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BRÜSSEL
Brüssel will Zoll-Fahnder stoppen
Der Schaden ist groß. Auf rund 660 Millionen Euro beziffert die Bundeszollverwaltung den Betrag, der Deutschland an Steuern und Sozialbeiträgen durch die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer entgangen ist. 524 000 Arbeitskräfte wurden 2011 kontrolliert.
txt:  Die EU-Kommission will die Rechte von entsandten Arbeitskräften stärken und dabei auch Kontrollen von Schwarzarbeitern erschweren – dafür gibt es Kritik.
Foto: dpa | txt: Die EU-Kommission will die Rechte von entsandten Arbeitskräften stärken und dabei auch Kontrollen von Schwarzarbeitern erschweren – dafür gibt es Kritik.
Von unserem Korrespondenten Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:23 Uhr
Doch die EU will solche Razzien stoppen. Sozialkommissar Laszlo Andor plant einen radikalen Schnitt – zunächst nur für die Bau-Branche. Am gestrigen Mittwoch legte er in Brüssel neue Regeln für die seit 1996 geltende Entsende-Richtlinie vor – viele Wochen später als zunächst geplant.

Denn das Papier ist wegen seiner Eingriffe in bisherige staatliche und tarifliche Hoheiten der Mitgliedstaaten umstritten. „Ich bin erstaunt“, sagte denn auch der CDU-Sozialexperte und Europa-Abgeordnete Thomas Mann. „Die Kommission macht sich mit einer Politik der Samthandschuhe zum Komplizen der Schwarzarbeiter.“ Künftig sollen Betriebsbesuche der Zollbeamten auf den Baustellen nicht mehr erlaubt sein.

Stattdessen sollen sich die Fahnder Informationen „vom Arbeitgeber entsandter Arbeiter oder von deren Heimatland“ beschaffen. Die deutsche Forderungen, das effiziente Kontrollen nur dann möglich sind, wenn die Arbeitspapiere auch in Deutsch vorliegen, wird weiter abgelehnt. Allzu viele Pflichten will die Kommission ausländischen Unternehmen bei der Entsendung ihrer Mitarbeiter auch nicht auferlegen. Die Vorgaben müssten „von Firmen leicht zu erfüllen sein, aus der Ferne und auf elektronischem Weg, wo möglich.“ Der Sozialpolitiker Mann hält dagegen: „Deutschland muss es auch weiterhin erlaubt sein, bewährte und neue Kontrollinstrumente in vollem Umfang einzusetzen. Es ist völlig unverständlich, warum die Kommission den deutschen Behörden misstraut.“

Rund eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden – vor allem im Bau- und Dienstleistungsbereich – von ihrem Betrieb zu Außeneinsätzen in andere EU-Länder entsandt. In den Gastländern gelten für sie die gleichen Sozialstandards wie für einheimische Kolleginnen und Kollegen – vom Urlaub über die Fortzahlung im Krankheitsfall bis hin zur Lohnhöhe.

Dieses Prinzip hat die EU in der Richtlinie über die Dienstleistungsfreiheit festgeschrieben, allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. „Beweise, dass entsendete Arbeitnehmer in vielen Fällen ausgebeutet und nicht ausreichend bezahlen, gibt es“, bekräftigte Andor bei der Vorstellung seiner Vorschläge am Mittwoch. Deshalb will der Kommissar nun die Arbeitgeber in Generalhaftung nehmen: Wer bei einem Auftrag Subunternehmer beschäftigt, trägt für deren Arbeitskräfte die volle Verantwortung.

Viel Zündstoff steckt auch in der zweiten Vorlage des Sozialkommissars. Nach etlichen gerichtlichen Auseinandersetzungen will Brüssel den „Gastarbeitern“ aus der europäischen Nachbarschaft künftig das gleiche Streikrecht wie in ihrer Heimat einräumen. Es dürfe nämlich nicht so sein, dass „im Binnenmarkt die wirtschaftlichen Freiheiten das Streikrecht aushebeln könnten“. Mit diesem Wink an die Gewerkschaften bemüht sich die Kommission erkennbar um deren Zustimmung zu dem Gesetzespaket. Experten warnen jedoch vor den Folgen: Brüssel ist für das Tarifrecht nicht zuständig. Die neue Vorschrift könnte nun aber dazu führen, dass rein nationale Fragen des Streikrechts künftig durch die Brille europäischer Regelungen gesehen werden. Thomas Mann: „Das würde das Streikrecht in Deutschland einschränken.“

 
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