Am Montag verlässt Berthold Huber die Spitze der IG Metall. Der 63-Jährige hat Deutschlands wichtigsten Industriezweig und seine Gewerkschaft selbst verändert. Huber erwies sich 2008/2009 in der globalen Wirtschaftskrise infolge der Lehman-Pleite als Chefpragmatiker – dabei wollte er in früheren Tagen noch die Welt verändern. Doch die Träume von der Revolution gingen dem gelernten Werkzeugmacher schnell verloren, als er als junger Betriebsrat einen Sozialplan für Entlassungen beim Ulmer Busbauer Kässbohrer aufstellen musste.
Huber und sein designierter Nachfolger Detlef Wetzel (60) stehen wirtschaftspolitisch für eine Weiterentwicklung des rheinischen Kapitalismusmodells, wie der Gewerkschaftsforscher Wolfgang Schroeder analysiert hat. Teilhabe und Bildung sind ihre Themen – aber auch verlässliche Strukturen. Für die Beschäftigten verlangen sie sichere Jobs, den Unternehmen bieten sie Co-Management statt Klassenkampf an.
An die Gewerkschaftsspitze kam der Sozialdemokrat Huber 2007. Das Tarifgeschäft hat der beharrliche Schwabe gemeinsam mit seinem nur kurz vor ihm ausgeschiedenen Kontrahenten Martin Kannegiesser vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall zunehmend undogmatisch erledigt. In der Krise zimmerten die beiden trotz Rekordforderung nach acht Prozent mehr Geld einen Schnellabschluss, bevor in der nächsten Runde die IG Metall erstmals ganz ohne konkrete Geldforderung in die Verhandlungen ging und dafür den Erhalt der Arbeitsplätze verlangte. Huber gilt auch als einer der Väter des „Pforzheimer Abkommens“, das seit 2004 die Flächentarifverträge flexibler macht, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten geraten ist.
Während der Krise 2008/2009 wuchs der Einfluss Hubers, der jeweils Vize in den Aufsichtsräten der Industriegiganten Volkswagen und Siemens ist und dies auch weiter bleiben will, auf die politischen Machthaber. Im Schulterschluss mit der Wirtschaft setzte Huber die Abwrackprämie für Altautos auf die Agenda von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die zudem die Möglichkeiten der Kurzarbeit ausweitete. Ergebnis des Krisenmanagements war das „German Jobwunder“: Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie konnten ihre Fachkräfte halten und unerwartet schnell wieder aus der Talsohle herausfahren.
Der frühere Philosophie- und Geschichtsstudent hat die großen Linien im Blick: Auf den Euro lässt er trotz der unpopulären und von ihm heftig kritisierten Bankenrettungen nichts kommen. Auf Arbeitskämpfe hat die IG Metall unter der Ägide Hubers weitgehend verzichtet, so dass die Streikkasse der mächtigsten Gewerkschaft Europas bestens gefüllt ist: Das Vermögen wird auf über zwei Milliarden Euro geschätzt.