Es hat nichts genutzt: Mehr als ein Jahr intensive Gespräche, eine Demo mit 3000 Teilnehmern auf dem Lohrer Schlossplatz und das Bemühen einer Einigungsstelle haben keine Übereinkunft zur kriselnden Gießerei von Bosch Rexroth in Lohr erbracht. Das bedeutet: Das „Herzstück“ Kernmacherei wird zu drei Vierteln ins Ausland verlegt. Bis Ende 2018 fallen 145 Arbeitsplätze weg. Also jeder Vierte.
„Totenstille“ – Betriebsratsvorsitzender Peter Urlaub braucht nur ein Wort, um die Reaktion der Gießerei-Frühschicht auf die schlechte Nachricht zu beschreiben. Urlaub wirkt selbst schockiert. Seit mehr als 35 Jahren arbeitet er im Betrieb. „Mit so einem schlechten Ergebnis hat niemand gerechnet.“ Die Betroffenen seien am Boden zerstört.
Am Freitagabend gegen 22 Uhr, erzählen er und Birgit Adam von der IG Metall Aschaffenburg bei einem Pressetermin, sei der letzte Versuch einer Lösung per Einigungsstelle mit neutralem Vorsitzenden gescheitert. Knackpunkt: die Kernmacherei. Was und wieviel dort produziert wird, bestimmt die meisten vor- und nachgelagerten Bereiche in der Gießerei.
Der Betriebsrat beauftragte eine Beratungsfirma, der dort schon länger bestehenden Schieflage auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis laut Urlaub: „Der Gießerei fehlt ein klares Geschäftsmodell und eine Übersicht über die Kostenstruktur der Produkte ist auch nicht vorhanden.“
Betriebsrat, IG Metall und Beratungsfirma entwickelten ein eigenes Konzept. Es sollte am Standort Lohr zu denselben Ergebnissen führen wie die geplanten Schritte der Geschäftsführung. Von dieser verlangte man zudem eine Aussage zur Zukunft der Gießerei nach 2018.
Bei der Einigungsstelle habe sich ein „schwerer Kompromiss“ abgezeichnet, berichtet Birgit Adam. Neben Urlaub saß sie als Vertreterin der Arbeitnehmer im Gremium.
Bis zu 48 Prozent der Kernmacherei sollten ins Ausland – nach Italien oder Slowenien – verlegt werden dürfen. 15 der bestehenden 21 Maschinen wären in Lohr verblieben, mit einer guten Auslastung. Dem hätte der Betriebsrat zugestimmt.
Er lockte mit weiteren Zugeständnissen: Die Arbeitszeit sollte flexibler gestaltbar werden; bezahlte Waschzeiten wären weggefallen. Die Belegschaft hätte auf ihre jährliche Bosch-Erfolgsprämie verzichtet und Datenerhebungen in der Produktion akzeptiert. Außerdem bot der Betriebsrat „Maßnahmen zur Senkung der Krankenquote von weit über zehn auf wieder unter zehn Prozent“ an.
Doch am späten Freitagabend zogen die Arbeitgeber laut Birgit Adam zurück. Nur noch zehn produzierende Maschinen sollten in Lohr bleiben. Ein Zukunftskonzept für die Gießerei wäre nicht mehr Gegenstand einer Einigung gewesen. „Ein Schlag ins Gesicht der Interessenvertretung und der Beschäftigten.“
Adam drängt sich der Eindruck auf, dass die Gegenseite gar keinen Kompromiss mehr wollte. An anderen Standorten seien die vorgeschlagenen Zugeständnisse akzeptiert worden. So radikal wie in Lohr sei man dort nicht vorgegangen.
Bosch Rexroth reicht indes den Schwarzen Peter an Betriebsrat und IG Metall zurück. „Mit diesem Ausgang hatten wir angesichts unseres hohen Entgegenkommen nicht gerechnet“, wird Holger von Hebel, kaufmännischer Leiter des Geschäftsbereichs Mobile Anwendungen, zitiert. „Uns war sehr daran gelegen, zu einer Einigung und zu einem gemeinsamen Sanierungskonzept für eine wettbewerbsfähigere Gießerei zu kommen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Daher habe man die Einigungsstelle angerufen.
Von einem „nochmals höheren Anteil an Insourcing“ ist die Rede. „Insourcing“ bedeutet, Aufträge und damit Arbeitsprozesse in einen Betrieb zurückholen.
Ein weiterer Vorschlag: „deutlich geringerer Stellenabbau gegenüber dem ursprünglichen Arbeitgeberkonzept“. Laut Unternehmenssprecherin Jana Benzinger nannte die Arbeitgeberseite nie konkrete Zahlen. Dem Vernehmen nach ging es um 80 abzubauende Arbeitsplätze.
Wie geht es weiter? Bosch Rexroth kann nach dem Scheitern der Gespräche seine Pläne ohne den Betriebsrat durchsetzen. Prinzipiell soll das nach Benzingers Worten geschehen. „Es wird aber geprüft, ob einzelne Ideen aus den Gesprächen einfließen werden.“ Den genauen „Abbaubedarf“ an Stellen nennt sie nicht.
Darum machen sich Betriebsrat Urlaub und Gewerkschafterin Adam nicht die meisten Sorgen. Ein Sozialplan regele den „sozialverträglichen Abbau über Aufhebungsverträge und natürliche Fluktuation“. Wegen des Abzugs des Kern-Geschäfts sehen sie die Gießerei an sich und damit die restlichen Arbeitsplätze in Gefahr.
Birgit Adam hofft, dass die Gießerei ein wichtiges Thema im Aufsichtsrat von Bosch Rexroth bleibt. Und Peter Urlaub möchte den betrieb, dem er 35 Jahre treu ist, nicht eine „qualvollen Tod sterben“ sehen.