(dpa/afp) Chinas reiche Elite wickelt nach Medienberichten heimlich und in großem Stil lukrative Geschäfte über Steueroasen ab. Die Enthüllungen stützen sich auf bisher vertrauliche Unterlagen, den sogenannten Offshore-Leaks-Daten, die in Deutschland der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) vorliegen.
Auch nahe Verwandte wichtiger chinesischer Politiker steuern demnach Transaktionen über anonyme Briefkastenfirmen in der Karibik. Schätzungen zufolge wurden seit dem Jahr 2000 Gelder und Firmenanteile im Wert bis zu vier Billionen Dollar (knapp drei Billionen Euro) aus der Volksrepublik verschoben.
Die Informationen werfen ein neues Licht auf das Ausmaß der Geschäfte führender chinesischer Familien und die massiven Kapitalabflüsse aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. In den Dokumenten sollen neben dem Schwager von Staats- und Parteichef Xi Jinping auch der Sohn, die Tochter und der Schwiegersohn von Ex-Ministerpräsident Wen Jiabao auftauchen, wie das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) berichtete, das monatelang recherchiert hatte.
Behörden blockieren Berichte
Der Name der Tochter des früheren Premiers Li Peng steht demnach ebenso in den Unterlagen wie der Name eines Neffen zweiten Grades des bisherigen Staatschefs Hu Jintao. Selbst der Name eines der Schwiegersöhne des einstigen Reformers Deng Xiaoping finde sich in den Papieren.
Mitglieder des Parlaments seien ebenso aufgelistet wie superreiche Unternehmer sowie Führungskräfte von Staatsunternehmen, die in Korruptionsskandale verwickelt gewesen seien, berichteten die weltweit beteiligten Medienhäuser. Chinas Behörden reagierten mit einer Blockade der Berichte im Internet und zensierten Kommentare in sozialen Medien. Die Enthüllungen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt für Chinas Führer, weil gerade Kritiker vor Gericht gestellt werden, die eine Offenlegung der Vermögen von Politikern fordern. Als Erster wurde am Mittwoch der Bürgerrechtler Xu Zhiyong wegen Störung der öffentlichen Ordnung angeklagt.
In ihren Erkenntnissen über die Verbindungen zwischen Chinas Machtelite und den Steueroasen stützten sich die Journalisten auf 260 Gigabyte mit Informationen über 122 000 Briefkastenfirmen und Trusts aus Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln, den Cook-Inseln und Samoa. Die Datensätze hatte ein anonymer Informant vor zwei Jahren dem Konsortium zugespielt. Die Veröffentlichung erster Ergebnisse begann im April 2013 und führte weltweit zu einer Reihe von Ermittlungen.
Deutsche Bank beteiligt
Von den genannten 130 000 Personen trägt jeder Vierte einen chinesischen Namen. So gingen die Journalisten den Vorwürfen nach, dass über dunkle Kanäle Kapital aus China abfließt, Steuergelder hinterzogen und Schmiergelder ins Ausland gebracht werden. Die Unterlagen dokumentieren nach ihren Angaben auch, dass westliche Banken chinesischen Kunden geholfen hätten, „verborgene Strukturen in Steueroasen zu errichten“.
Genannt wurde auch die Deutsche Bank, die in Frankfurt dazu sagte: „Die Deutsche Bank bietet vermögenden Privatkunden weltweit Bankdienstleistungen an auf der Grundlage, dass die Kunden ihre Steuerangelegenheiten voll umfänglich regeln und dabei alle Steuergesetze und Meldeverpflichtungen befolgen.“ Berichte über das riesige Vermögen der Familien von Präsident Xi Jinping und Ex-Premier Wen Jiabao in der „New York Times“ und der Nachrichtenagentur Bloomberg sorgen seit 2012 schon für Unruhe in China.
Kampagne gegen Korruption
Beiden Politikern wurde allerdings keine direkte Verwicklung nachgewiesen. Seit seinem Amtsantritt 2012 hat Xi Jinping eine Kampagne gegen Korruption gestartet, die durch die Enthüllungen an Brisanz gewinnt. Der Präsident will nach Einschätzung von Kommentatoren einerseits seine Macht konsolidieren, andererseits verlorenes Vertrauen im Volk zurückgewinnen.