Die EU verpflichtet Unternehmen, ab Januar zu berichten, wie umweltfreundlich sie handeln. In Mainfrankens Wirtschaft wird die Grundidee zwar begrüßt, doch es gibt auch kritische Stimmen zu der neuen Pflicht.
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt, Sascha Genders, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit. "Da kommt was auf die Firmen zu", sagt er. "Ich rate allen, sich mit den Themen Nachhaltigkeit und Berichterstattung zu beschäftigen."
Hintergrund ist die EU-Taxonomie, eine Maßnahme des EU-Aktionsplans "Sustainable Finance" und Teil des Green Deals der Europäischen Union. Genders geht davon aus, dass sich die EU-Taxonomie auf etwa ein Fünftel der Unternehmen in Mainfranken direkt oder indirekt auswirken wird.
Direkt betroffen sind Finanzunternehmen, Versicherer und börsennotierte Firmen. Indirekt geht das Thema kleine und mittlere Unternehmen als Kreditnehmer und Zulieferer an. Und das laut Genders vor allem in diesen Branchen: produzierendes Gewerbe, Immobilien, Gebäudeausrüstung, Verkehr.
Beispiel Jopp in Bad Neustadt: Was kommen wird
Jopp aus Bad Neustadt gehört als klassischer Mittelständler zu den Unternehmen, die die EU-Taxonomie indirekt spüren werden. Der Automobilzulieferer achtet laut Geschäftsführer Martin Büchs schon lange darauf, nachhaltig zu handeln. Bis 2035 will die Firma CO2-neutral in ihren Werken produzieren.
Zu den Kunden von Jopp gehören VW, Audi, Ford und weitere Autohersteller. Sie alle sind direkt von der EU-Taxonomie betroffen – und geben die Anforderungen indirekt an ihren Lieferanten weiter. Doch Jopp ist vorbereitet: "Unsere Kunden führen bereits seit vielen Jahren Nachhaltigkeitsaudits bei uns durch", sagt Büchs. Denn die entsprechende Richtlinie gebe es schon seit 2017.
Trotzdem ist der Geschäftsführer sicher, dass mehr Bürokratie auf sein Unternehmen zukommen wird. Und findet das alles andere als gut: "Zusätzliche Berichtspflichten bieten keinen echten Mehrwert, zumindest im B2B-Bereich", sagt Büchs. Wenn CO2 direkt Geld kosten würde, würden sich Unternehmen automatisch danach ausrichten und nachhaltiger agieren.
Auch bei der Kreditvergabe wird die EU-Taxonomie Jopp indirekt treffen. Denn Finanzinstitute sollen ihre Kreditnehmer ebenfalls unter Nachhaltigkeitsaspekten bewerten. Von seinen Banken habe Jopp bisher keine neuen Anforderungen erhalten, sagt Büchs. Er hoffe jedoch, dass die Banken sich auf einheitliche Nachweise einigen werden. "Sonst artet das in noch mehr Bürokratie aus."
Wen die EU-Taxonomie auch betrifft
Die VR-Bank Schweinfurt bietet ihren Kunden bereits freiwillig Nachhaltigkeitslösungen für die Vermögensanlage an. "Wir haben aber größte Bedenken, dass wir mit der EU-Taxonomie in anderen Bereichen des Bankgeschäfts überreguliert werden", sagt Vorstandsvorsitzender Frank Hefner. Zudem finde er es unverhältnismäßig, dass die EU für alle Bankentypen in Europa eine annähernd gleiche Regulatorik vorsehe.
Hefner sieht außerdem eine Gefahr im sogenannten "Green Supporting Factor" der EU-Taxonomie: Wenn Banken "grüne" Kredite vergeben – also für ökologisch nachhaltige Aktivitäten –, müssen sie dafür weniger Eigenkapital vorhalten als für andere Kredite. "Und zwar unabhängig vom verbundenen Kreditausfallrisiko", erklärt der Vorstandsvorsitzende.
EU-Taxonomie: Wo die Gefahr für Banken liegen könnte
Dies verletze ein zentrales marktwirtschaftliches Prinzip der Banken: Die Höhe des vorzuhaltenden Eigenkapitals richtet sich ausschließlich nach dem Risiko des zu vergebenden Kredits. Wichtige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Risikomanagement der Banken werden laut Hefner dadurch entkoppelt. "Und das gefährdet die Stabilität des Bankensektors."
Die VR-Bank Schweinfurt wolle Firmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen. "Aber die EU-Taxonomie schafft Anreize, das Geld zu unvorsichtig zu vergeben", sagt Hefner. "Diese Gefahr für die Finanzstabilität in Europa darf man nicht unterschätzen."
Was die Vorgaben für börsennotierte Unternehmen bedeuten
Börsennotierte Unternehmen müssen ab Januar ebenfalls angeben, zu welchen Teilen ihre Aktivitäten mit den Vorgaben der EU-Taxonomie übereinstimmen. In Mainfranken betrifft das zum Beispiel den Würzburger Isolierspezialisten va-Q-tec.
"Inhaltlich müssen wir uns keine Sorgen machen", sagt Finanzvorstand Stefan Döhmen. Die va-Q-tec AG stelle Produkte her, die die klimapolitischen Ziele förderten: stark isolierte Transportbehälter und Container sowie Hochleistungs-Dämmplatten. Auch die Investoren und Investorinnen forderten nachhaltige und umweltfreundliche Aktivitäten, so Döhmen.
Doch wie viele andere Gesetze auch, bedeute die EU-Taxonomie zusätzlichen Aufwand für die Unternehmen. "Das frisst Ressourcen", sagt Döhmen. "Und dieser Mehraufwand an Bürokratie wird uns und Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht weiterbringen."
Ein weiteres Problem sieht Döhmen beim Fokus auf die Umweltfreundlichkeit. Denn zu Nachhaltigkeit gehören ebenso die soziale Komponente und die Standards guter Unternehmensführung. "Als Vater von drei Kindern möchte ich auch, dass die Erde bewohnbar bleibt", sagt Döhmen. "Aber ob die EU-Taxonomie das Allheilmittel dafür ist, bezweifle ich."