Täglich neue Nachrichten über die Spannungen mit Russland und mögliche Sanktionen hören – und gleichzeitig auf rund eine halbe Million Euro warten, die noch aus Russland kommen müssten: In dieser Lage befinden sich die beiden Geschäftsführer der Karlstadter URT Umwelt- und Recyclingtechnik GmbH, Peter Heßler und Thomas Gundersdorf. Sie spüren die Folgen internationaler Politik hautnah.
Der Auftrag, von dem noch eine Restzahlung aussteht, wurde 2017 umgesetzt. Seit 2018 läuft die gelieferte Anlage zum Recycling von Elektroschrott. URT fakturiert in Euro. Das Problem sei, dass russische Kunden nicht frei über Devisen verfügen können, sagen die beiden Geschäftsführer. Stets sei die Devisenaufsicht im Spiel, wenn Geld ins Ausland transferiert werden soll.
Die Kunden müssen mit ihrer Bank und der Devisenbehörde verhandeln. Und URT muss dafür Vertragsnachträge erstellen. Beispielsweise ist darin zu begründen, warum eine Summe vom Angebot abweicht. Heßler und Gundersdorf: "Wir müssen dabei aufpassen, dass der Kunde nicht nachverhandelt."
Russland braucht Rohstoffe
Derzeit befürchten die beiden, dass bei einer weiteren Eskalation der politischen Lage Finanztransaktionen mit Russland ein Riegel vorgeschoben wird. Zugleich wissen sie, dass Russland Rohstoffe braucht. Und Russland habe erkannt, dass in Schrott viele Rohstoffe stecken: "Die haben einen Nachholbedarf beim Recycling." Sollte der Westen Russland abschotten, würde das die Rohstoffknappheit in Russland verschärfen – bei bestimmten Legierungen zum Beispiel.
Heßler berichtet: "Wir bekommen viele Anfragen aus Russland und könnten da zwar einiges einfädeln, aber wird sind eher zurückhaltend." Denn der hohe Verwaltungsaufwand binde Kapazitäten. Ein russischer Anlagenbauer hat konkret angefragt, ob er Know-how einkaufen kann. Doch da ist für URT klar: nicht mit uns.
Keine Angst vor Konkurrenz
Auch wenn sich Elemente von gelieferten Anlagen im Zielland kopieren lassen, sei die eigene Entwicklung den anderen immer ein Stück voraus. So komme es bei einer Anlage nicht nur auf die einzelnen Komponenten an, sondern auf die sinnvolle Abstimmung beispielsweise von Durchsatz und Verschleiß.
Daher hat URT keine Angst vor Nachahmern, sondern vertraut aufs eigene Know-how. Heßler: "Damit haben immer einen zeitlichen Vorsprung." Auch wenn China beim Batterierecycling bereits deutlich weiter sei, fürchtet er die Konkurrenz aus Fernost nicht. Denn die dortigen Anlagen würden hinsichtlich Umweltschutz und Mitarbeiterschutz längst nicht hiesigen Anforderungen und Vorschriften entsprechen.
Gundersdorf sieht das Problem eines Nachbaus eher bei Produkten mit hohen Stückzahlen, nicht aber bei individuell geplanten Anlagen: "Von unseren bisher gebauten Anlagen gleicht keine der anderen."
URT hatte Geschäftsjahre mit überwiegend chinesischen Aufträgen. Derzeit liegt dort alles brach. In China gelten dieselben schwierigen Devisenbestimmungen wie in Russland. Haupthindernis aber ist Corona. "Vier Wochen Quarantäne in China und zusätzlich eine in der Zielprovinz, das ist keinem Mitarbeiter zuzumuten und auch nicht wirtschaftlich", so Heßler. Und in China seien Besuche sowie das persönliche Gespräch besonders wichtig.
URT: Aufträge bis weit ins Jahr 2023
Weshalb sind die beiden Unternehmer dennoch entspannt? URT hat Aufträge bis weit ins Jahr 2023. Ein Pilotprojekt mit VW zum Recycling von E-Auto-Batterien war das Sprungbrett für einen Zehn-Millionen-Auftrag in den USA mit demselben Thema. Nickel, Kobalt, Lithium und Mangan sollen zurückgewonnen werden
Dass asiatische Länder dem Import von Müll aus dem Ausland einen Riegel vorgeschoben haben, macht das Recycling in den Vereinigten Staaten umso dringender. Weitere Recyclinganlagen für Lithium-Ionen-Batterien werden gerade in Polen und Skandinavien gebaut.
Recycling: Branche sucht Fachkräfte
Arbeitsplätze sind also durch die schwierige Lage der Geschäftspartner in Russland und China bei URT nicht gefährdet. Im Gegenteil: Es werden in der Recyclingbranche Ingenieure, Planer und Verfahrenstechniker gesucht.
Zu den größten Schwierigkeiten gehören derzeit zusammenbrechende Lieferketten und die Ungewissheit bei den Rohstoffpreisen. Gundersdorf: "Unsere Lieferanten könnten uns nicht sagen, wie viel der Stahl für Untergestelle, Galerien und Treppen kostet. Aber wir müssen unseren Kunden einen Preis nennen."