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MARKTHEIDENFELD
Beispiel Warema: Kampf gegen Plastikmüll im Meer
KINA - Die Meere sind voll Müll       -  Ein Riesenproblem: Plastikmüll an den Stränden (wie hier im Senegal) und in den Meeren.
Foto: Nic Bothma, dpa | Ein Riesenproblem: Plastikmüll an den Stränden (wie hier im Senegal) und in den Meeren.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 27.04.2023 03:19 Uhr

Die Menschheit steht vor fundamentalen Herausforderungen. Eine davon: Plastikmüll in den Weltmeeren. Wie viel es ist, weiß niemand genau – von vielen Millionen Tonnen ist die Rede. Tatsache ist: Der Plastikmüll tötet massenweise Meerestiere und ist in unsere Nahrungskette gelangt.

Spezialschiffe holen den Müll aus dem Meer

Erste Schritte gegen dieses ungesunde Problem gibt es. Mancherorts wird Plastikmüll an den Stränden eingesammelt oder mit Spezialschiffen aus dem Meer gesiebt. Dahinter stehen Initiativen wie „Fishing for Litter“ (Fischen nach Müll) der Umweltschutzorganisation Nabu.

Indes sind auch Unternehmen auf den Zug aufgesprungen. So stellt Adidas Sportbekleidung aus Plastikmüll her. Und in der Bewegung „Marine Debris to Energy“ (MDE) haben sich deutsche Unternehmen zusammengetan, um eine Flotte mit Spezialschiffen zum Abschöpfen von Plastikmüll aus den Weltmeeren zusammenzustellen.

Was Warema genau macht

Das Bewusstsein für das schwimmende Gift ist auch in Mainfranken angekommen. So bietet der Sonnenschutzhersteller Warema in Marktheidenfeld seit kurzem Rollos an, die zu 50 Prozent aus Plastikmüll aus den Meeren hergestellt wird.

Hergestellt werden die Rollos im Warema-Werk in Limbach-Oberfrohna (Sachsen). Den Grundstoff aus wiederverwertetem Plastikmüll beziehe das Unternehmen von Hunter Douglas, erklärt Warema-Sprecherin Tatjana Lührs. Hunter Douglas gilt als Weltmarktführer bei Sonnenschutz-Systemen und hat seinen Sitz in Rotterdam.

Müll wird zunächst zu Fäden verarbeitet

Dieses Unternehmen lässt im Rahmen seiner Kampagne „U-Turn“ (Kehrtwende) nach eigener Darstellung weltweit Plastikmüll an Stränden einsammeln, unter anderem in Panama und Peru. Wie viele Tonnen dabei zusammenkommen, ist nicht bekannt. Was von all dem Plastik zu Sonnenschutz-Rollos verarbeitet wird, läuft bei Hunter Douglas unter dem Logo „Greenscreen Sea Tex“. Grundstoff für die Rollos sind Fäden, die aus dem zerkleinerten Plastikmüll hergestellt werden. Sie werden dann mit anderen Fasern zu jenen für Innenräume gedachten Sonnenschutzrollos weiterverarbeitet, die Warema jetzt anbietet.

Plastikmüll-Rollos sind für Warema Teil der Nachhaltigkeit

Diese Rollos sieht Warema als „Ergänzung unserer Kollektion“ und als Teil der Nachhaltigkeit im Unternehmen, sagt Warema-Sprecherin Lührs. Erstmals in größerem Stil vorgestellt haben die Marktheidenfelder die Plastikmüll-Rollos auf der Fachmesse BAU im Januar in München. Die Resonanz gerade unter Architekten sei gut gewesen, so Lührs. Denn derartige Rollos wirkten sich positiv auf die Energiebilanz eines Gebäudes aus. „Nachhaltigkeit wird eben nachgefragt“, betont die Warema-Sprecherin.

In welchem Maße die neuen Rollos über den Ladentisch gehen werden und wie viel Plastikmüll damit im Umkehrschluss aus den Meeren verschwunden sein wird, kann Lührs noch nicht sagen. Der Vertrieb laufe erst an, Warema habe in dieser Hinsicht noch keine verlässlichen Zahlen.

Am „Sea Tex“-Logo zu erkennen

Die Stoffe für die Plastikmüll-Rollos sind optisch nicht von herkömmlichen Rollo-Stoffen zu unterscheiden. Zu erkennen sind sie allein am „Sea Tex“-Logo. Sie seien schwer entflammbar, antistatisch und für eine feuchte Umgebung geeignet, heißt es in einer Warema-Darstellung.

Produkte aus Plastikmüll herzustellen ist in Mode gekommen und wird gerne auch als Upcycling bezeichnet, also als edlere Art der Wiederverwertung. So gibt es mittlerweile von Kleidung über Taschen, Surfbrettern und Teppichunterlagen bis hin zu Luftmatratzen ein breites Angebot an dem, was vorher Kunststoffabfall war.

Nabu-Experte sagt: Nicht alles Gold, was glänzt

Für Kim Cornelius Detloff vom Nabu ist aber nicht alles Gold, was glänzt: Die Verwendung von Plastikmüll „wird gerne als Marketinginstrument eingesetzt“. Denn nicht jeder Weg in dieser Richtung sei nachhaltig, sagt der Leiter der Nabu-Abteilung Meeresschutz auf Anfrage. Es bringe zum Beispiel nichts, Plastikmüll zu Einwegflaschen wiederzuverwerten. Besser sei es, den Abfall zu dauerhaften und reparierbaren Produkten zu machen. Die Warema-Rollos sieht er in dieser Kategorie: „Das ist sicherlich etwas Langlebiges.“

Viele Initiativen: „Wir verlieren den Überblick“

Der Eifer beim Kampf gegen den Plastikmüll in den Meeren hat nach Ansicht von Detloff dazu geführt, dass mittlerweile ein Dschungel an Initiativen entstanden ist. „Wir verlieren den Überblick“, gibt der Nabu-Mann zu. Er bekomme wöchentlich Anfragen auch von großen Firmen, bei „Fishing for Litter“ mitmachen zu dürfen. Sich beim Kampf gegen den Plastikmüll einzusetzen „ist eben furchtbar sexy“.

Plastikmüll und Warema

75 Prozent der bis zu 10 Millionen Tonnen ins Meer gespülten Abfälle sind aus Plastik. Davon geht die Umweltschutzorganisation Nabu aus. Millionen von Fischen und anderen Meerestieren gehen daran zugrunde, weil sie den Müll mit Nahrung verwechseln oder sich in umhertreibenden Fischernetzen verfangen. Viele Plastikgegenstände zerfallen im Meer zu winzigen Teilen (Mikroplastik), die dann über Fische und Muscheln in die Nahrungskette des Menschen gelangen können.

Warema gilt als Europas führender Hersteller von Sonnenschutz-Systemen. Das Familienunternehmen hat 3400 Mitarbeiter, 2300 davon in Marktheidenfeld. Gesamtumsatz 2015: 419 Millionen Euro. aug

Die Warema-Sprecherinnen Sandra Mairon (links) und Tatjana Lührs zeigen den Rollo-Stoff, der aus Plastikmüll aus dem Meer hergestellt worden ist. Er sieht wie herkömmlicher Rollo-Stoff aus.
Foto: Jürgen Haug-Peichl | Die Warema-Sprecherinnen Sandra Mairon (links) und Tatjana Lührs zeigen den Rollo-Stoff, der aus Plastikmüll aus dem Meer hergestellt worden ist. Er sieht wie herkömmlicher Rollo-Stoff aus.
 
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