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Bionade, Pudding und Pizza
Dr. Oetker Seit 2012 gehört die Ökobrause aus der Rhön zum Familienkonzern aus Westfalen. Doch welche Rolle spielt Bionade eigentlich zwischen Pudding, Pizza und schweren Pötten? Ein Besuch in Bielefeld.
Pressekonferenz der Oetker-Gruppe: Bionade gab's für die Presse; bei Infos zur Rhöner Biobrause zeigte man sich sparsamer.Fotos: Deppisch
| Pressekonferenz der Oetker-Gruppe: Bionade gab's für die Presse; bei Infos zur Rhöner Biobrause zeigte man sich sparsamer.Fotos: Deppisch
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 19.06.2013 17:39 Uhr

Was einem zu Bielefeld einfällt? Nicht viel. Fußballfans erinnern sich mit Wehmut an die Arminia, die einst auf der „Alm“, ihrem alten Stadion, manchem Gegner das Leben schwer machte. Sonst ist da nicht viel, außer: Dr. Oetker. Ein Name wie Donnerhall. 97 Prozent aller Deutschen kennen ihn. Was 1891 mit der cleveren Idee des Apothekers August Oetker begann, Backpulver in kleine Tütchen zu verpacken und mit seinem Doktortitel zu schmücken, ist heute ein multinationaler Konzern mit weltweit 400 Firmen. Und seit Anfang vergangenen Jahres alleiniger Eigentümer der vielleicht bekanntesten Marke Nordbayerns: Bionade.

Dr. Oetker residiert seit über 100 Jahren in der Bielefelder Lutterstraße idyllisch am Rand des Teutoburger Waldes, der die 300 000-Einwohner-Stadt quasi in zwei Hälften teilt. Im Erdgeschoss der „Dr. Oetker Welt“, einem fein hergerichteten roten Backsteinbau, lernt eine lärmende Gruppe Schulkinder die Geheimnisse von Pudding und Backpulver kennen. Zwei Stockwerke weiter oben, im Raum „Bielefeld“, referiert Richard Oetker an diesem Dienstagvormittag vor der Presse über das vergangene Geschäftsjahr. Er ist unter den sechs Männern auf dem Podium der einzige ohne Doktortitel – und derzeit das einzige Familienmitglied in der Führungsriege. Als Konzernchef ist es seine Aufgabe, einen Überblick über die fünf Geschäftsfelder der Gruppe zu geben.

Traditionell kommen die Nahrungsmittel zuerst. Sie sind der Markenkern von Dr. Oetker. Man habe in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld in vielen Ländern die Marktführerschaft behaupten können, sagt Richard Oetker. Das mit dem schwierigen Wettbewerbsumfeld wird man an diesem Tag noch öfter hören. Und dann referiert er über das Geschäftsfeld Bier und alkoholfreie – es heißt nicht „antialkoholische“ – Getränke. Es geht dabei um die Radeberger-Gruppe in Frankfurt. Die, so heißt es, größte private Brauereigruppe Deutschlands. In ihr ist dieses Geschäftsfeld zusammengefasst.

Ganz zum Schluss kommt Oetker auf Bionade zu sprechen. Die 100-Prozent-Tochter aus Franken habe 2012 „vor allem mit einer neuen Werbekampagne auf sich aufmerksam gemacht“. Der Spot zeige das Selbstverständnis der Rhöner Kultmarke: Bunt und facettenreich, lebensfroh und optimistisch. Wieder erwähnt er ein „schwieriges Wettbewerbsumfeld“. Mit der Präsentation von Bionade Cola im Februar aber wolle man nun „zielgerichtet neue Impluse setzen“. Bionade, so schließt Oetker, werde „weiter wachsen“. Das war’s.

Viel mehr verrät auch der vorgelegte Konzern-Geschäftsbericht über Bionade nicht. Auf Seite 23 ist zumindest noch von einer „erfolgreichen Facebook-Strategie“ die Rede, man habe 2012 die Zahl der Facebook-Fans auf über 70 000 erhöhen können. Fotos gibt’s nur von Bieren (Radeberger, Clausthaler, Jever) und vom Mineralwasser Selters.

Die Nachfragen, ob der Kauf von Bionade richtig gewesen sei und wie denn das im Februar vorgestellte Bionade Cola angenommen werde, beantworten gleich zwei der dunkel gekleideten Herren. Radeberger-Chef Albert Christmann (mit Dr.-Titel), der im Juli den scheidenden Finanzchef Ernst F. Schröder (mit Dr.-Titel) ablösen wird, sagt, man habe die restlichen Anteile an Bionade ja erst 2012 übernommen. Aber, räumt er ein, „anfangs hätte es besser laufen können“. Und der künftige Radeberger-Chef Erlfried Baatz (mit Dr.-Titel) sagt, man sei mit dem Start von Bionade „sehr zufrieden“ und „sehr zuversichtlich“. Insgesamt habe sich bei Bionade der Umsatz 2012 zumindest „leicht positiv“ entwickelt. Mehr wird nicht verraten, das muss reichen.

