompetenzen vernachlässigt. Das Programm soll mit Hilfe von Lehrkräften, angehenden Lehrkräften, Lehramtsstudenten, pensionierten Lehrkräften und Mitschülern als Tutoren Defizite bei den Schülerinnen und Schülern ausgeglichen.
Endres: Wir Lehrkräfte haben unser Bestes gegeben, um die Schüler optimal auf die Prüfungen vorzubereiten. Es wurden kreative Möglichkeiten entwickelt, den Stoff auch im Distanzunterricht zu vermitteln. So wurden viele Videoeinheiten zu verschiedenen Themen erstellt, auch Unterrichtseinheiten mit Erklärvideos wurden den Schülern zur Verfügung gestellt. Die Lehrer waren hier sehr kreativ, um den Schülern bei den Vorbereitungen zur Prüfung zu helfen. Ob dies reicht, das wird sich zeigen. Die Abschlussprüfungen laufen zurzeit noch. Die Anspannung war unter allen Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmern sowie dem Aufsichtspersonal groß, schließlich war den Medien zu entnehmen, dass die Inzidenzwerte unserer Schüler in den beruflichen Schulen deutlich höher anzusiedeln sind als die Durchschnittswerte in Deutschland. Viele Lehrkräfte hätten sich hier ein rechtzeitiges Impfangebot gewünscht. Auch unter den Schülerinnen und Schülern wurden Impfwünsche geäußert.
Endres: Die sozialen Kompetenzen können im normalen Präsenzunterricht viel besser erworben und gefördert werden als im Distanzunterricht. Ein Mangel an sozialen Kompetenzen ist vermutlich in der Zukunft zu spüren. Die Gespräche unter den Schülerinnen und Schülern, mit den Lehrern, mit Beschäftigten im Betrieb haben gefehlt. Die digitale Kompetenz wurde hingegen stark gefördert und ausgebaut. Dies wäre ein Vorteil des Distanzunterrichts. Jedoch gibt es auch hier sehr viele Unterschiede. Mancher Schüler nahm mit dem Handy und kleinem Display am Unterricht teil, während andere Schüler nur auf einen PC mit großem Bildschirm und Drucker zurückgreifen konnten.
Endres: Einige Schüler und Lehrer haben die Pandemie genutzt, um digital besser aufgestellt zu sein. Natürlich gibt es auch Grenzen beim digitalen Unterricht: So konnte mancher fachpraktische Unterricht nicht so umgesetzt werden, wie man es aus den Werkstätten der Berufsschule gewohnt ist. Auch muss festgehalten werden, dass nicht überall das Internet so funktioniert und stabil ist, wie es für den digitalen Unterricht nötig wäre. Immer wieder konnten Schüler den Unterricht nicht verfolgen, weil das Internet oder die Technik versagte. Hier waren in den Schulen die Systemadministratoren sehr zeitintensiv unterwegs, haben eine sehr gute Arbeit geleistet und in kurzer Zeit virtuelle Klassenzimmer eingerichtet, digitale Zugänge an alle Schüler vergeben, Schulungen abgehalten und so weiter.
Endres: In den vergangenen Monaten war an den beruflichen Schulen in Unterfranken jede Art von Unterricht vertreten, also Distanz-, Wechsel-, Präsenzunterricht. Über viele Wochen wurde ausschließlich Distanzunterricht praktiziert. Als die Inzidenzen niedriger waren, wurde auf Wechselunterricht umgestellt. Das heißt, ein Teil der Schüler wird im Klassenzimmer unterrichtet, während der andere Teil der Klasse teilweise über Big-Blue-Button (ein Internet-Konferenzsystem, die Red.) den Unterricht live gestreamt bekommt. Bei den aktuellen Inzidenzen findet Präsenzunterricht statt und die getesteten Schülerinnen und Schüler können mit Abstand und Maske den Unterricht im Klassenzimmer wahrnehmen. Der Präsenzunterricht an den Fachoberschulen und Berufsoberschulen fand auch bei einer höheren Inzidenz fortwährend statt. Da hier sehr viele Schülerinnen und Schüler als Abschlussschüler gelten, waren bis zu 90 Prozent von ihnen im Schulhaus. Laut Kultusministerium hatten die Klassen damit Präsenzunterricht. Die Schulhäuser waren deshalb in diesen Schularten sehr voll, obwohl viele Lehrerinnen und Lehrer hier noch keinen Impfschutz hatten, ebenso wie die Schülerinnen und Schüler.
Endres: Aus dem vergangenen Schuljahr haben wir sehr viel gelernt und sind flexibel. Wir werden uns an den beruflichen Schulen auf alles vorbereiten müssen und je nachdem, welche Vorgaben zu den Inzidenzen aus dem Kultusministerium kommen, werden wir unseren Unterricht umsetzen.
Hinweis der Redaktion: An einigen Stellen dieses Artikels war zeitweise zu lesen gewesen, dass Matthias Endres Verbandspräsident ist. Das stimmt nicht, er ist unterfränkischer Bezirksvorsitzender. Wie bitten den Fehler zu entschuldigen.