Es war eines von Nicolas Sarkozys viel beachteten Wahlkampfversprechen: Frankreich werde als erstes Land der Eurozone eine Steuer auf Finanztransaktionen einführen, kündigte der Noch-Präsident im Winter 2012 an. Auf diese Weise würden die Spekulanten an den horrenden Kosten der Finanzkrise beteiligt. Was Sarkozy nicht hervorhob: Er selbst war es gewesen, der die französische Börsenumsatzsteuer im Jahr 2008 abgeschafft hatte. Der Vorstoß nützte Sarkozy nicht, er musste den Sessel des Staatschefs für den Sozialisten François Hollande räumen.
Dieser verbucht das Sarkozy-Projekt nun als eine der ersten Neuerungen seiner Amtszeit. Am 1. August tritt die neue Steuer in Kraft. Der Steuersatz beträgt 0,2 Prozent, der Fiskus erhofft sich Einnahmen von 1,6 Milliarden Euro jährlich. Zittern muss die Finanzbranche allerdings nur begrenzt. Die neue Steuer gilt für den Kauf von Aktien bestimmter französischer Unternehmen – einschließlich des Hochfrequenzhandels – und für den Kauf von Kreditausfall-Derivaten. Erhoben wird sie für die Aktien von 109 französischen Firmen mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Euro. Somit ist die Steuer in weiten Teilen inspiriert von dem, was andere Länder wie Großbritannien schon haben. „Die Steuer ist überhaupt keine Finanztransaktionssteuer“, sagt der EU-Abgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold (Grüne). „Sie ist im Grunde nur eine Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer, die Herr Sarkozy abgeschafft hat.“ Das Gros der Derivate und auch Devisenumsätze würden nicht erfasst.
Entsprechend skeptisch ist Giegold auch, dass auf EU-Ebene ein wesentlich größerer Wurf zustande kommt. Frankreich und Deutschland sind die Schwergewichte in einer Gruppe aus zehn Ländern, die im Moment eine sogenannte verstärkte Zusammenarbeit bei diesem Thema planen. Paris' Ehrgeiz auf EU-Ebene hält sich in Grenzen. Die Bundesregierung vertritt die Devise „möglichst schnell möglichst viel mit möglichst vielen“. Für sich selbst rechnet die Bundesregierung mit Einnahmen von zwei Milliarden Euro ab 2014 aus einer neuen Steuer.
Einige Experten sehen es positiv, dass es in Europa nationale Alleingänge gibt. Kürzlich beschloss Ungarn eine Steuer auf Finanztransaktionen. „Ich glaube, wir haben da ein ganz gutes Experimentierfeld“, sagt Christoph Schalast, Professor an der privaten „Frankfurt School of Finance & Management“. Es werde sich zeigen, ob die Steuern die gewünschte Lenkungswirkung hätten und bestimmte Spekulationen eindämmten. Er selbst hege Zweifel. Es müsse aber verhindert werden, dass die Steuern Kleinverdiener träfen. „Der bessere Weg aus meiner Sicht ist ein anderer Regulierungsrahmen innerhalb Europas“, erläutert Schalast. Hier habe es schon eine Reihe von richtigen Schritten gegeben: Dazu gehörten etwa Kompetenz-Verlagerungen von der Europäischen Bankaufsichtsbehörde hin zur Europäischen Zentralbank oder die Stärkung der Regulierungsbefugnisse der Europäischen Union.
In Frankreich wird indes gefordert, in der Finanzmarkt-Debatte die Ärmsten in der Welt nicht zu vergessen. Mindestens 50 Prozent der Einnahmen aus einer Spekulationssteuer müssten in den Kampf gegen Armut und Hunger fließen, verlangt etwa der frühere Außenminister Philippe Douste-Blazy, inzwischen Sonderberater der Vereinten Nationen für „Innovative Entwicklungsfinanzierung“. Ähnlich argumentiert auch die Bankerin Arielle Malard de Rothschild. „Im Jahr 2008 haben unsere Wirtschaften 18 Billionen Dollar aufgebracht, um das globale Bankensystem zu retten“, schrieb sie kürzlich in der Zeitung „Huffington Post“. „Wir können ebenso ehrgeizig sein, wenn es um die Ausmerzung der Armut geht, und fairerweise sollte sich der Finanzsektor beteiligen.“ Es sei bedauerlich, dass in Frankreich nur die Sparversion einer Steuer zustande gekommen sei.