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WÜRZBURG
Bofinger: Staat soll sich verschulden
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 20.03.2012 17:14 Uhr

Schulden machen, statt Schulden abbauen – das rät der Wirtschaftsweise Peter Bofinger Deutschland und dem Freistaat Bayern. Die derzeit historisch günstigen Zinsen seien „eine einmalige Chance“ in Infrastruktur und Bildung zu investieren. Mit diesem Vorschlag überraschte der Würzburger Volkswirtschaftsprofessor am Montagabend bei einer gemeinsamen Veranstaltung des PresseClub Mainfranken und des Presseclub Würzburg.

„Wenn ich Ministerpräsident in Bayern wäre, dann würde ich jetzt in Bildung investieren“, sagte Bofinger. Würde ein junger Mann zu einem qualifizierten Facharbeiter ausgebildet statt Hartz-IV-Empfänger zu werden, dann bringe das eine hohe Rendite auf das in die Bildung investierte Kapital. So jedenfalls würden erfolgreiche Unternehmen handeln. „Aber ein solches Denken ist beim Staat nicht vorhanden“, kritisierte er und forderte von Politik und Behörden ein „Umdenken“. Bofinger gilt als prominentester Vertreter des keynesianischen Wirtschaftsmodells, das einen starken, aktiven Staat im Mittelpunkt des Handelns sieht.

Thema des Abends: die Schuldenkrise. Sie hänge nicht zuletzt mit der Anfang des Jahrtausends dramatisch auseinanderklaffenden Lohn-Schere in den Mitgliedsländern der Eurozone zusammen, argumentierte Bofinger. So hätten deutsche Arbeitnehmer auf Einkommenssteigerungen verzichtet, während in Ländern wie Griechenland, Portugal oder Irland Jahr für Jahr kräftige Lohnerhöhungen gewährt wurden. Damit sei es zu einer Schieflage der Wettbewerbsfähigkeit gekommen – die es den wirtschaftlich schwachen Staaten nun schwer mache, ihre Schulden in den Griff zu bekommen. Vonseiten der Politik und der Europäischen Zentralbank (EZB) habe man dies unterschätzt. Wie auch die Rolle der Finanzmärkte. Dabei gehe es in der Wirtschaftspolitik stets um das Verhältnis von Staat und Markt, sagte Bofinger vor Pressevertretern. Und die Frage „wer ist der Gute und wer ist der Schurke“.

Zu der von seinem Hamburger Professorenkollegen Thomas Straubhaar angestoßenen Debatte um ein Versagen seiner Zunft angesichts der Schuldenkrise räumte Bofinger ein: Die Wirtschaftswissenschaften seien kein geschlossener Prozess mit klaren Regeln, „wir fahren wirklich auf dem offenen Meer“.

 
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