Es gehört zu den Besonderheiten der Oetker-Gruppe, dass man sich bei bestimmten Themen gern bedeckt hält – und auch keine Zahlen zur Gewinnsituation vorlegt. Möglich macht das die Tatsache, dass alle Gesellschafter, zu ihnen gehören stets auch die Chefs der einzelnen Sparten, Persönlich haftende Gesellschafter (PhG) sind – und daher über Gewinne und Verluste schlicht und einfach keine Auskunft geben müssen.

Anfang des Jahres unkte das „Manager Magazin“, Oetker befinde sich „in rauer See“. Das lange erfolgreiche Rezept, mit einem ungewöhnlich breiten Produktportfolio Stabilität und Wachstum für die Gruppe sicherzustellen, funktioniere nicht mehr. Vor allem die Schifffahrtssparte, die für die Hälfte des Elf-Milliarden-Euro-Umsatzes sorgt, steuere „auf eine Dauerkrise zu“. Oetker benötige für anstehende Investitionen und mögliche Zukäufe viel Kapital – und das könne man sich womöglich mit einem Gang an die Börse holen.

Finanzchef Schröder schüttelt den Kopf, ein Börsengang sei kein Thema. „Warum auch?“, meint er im persönlichen Gespräch: Eine Aktiengesellschaft müsse in der Regel die Hälfte ihres Gewinns als Dividende an die Aktionäre überweisen – „bei uns ist es viel weniger, das Geld bleibt in der Firma“. In Branchenkreisen spricht man in der Tat nur von einem vergleichsweise bescheidenen Zehntel, das Jahr für Jahr vom Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet wird. Und dann die ganze lästige Öffentlichkeit einer großen Börsen-AG – nein, das würde so gar nicht zum dezenten Auftritt der Bielefelder passen.

Ein Problem aber scheint Oetker dann vielleicht doch zu haben: Es fehlt eine starke Führungsfigur, eine, wie sie der vor sechs Jahren verstorbene Rudolf August Oetker war. Dessen mittlerer Sohn Richard – er wurde 1976 als Student an der Technischen Universität München entführt - ist mit 62 Jahren sicher nicht der Mann, der das Unternehmen in Richtung des verkündeten Umsatzziels von 22 Milliarden im Jahr 2023 hieven kann.

Doch hinter Richard gibt es noch einen weiteren Spössling – den 46-jährigen Alfred. Er steht in der weitverzweigten Familie für die Moderne, kann sich, sagte er vor einiger Zeit einen Börsengang vorstellen. Es scheint, dass in Bielefeld nicht nur das Stadtgebiet, sondern auch der Oetker-Clan zweigeteilt ist.

Was das nun für Bionade bedeutet? Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die vor zehn Jahren jäh zur Topmarke aufgestiegene Brause das Zeug zur Markenlegende hat, so wie man es sich bei Oetker wünscht. Die Zeit dafür wird man den Rhönern wohl geben. Oetker ist, das wurde in Bielefeld deutlich, eben kein anonymer Konzern, sondern ein ziemlich großes Familienunternehmen aus der westfälischen Provinz. Bionade und Bielefeld – das könnte passen. Das lokale Kfz-Kennzeichen stimmt schon mal: Es lautet „BI“.

Die Oetker-Gruppe und Bionade

Von Brenners Park-Hotel in Baden-Baden über Pudding, Pizza, Bier und Sekt (Henkell) bis hin zu Containerschiffen (Reederei Hamburg Süd) und zum Bankhaus Lampe – die Oetker-Gruppe ist das, was man einen Mischkonzern nennt. Gegründet 1891 zählt Dr. Oetker heute zu den bekanntesten deutschen Marken.

Die Gruppe (Umsatz 2012: 10,94 Milliarden Euro) hat fünf Geschäftsfelder: Nahrungsmittel (2,50 Milliarden Euro), Bier und alkoholfreie Ge- tränke (1,84 Milliarden Euro), Sekt, Wein und Spirituosen (0,68 Milliarden Euro), Schifffahrt (5,47 Milliarden Euro) sowie weitere Geschäfte (0,45 Milliarden Euro). Insgesamt sind in der Gruppe 26 400 Mitarbeiter beschäftigt.

Der Einstieg bei Bionade fand bereits im Jahr 2009 statt, Radeberger übernahm damals 51 Prozent der Anteile. Seit Februar vergangenen Jahres gehört das Rhöner Öko-Unternehmen vollständig zur Oetker-Gruppe. Heute führt Christian Schütz als Geschäftsführer die Bionade Holding GmbH in Ostheim vor der Rhön. Bionade beschäftigt derzeit etwa 140 Mitarbeiter. FOTO: dpa/Text: md

Stabübergabe mit Bionade: Erlfried Baatz (links) löst zum 1. Juli Albert Christmann als Chef der Radeberger-Gruppe ab.
| Stabübergabe mit Bionade: Erlfried Baatz (links) löst zum 1. Juli Albert Christmann als Chef der Radeberger-Gruppe ab.
 
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