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MÜNCHEN
Bund bringt Kern der Hypo Real Estate an die Börse
Hypo Real Estate       -  Symbol für die Krise: In höchster Not musste die Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate mit Milliardenhilfen gerettet und notverstaatlicht werden.
Foto: Rainer Jensen, dpa | Symbol für die Krise: In höchster Not musste die Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate mit Milliardenhilfen gerettet und notverstaatlicht werden.
reda
 |  aktualisiert: 13.07.2015 19:02 Uhr

Mitten im Drama um Griechenland steht in Deutschland der ungewöhnlichste Börsengang des Jahres bevor: Nach fast sechs Jahren im Staatsbesitz soll das Kernstück der Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) an diesem Donnerstag mehrheitlich an die Börse gebracht werden. Damit kommt der Bund einer Auflage der EU-Kommission nach – sie hatte die Privatisierung zur Auflage gemacht. Ob der Zeitpunkt dafür gerade günstig ist, wird sich zeigen.

Warum gehört die Hypo Real Estate überhaupt dem Staat?

Die Hypo Real Estate war im Jahr 2008 fast kollabiert und musste mit staatlichen Milliardenhilfen aufgefangen werden, um den Finanzplatz Deutschland nicht zu gefährden. Ein Jahr später wurde die Bank gegen den Willen vieler Altaktionäre verstaatlicht. Seitdem gehört die HRE dem Bund und muss regelmäßig über die Fortschritte der Sanierung berichten. Wichtigster Baustein dabei war die Auslagerung milliardenschwerer Altlasten in eine Bad Bank. Um den profitablen Rest kümmert sich seitdem die Deutsche Pfandbriefbank. Diese soll nun an die Börse gebracht werden. 75,1 Prozent der Anteile will der Bund auf diesem Weg loswerden. Er hat sich aber verpflichtet, für zwei Jahre mit 20 Prozent beteiligt zu bleiben. Von der HRE bleibt nach dem Börsengang nur noch eine Hülle übrig, in der kein operatives Geschäft mehr angesiedelt ist.

Warum bringt der Bund die Bank an die Börse?

Für den Schritt hatten sich die staatlichen Eigentümer entschieden, weil sie sich dadurch höhere Einnahmen als durch einen Verkauf erhoffen. Wenn alles gut läuft, soll der Börsengang bis zu 1,37 Milliarden Euro einbringen. Die Anteile an der Pfandbriefbank sollen zwischen 10,75 und 12,75 Euro je Aktie platziert werden. Bieten können die Investoren bis zum 15. Juli, danach soll der Preis für die bis zu rund 107 Millionen Aktien feststehen. Einen Tag später ist dann der erste Handelstag im regulierten Markt an der Frankfurter Börse geplant.

Wer interessiert sich für die Aktien?

Viele Kleinanleger haben sich im Krisenjahr 2008 mit ihren HRE-Aktien die Finger verbrannt und viel Geld verloren. Mit der alten HRE hat die Nachfolgebank, die jetzt an die Börse kommt, aber nicht mehr viel zu tun. Co-Chef Andreas Arndt macht sich deshalb keine Sorgen um Interessenten. Das Marktumfeld für Immobilienfinanzierungen sei positiv, die Bank an den Kredit- und Kapitalmärkten gut positioniert und bestens kapitalisiert, sagte er vor wenigen Tagen. Von Investoren im In- und Ausland habe man positive Rückmeldungen für die Börsenpläne bekommen.

„Wir sind damit börsenreif und eine attraktive Alternative auf dem deutschen Kurszettel.“ In den vergangenen Jahren wurde die Pfandbriefbank Schritt für Schritt für einen Verkauf herausgeputzt. Ein Teil davon war der Einstieg in das Privatkundengeschäft, der die Bank für Investoren attraktiver gemacht haben dürfte. Seitdem können Anleger ihr Geld bei der Pfandbriefbank anlegen. Kerngeschäft der Bank bleibt aber die Finanzierung großer Immobilienprojekte wie Bürogebäude oder Hotelkomplexe.

Welche Risiken bleiben für die Steuerzahler?

Auch wenn der Bund die Mehrheit an der Pfandbriefbank loswird, drohen ihm weitere hohe Belastungen: Denn ehemalige Aktionäre haben gute Chancen auf Schadenersatz für die Kursverluste, die ihnen die Aktie eingebrockt hat. 2014 hatten sie sich in einem Musterprozess vor dem Oberlandesgericht München durchgesetzt. Damit drohen dem Bund riesige Schadenersatzzahlungen, falls die Aktionäre in letzter Instanz gewinnen. Klägeranwalt Andreas Tilp geht von einer Summe von über 500 Millionen Euro aus. Die Rechnung für den Schadenersatz müssten am Ende aber die Steuerzahler begleichen – denn der künftige Eigentümer der Pfandbriefbank hat mit diesen Forderungen nichts zu tun.

Zudem bleibt auch die Bad Bank letztlich im Staatsbesitz – sie ist noch auf Jahre mit der Verwertung der Altlasten beschäftigt.

Warum gab es immer noch keinen Prozess gegen die ehemaligen Manager?

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat nach jahrelangen Ermittlungen 2014 Anklage gegen den ehemaligen Chef Georg Funke und sieben weitere Ex-Vorstände erhoben. Die Manager sollen in offiziellen Firmenberichten die Lage der Bank geschönt haben. Die Zulassung der Anklage verzögert sich aber, da der zuständige Richter Peter Noll an das Oberlandesgericht befördert wurde und sich nicht mehr mit dem Fall befassen kann. Sollte seine Nachfolgerin die Anklage zulassen, müsste Funke erstmals seit dem Drama wieder öffentlich auftreten. Er hatte sich stets gegen den Vorwurf gewehrt, für das HRE-Debakel verantwortlich gewesen zu sein. Ein Prozess würde aber wohl frühestens 2016 beginnen.

 
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