Der kühle Raum mit den grellen Neonlampen soll Chinas Tor in die Zukunft sein. Leinwände beleuchten mit großen roten Buchstaben den Weg. In dem Ableger der Stadtverwaltung von Shanghai müssen sich alle Unternehmer anmelden, die in einer neu geschaffenen Freihandelszone Geschäfte machen wollen. Der Lockruf der Regierung lautet: weniger Bürokratie, vereinfachte Zollbestimmungen und freier Handel mit der Währung Yuan. Das Projekt soll Chinas größtes Wirtschaftsexperiment seit 30 Jahren werden. Aber schon zwei Monate nach der Eröffnung gerät das Labor ins Wanken.
Die neue Freihandelszone soll auf 29 Quadratkilometern ökonomische Freiheit in die Volksrepublik tragen. Sie ist als Experimentierfeld für das ganze Land geplant. Aber mit ihrem Angebot in Shanghai ist die Regierung bei internationalen Firmen vorerst gescheitert: Von den bisher 1400 registrierten Unternehmen stammen gerade einmal 38 nicht aus China, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung sagte. Und selbst Chinesen blicken im Dschungel der neuen Regeln nicht immer durch. „Das Ganze hier bringt doch nichts. Vorher musste ich meine Geschäfte auch anmelden“, klagt etwa der Händler Zhang, während er genervt vor einem Schalter wartet. Einige Meter weiter steht die Unternehmerin Frau Zhou. Sie geht die Situation pragmatisch an. „Ich habe zwar keine Ahnung, was mir das bringt – aber Hauptsache erst mal anmelden“, sagt sie und wedelt mit einem Stapel Papier. Dafür muss sie jedoch zu acht verschiedenen Schaltern gehen.
Der Leiter des German Centre in Shanghai, Christian Sommer, sagt: „Er herrscht noch große Verunsicherung.“ Die Werbung Shanghais werde aufmerksam verfolgt. „Aber gerade deutsche Unternehmen wollen erst wissen, worauf sie sich auch rechtlich verlassen können“, erklärt Sommer. Viele Mittelständler beobachteten genau, was Stadtverwaltung und Zentralregierung ankündigten. Allerdings wolle niemand seine Pläne mit einem waghalsigen Gang in die Zone überstürzen.
Zu den wenigen Pionieren gehört die Deutsche Bank. Sie hat im November ihre Lizenz für eine Filiale in der Zone bekommen. Ob sie damit jedoch zu den bislang registrierten 38 Unternehmen zählt, konnte der Sprecher der Stadtverwaltung zunächst nicht bestätigen.
„Die Freihandelszone in Shanghai soll der Bank neue Möglichkeiten bringen“, betonte China-Chef Feng Gao nach der Lizenzvergabe laut einer Mitteilung. Mehr wollte das Unternehmen auch auf Anfrage vorerst nicht sagen. Der Konkurrent Commerzbank gab kürzlich bekannt, dass man noch abwarten wolle, wie sich die Zone entwickelt. Dabei kommen die größten Hoffnungen auf die Zukunft der „Pilot Free Trade Zone“ aus der Finanzbranche. China will den streng kontrollierten Wechselkurs des Yuan oder Renminbi schrittweise freigeben. Das hat Zentralbankchef Zhou Xiaochuan vergangene Woche bekräftigt. Die Versuche dafür sollen auch in Shanghai stattfinden.
Das allein wäre schon eine Revolution. Denn die USA und die Europäer werfen China bereits seit langem vor, seine Währung künstlich billiger zu machen, um sich so Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Zudem steht Chinas Finanzmarkt unter sehr strikter Kontrolle. Wann die Freigabe kommen soll, ist noch völlig unklar. Der stellvertretende Bürgermeister von Shanghai, Ai Baojun, wiegelt die Fragen nach den nächsten Reformschritten ab. „Wir begehen Neuland. Das braucht seine Zeit“, sagt er. Auf Nachfragen reagiert Ai gereizt: „Wie weit die neuen Freiheiten gehen, wollen Sie wissen? Das werden Sie schon noch erfahren.“