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China hat Hunger
Maschinenbau: Peking ist weltweit auf Einkaufstour. Technologie und Marken stehen ganz oben auf dem Zettel. Damit gerät auch Deutschland stärker ins Visier.
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Redaktion
 |  aktualisiert: 20.04.2012 17:52 Uhr

Deutschland mag ich sehr sehr gerne“, sagt Liang Wengen. Der reichste Mann Chinas und Chef des größten chinesischen Baumaschinenherstellers Sany ist gekommen, um seine neueste Errungenschaft mit eigenen Augen zu sehen: Putzmeister. Die Chinesen haben den Betonpumpenspezialisten aus Aichtal bei Stuttgart vor drei Monaten gekauft – es war die größte Übernahme eines chinesischen Unternehmens in Deutschland. Die Übernahme ist auch ein Beispiel dafür, dass die Zeiten, in denen China als „verlängerte Werkbank“ des Westens galt und bestenfalls mit Billigprodukten aus eigener Herstellung den globalen Wettbewerb anheizen konnte, vorbei sind.

Das Reich der Mitte strotzt politisch und ökonomisch vor Selbstbewusstsein – immer öfter auch als Entwicklungspartner und Geldgeber von Unternehmen in Europa. Spektakuläre Groß-Deals wurden hierzulande bisher zwar nicht abgeschlossen. Doch mehrere erfolgreiche Mittelständler im Maschinenbau-Land Deutschland sind längst ins Visier chinesischer Interessenten geraten. Ein Beispiel für solche „Wachstums-Partnerschaften“ ist auch die mehrheitliche Übernahme des Autozulieferers Preh aus Bad Neustadt. Mitte vergangenen Jahres hat die chinesische Joyson Investment Holding 74,9 Prozent der Anteile an Preh übernommen. Für Preh bedeutet die Verbindung mit Joyson den entscheidenden Schritt zur Erschließung des chinesischen Wachstumsmarktes. „Durch die Verbindung mit Joyson ist ein kraftvoll wachsendes Technologieunternehmen mit weit über 500 Millionern Euro Umsatz entstanden“, sagte Dr. Michael Roesnick, Vorsitzender der Preh-Geschäftsführung bei der Vetragsunterzeichnung. In Zukunft wollen beide Partner gemeinsam in den europäischen, nordamerikanischen und asiatischen Automotive-Märkten durchstarten.

Die Strategen aus Peking, Shanghai & Co. suchen sich vor allem Technologie-Anbieter aus, die Produktnischen besetzen, welche für den weiteren Ausbau ihrer Infrastruktur zentral sind. So kauft zum Beispiel Sany mit Putzmeister neben der bekannten Marke und Know-how ein starkes Vertriebsnetz außerhalb Chinas, über das künftig auch Sany-Produkte in alle Welt gebracht werden sollen. Für Putzmeister wiederum bietet sich mit Sany im Rücken die Chance, sich mit neuen Produkten wie Betonmischern breiter aufzustellen und so unabhängiger vom Geschäft mit Betonpumpen zu werden. „Wenn man im Wesentlichen nur ein Produkt herstellt, ist man in der globalen Wirtschaft nicht mehr krisenfest“, sagt Putzmeister-Gründer Karl Schlecht. Er weiß, wovon er spricht: Putzmeister hatte 2009 einen tiefen Absturz erlebt und Verlust geschrieben. Das Unternehmen musste sich mühsam wieder nach vorne arbeiten.

Unternehmenschef Norbert Scheuch sagt, ohne Partner wäre die Firma langfristig nicht überlebensfähig. Auch Unternehmen aus anderen Branchen wie der Solar- oder Autoindustrie stehen auf den Einkaufszetteln finanzstarker Anleger aus dem kommunistischen Land. Beim Hildesheimer Autozulieferer KSM Castings schlug im Oktober vergangenen Jahres die chinesische Unternehmensgruppe CITIC Dicastal zu. Von einem möglichen Ausverkauf technischer Kompetenzen an den Produzenten von Autofelgen, der zu einem Staatskonzern gehört, ist keine Rede: KSM-Chef Frank Boshoff begrüßte den Einstieg, in beide Richtungen sei das Potenzial groß. Zu den Kunden von KSM zählen unter anderem Volkswagen, Audi und Daimler. Gestärkt durch enorme Devisenreserven könnte die Shopping-Tour der Chinesen noch an Tempo gewinnen, schätzt Ilja Nothnagel vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Das ist ein Trend, der sich fortsetzen wird“, sagte der Außenwirtschaftsexperte. „Wenn sie weiter eine gute Performance abliefern, haben sie auch das nötige Kapital, hier einzusteigen. Deutschland als Absatzmarkt, aber auch die Erfahrungen deutscher Unternehmen passen zu dem, was Chinas Wirtschaft schon jetzt ausmacht.“ Hochspezialisierter Maschinen- und Anlagenbau, dazu der Fokus auf Umwelttechnik im Fünf-Jahres-Plan: „Das ist ein gutes Zeichen für Jobs und Investitionen hierzulande.“

Bei den Putzmeister-Mitarbeitern ging wegen des Verkaufs an die Chinesen zunächst die Angst um. „Der Verkauf kam für uns völlig überraschend über Nacht“, sagt Gesamtbetriebsratschef Gerhard Schamber. Die Mitarbeiter seien schockiert gewesen. Mittlerweile habe sich die Situation beruhigt – dafür hat vor allem eine Jobgarantie für die 1100 Beschäftigten in Deutschland bis Ende 2020 gesorgt. Die Angst sei einer gewissen Zuversicht gewichen, sagt Schamber. „Natürlich wird sensibel darauf geachtet, ob alles so kommt wie versprochen. Den Worten müssen nun Taten folgen.“

Dass die Geldgeber aus Fernost ihre großen Pläne nicht immer in rasche Taten umsetzen, zeigen auch Fälle wie der Verkauf des Regionalflughafens Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Das chinesische Logistikunternehmen LinkGlobal hatte den ehemaligen Militärflugplatz 2007 vom Landkreis erworben. Investor Jonathan Pang kündigte an, den einst von den Sowjets ausgebauten Airport zu einem Luftfracht-Drehkreuz auszubauen. Nach Startschwierigkeiten lassen Pangs aktuelle Aktivitäten die Hoffnung in der Region auf einen glücklichen Ausgang wachsen: Seit Herbst lässt er einen neuen Tower errichten, der im Rohbau Ende Mai fertig sein soll. Text: dpa/afk

China auf der Hannover Messe

Es ist der größte Auftritt eines Partnerlandes auf der Hannover Messe. China präsentiert sich mit deutlich mehr als 500 Firmen auf der Technologieschau vom 23. bis 27. April. Nie zuvor haben sich Unternehmen und Regionen der zweitgrößten Wirtschaftsmacht in solcher Breite im Ausland vorgestellt. China und Deutschland machen sich Hoffnung, ihre wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit auszubauen. Kanzlerin Angela Merkel wird die Industriemesse am 22. April gemeinsam mit Chinas Regierungschef Wen Jiabao eröffnen. Heute sind schon mehr als 5000 deutsche Firmen mit 200 000 Mitarbeitern in China aktiv. Die Zeiten, in denen China als Billiganbieter oder Raubkopierer wahrgenommen wurde, sind vorbei. text: dpa

 
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