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PEKING
China-Geschäft bereitet Kopfschmerzen
Ungewisse Zukunft: Die Abhängigkeit vom Reich der Mitte steigt, aber das Geschäft wird rauer. Ernüchterung kommt auf.
Foto: Martin Schutt, dpa | Ungewisse Zukunft: Die Abhängigkeit vom Reich der Mitte steigt, aber das Geschäft wird rauer. Ernüchterung kommt auf.
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:22 Uhr

Die Liste der Wirtschaftsdelegation von Angela Merkel liest sich wie das „Who's Who“ der deutschen Wirtschaft: VW-Chef Martin Winterkorn, Siemens-Chef Joe Kaeser und Thomas Enders von EADS reisen an diesem Wochenende genauso mit der Kanzlerin nach China wie Postchef Frank Appel oder Martin Blessing von der Commerzbank. Die hochkarätige Begleitung zeigt, dass der Milliardenmarkt nie zuvor so wichtig für die deutsche Wirtschaft war. Aber nie zuvor war das Geschäft auch so schwierig wie heute. „Die goldenen Zeiten sind vorbei“, urteilte jüngst die Europäische Handelskammer in China.

Langsameres Wachstum und Ungewissheit über die groß angekündigten Wirtschaftsreformen sorgen bei deutschen Unternehmen für eine „abwartende Haltung“, wie der Präsident der deutschen Handelskammer und China-Chef von Siemens, Lother Herrmann, sagt. Die Ankündigungen des 3. Plenums der Kommunistischen Partei im November, dem Markt eine größere Rolle einräumen zu wollen, werden zwar begrüßt.

Konkrete Details zeigten sich aber „allenfalls langsam“. Es herrsche daher Unklarheit, wie sich Chinas Wirtschaft künftig entwickeln werde, ergab eine Umfrage der Kammer unter deutschen Unternehmen. Export und Investitionen haben als Triebkräfte für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ausgedient. Stattdessen müssen der heimische Konsum und Dienstleistungsbereich die neuen Motoren werden. „Chinas zweistelliges Wachstum ist vorbei“, sagt der Vorsitzende der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke. „Ab jetzt können wir uns auf jährliche Zuwachsraten von sechs oder sieben Prozent einstellen.“ Für deutsche Ohren klingt das immer noch viel, doch für ein Schwellenland mit so viel Nachholbedarf ist es wenig. Unter 7,2 Prozent Wachstum kann China nicht ausreichend neue Arbeitsplätze schaffen, warnt selbst Premier Li Keqiang.

Mit der Kanzlerin wird der Regierungschef am Montag in der Großen Halle des Volkes an der ersten Sitzung des gemeinsamen neuen Wirtschaftsausschusses teilnehmen. In dem Gremium soll frühzeitig diskutiert werden, wo der Schuh drückt, um unangenehme Überraschungen in den Beziehungen zu vermeiden. Neben der politischen Unsicherheit wachsen auch die Sorgen über verborgene Risiken. „Die europäischen genau wie die chinesischen Firmen sind sehr besorgt über eine drohende Finanzkrise“, sagt Wuttke und warnt vor der hohen Firmenverschuldung, einer platzenden Immobilienblase und gravierenden Überkapazitäten.

Auch die deutsche Handelskammer stellt fest: „Der Druck auf die Wirtschaft wächst und erstreckt sich von Überinvestitionen in einigen Teilen bis hin zu möglichen Immobilienproblemen und dem Anstieg von Zahlungsausfällen.“ Die neue chinesische Führung hat die Probleme erkannt, stößt mit ihren Reformplänen aber auf Widerstand „mächtiger Interessengruppen“, wie sie einräumt.

„Nach so langer Zeit sind die Interessengruppen, die sich an Monopolen labten und Reformen kippten, eben sehr schwer von den Honigtöpfen zu verdrängen“, meint Wuttke. Nur echte Reformen und vor allem besserer Marktzugang könnten europäische Unternehmen veranlassen, wieder mehr in China zu investieren. Durch Marktbarrieren sind europäischen Unternehmen 2013 nach eigenen Schätzungen 20 Milliarden Euro an Geschäften entgangen. Neben Diskriminierung auf dem chinesischen Markt bereiten den Unternehmen das langsamere Wachstum, steigende Personalkosten, ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitern und wachsender Wettbewerb auch durch wiedererstarkte Staatsbetriebe zunehmend Kopfzerbrechen. Die deutschen Auto- und Maschinenbauer machen zwar weiter gute Geschäfte, aber insgesamt ist das Klima rauer geworden. „Eine ernüchternde Realität entwickelt sich, verstärkt durch ein Gefühl von Pessimismus, das sich in der europäischen Unternehmergemeinde festsetzt“, stellt die EU-Kammer in ihrer jährliche Umfrage fest.

 
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