Nach mehr als vier Jahrzehnten verkauft der Staat von 2013 an keine Bundesschatzbriefe mehr. Für Generationen von Sparern endet damit eine fast emotionale Beziehung zu den „Schätzchen“ genannten Papieren. Der Bund indes verweist nüchtern auf die hohen Kosten. Privatkunden müssen Bundesanleihen ab Januar über ihre Hausbank erwerben und dafür Gebühren zahlen. 1968 erdacht, entwickelte sich der Schatzbrief ab 1969 zum Klassiker unter den Bundeswertpapieren. Die erste Geldanlage des deutschen Staates für die breite Masse wurde zur Institution – wie der Weltspartag oder das Sparbuch fürs Kind. Doch Anfang Juli dieses Jahres teilte die Finanzagentur, die Schuldenverwalterin des Bundes, mit: „Ab 2013 wird der Bund keine neuen Serien von Bundesschatzbriefen und Ausgaben von Finanzierungsschätzen des Bundes mehr auflegen.“
Noch im Januar 2011 schwärmte die Frankfurter Behörde von der „beachtlichen Erfolgsgeschichte, die der Bundesschatzbrief seit über 40 Jahren und mehr als 500 Ausgaben schreibt“. Praktisch jedes Sparziel lasse sich mit einem solchen Investment verfolgen. Der niedrige Mindestanlagebetrag (zunächst 100 D-Mark, später 50 Euro) und lange Zeit üppige Zinsen – in der Spitze fast zehn Prozent - überzeugten tausende Anleger. Seit der ersten Auflage am 2. Januar 1969 gab es 574 Ausgaben der „Bundesschätzchen“, 142 laufen noch. Der letzte Bundesschatzbrief wird am 1. September 2019 fällig. Anfang Dezember 2012 verwaltete die Finanzagentur noch rund 300 000 sogenannte Einzelschuldbuchkonten, auf denen Privatkunden rund 7,3 Milliarden Euro angelegt hatten. Viele Sparer halten vor allem die über sechs oder sieben Jahre laufenden Bundesschatzbriefe.
„Die Kosten des Privatkundengeschäfts standen insbesondere in jüngerer Vergangenheit in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr zu seiner Bedeutung bei der Kreditaufnahme“, erklärte ein Sprecher der Bundesrepublik Deutschland-Finanzagentur GmbH. In der jüngsten Krise büßten Bundeswertpapiere für Privatanleger an Attraktivität ein: Weil die Zinsen im Euroraum auf Rekordtief liegen, werfen solche Anlagen nur noch mickrige Renditen ab. Dagegen stürzen sich Banken, Versicherer und Fonds auf deutsche Schuldtitel, weil diese als einer der wenigen verbliebenen sicheren Häfen im Euroraum gelten. Investoren nahmen teils sogar Negativzinsen in Kauf. Privatleute könnten auch nach der Einstellung des Vertriebs der klassischen Privatanlegerpapiere „in Bundeswertpapiere investieren“, erklärte der Finanzagentur-Sprecher: „Es steht ihnen mit den börsengehandelten Bundeswertpapieren, den fünfjährigen Bundesobligationen, den zwei Jahre laufenden Bundesschatzanweisungen oder den zehn- und dreißigjährigen Bundesanleihen weiterhin ein breites Anlagespektrum in sicheren Staatstiteln zur Verfügung.“ Viele Anleger stehen mit Börsen oder anderen Anleiheformen jedoch auf Kriegsfuß, wie Fidelity mit einer repräsentativen Umfrage untermauerte. YouGov fand im Auftrag des Vermögensverwalters unter 1000 Befragten heraus, dass Anleger, die Sicherheit und Rendite in Anleihen suchen, überwiegend auf Wertpapiere der Bundesrepublik Deutschland vertrauten. Jeder Vierte (26 Prozent) investierte mindestens ein Mal in Bundesanleihen. Von den über 55-Jährigen vertrauten 34 Prozent Vater Staat schon einmal Geld an. Dagegen kauften nur 16 Prozent der 25- bis 34-Jährigen Bundeswertpapiere.
Noch wirbt „Günther Schild“, das Maskottchen der Finanzagentur, für „die entspannendste Geldanlage Deutschland“. Privatkunden wird die Schildkröte mit ihrer Expertise („Mit Geld ist es wie mit Salat. Wenn ich es in Ruhe wachsen lasse, bringt es mir am meisten.“) aber bald nicht mehr ansprechen. Mit der Einstellung des Privatkundengeschäfts erübrige sich die Werbung, lässt die Frankfurter Behörde wissen.