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MANNHEIM/FRANKFURT
Bilfinger will Kochs Kurs fortführen
reda
 |  aktualisiert: 05.08.2014 18:47 Uhr

Trotz des abrupten Abgangs seines Vorstandschefs Roland Koch rüttelt der Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger nicht am strategischen Kurs. „Die von Herrn Koch initiierten strategischen Initiativen sind alle richtig, wurden vom Aufsichtsrat voll mitgetragen“, sagte der Chef des Kontrollgremiums, Bernhard Walter, am Dienstag in Frankfurt. „Die Umstrukturierung des Konzerns, die bedauerlicherweise zum Stellenabbau führt, wird fortgesetzt, uneingeschränkt.“

Nach der zweiten Gewinnwarnung innerhalb kurzer Zeit wegen Schwierigkeiten in der Kraftwerkssparte hatte Hessens früherer Ministerpräsident am Montagabend überraschend seinen Rücktritt von der Bilfinger-Spitze angekündigt.

„Es sind Ziele, die mit dem Aufsichtsrat vereinbart waren, mehrfach nicht erreicht worden“, sagte Walter. Kochs Ziele seien „zu ehrgeizig“ gewesen. Dies sei in der erneuten Gewinnwarnung gegipfelt. „Das hat zu einem Vertrauensverlust und einem Glaubwürdigkeitsverlust geführt.“

Das Geschäftsmodell von Bilfinger sei aber sehr tragfähig, betonte der Chefaufseher. Am Ausbau der Dienstleistungen und der Verringerung des Baugeschäfts werde der Konzern festhalten. „Ein Geschäftsmodell verwirft man nicht, wenn einem marktbedingt der Wind ins Gesicht bläst.“

Auch die Internationalisierung solle weiter vorangetrieben werden. Vor diesem Hintergrund werde Bilfinger die Verpflichtungen gegenüber Koch bis zum Vertragsende im Februar 2016 erfüllen, sagte Walter. Der scheidende Chef bekommt also noch rund anderthalb Jahre weiter Geld. Für das Jahr 2013 erhielt Koch gut 2,35 Millionen Euro.

Er selbst hatte seinen Abgang zu diesem Wochenende am Vorabend mit dem erschütterten Vertrauen begründet. Mit dem Chefwechsel solle auch ein „Dissens über die Einschätzung der kurzfristigen Unternehmensentwicklung“ und der notwendigen Maßnahmen vermieden werden. Worin dieser genau lag, blieb auch am Dienstag offen. Walter machte dazu ebenfalls keine Angaben.

Nach der ersten Gewinnwarnung Ende Juni waren die Bilfinger-Aktien um 18 Prozent eingebrochen. Am Dienstag sackten sie zeitweise um weitere rund 14 Prozent ab. Damit büßten Bilfinger-Papiere seit dem im April erreichten Rekordhoch über 40 Prozent ein. „Das Vertrauen der Märkte ist ziemlich zerrüttet“, sagte Analyst Jasko Terzic von der DZ Bank.

Koch soll in den kommenden Tagen von seinem Vorgänger Herbert Bodner abgelöst werden. Dies soll laut Walter wieder Ruhe nach innen und außen bringen. So sollten auch das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit gestärkt werden. Bodner kennt das Geschäft gut: Er hatte vor dem Amtsantritt Kochs Mitte 2011 an der Bilfinger-Spitze gestanden und die Umwandlung vom Baukonzern zum Dienstleister für Wartungen rund um Industrieanlagen, Kraftwerke und Immobilien eingeleitet.

Koch hatte diese Strategie übernommen und vorangetrieben. Bodner soll nun bis Ende Mai 2015 Übergangschef bei Bilfinger und danach - wie angekündigt – Vorsitzender des Aufsichtsrats werden, sagte Walter.

Der ehemalige Regierungschef Hessens hatte aus Sicht von Analysten den Bogen überspannt. Der 56-Jährige baute den Konzern seit Monaten um, kappte Kosten, strich Stellen, trieb die Zentralisierung voran.

Kürzlich kehrte er sogar dem Tiefbau den Rücken, mit dem 1880 alles bei Bilfinger losging. Dafür erhielt Koch Lob von Analysten, aber auch Kritik aus den eigenen Reihen. Jüngst hatte er massiv Gegenwind von Gewerkschaftern bekommen – etwa für den geplanten Stellenabbau.

Wegen der schlechteren Auftragslage in der Kraftwerkssparte hatte Koch den Abbau von bis zu 300 Stellen angekündigt, nachdem aus einem früheren Programm bereits 1250 Verwaltungsjobs auf der Streichliste standen. Ein darüber hinausgehender Abbau sei nicht geplant, sagte Walter. Weltweit hatte Bilfinger Ende 2013 gut 74 000 Mitarbeiter.

Politiker in der Wirtschaft

Beraterposten, Aufsichtsratsmandate oder Verbandsarbeit – viele Politiker haben in den vergangenen Jahren ganz oder teilweise die Seiten gewechselt. Eine Auswahl: Lothar Späth (CDU) war einst dienstältester Ministerpräsident Deutschlands (Baden-Württemberg, 1978-1991) und startete eine zweite Karriere bei Jenoptik. Bis 2003 leitete der heute 76-Jährige das Unternehmen und brachte es aus konkursreifen Teilen des DDR Zeiss-Kombinates zur Börsenreife. Ab 2005 wurde er für fünf Jahre Deutschland-Geschäftsführer der Investmentbank Merrill Lynch. Bodo Hombach (SPD) wurde 1998 Chef des Bundeskanzleramtes, wechselte aber schon ein Jahr später als Balkan-Beauftragter nach Brüssel. Anfang 2002 übernahm er als Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe einen Spitzenjob in der Verlagswirtschaft, den er rund zehn Jahre erfolgreich ausübte. Werner Müller (parteilos) ist Doppelwechsler: Der ehemalige Energiemanager bei RWE und Veba wurde 1998 überraschend Bundeswirtschaftsminister und verhandelte erfolgreich den Atomausstieg. Schon 2002 schied Müller aber wieder aus der Politik aus und übernahm 2003 den Chefposten bei der RAG. Friedrich Bohl (CDU) war unter Helmut Kohl Kanzleramtsminister. Nach Kohls Abwahl 1998 ging er zur Deutschen Vermögensberatung (DVAG), war dort zunächst Generalbevollmächtigter, später Vorstandsmitglied und führt seit April 2009 den Aufsichtsrat des Finanzvertriebs. Silke Lautenschläger (CDU) war lange Hessens Gesundheitsministerin (2001-2009) und später Umweltministerin (2009/2010). Danach wechselte sie in die Versicherungsbranche. Seit Januar 2011 ist die Juristin Vorstandsmitglied der zur Ergo-Versicherungsgruppe gehörenden privaten Krankenversicherung DKV. Dieter Althaus (CDU) war Ministerpräsident von Thüringen und wechselte in die Wirtschaft. Der einst starke Mann der Ost-CDU ging zum kanadisch-österreichischen Magna-Konzern, wo er auch heute noch tätig ist. Text: dpa

 
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