
Toni Wagner hat 2016 die Firma vAudience gegründet. Mit seiner Software ist er dabei, die E-Sport-Welt zu erobern. E-Sport steht für elektronischen Sport, bei dem sich Computerspieler in Wettkämpfen miteinander messen. Wenn Wagner spricht, mischen sich immer wieder englische Worte in seine Sätze. Von einem Büro im Innovations- und Gründerzentrum in Würzburg aus, verhandelt der 40-Jährige mit den größten Konzernen der Unterhaltungsindustrie.
Hunderttausende aus aller Welt schauen bei Liveübertragungen ein paar Computerspielern zu. Was Wagner anbietet: Fans können ihre Gefühle zum Spiel ausdrücken und sich in Gestalt von kleinen Männchen (Avatar) auf dem Bildschirm vor anderen Zuschauern in Szene setzen. Im Hintergrund läuft das Computerspiel weiter. Vorne tummeln sich die virtuellen Fans und kommentieren das Geschehen.
Frage: Herr Wagner, Sie haben eine Software entwickelt, mit der Fans an unterschiedlichen Orten gemeinsam Sport schauen können. Wie kommt man auf die Idee, ein virtuelles Stadion zu bauen?
Während der vergangenen Fußball-WM war ich mit meiner Freundin im Urlaub. Ich musste die Spiele auf einem kleinen Fernseher allein mit ihr im Hotel anschauen. Sonst schaue ich immer mit vielen Freunden Fußball. Später habe ich herausgefunden, dass es noch keine Softwarelösung gibt, um mit anderen Fans zusammen Sport zu schauen, ohne am selben Ort zu sein.
Auf Twitter werden Sportereignisse und Fernsehsendungen oft rege kommentiert. Was unterscheidet Ihr Produkt von den großen sozialen Netzwerken?
Tatsächlich sind Twitter und Whatsapp unsere größte Konkurrenz. Aber beide sind zu langsam, um sich live über etwas auszutauschen. Bis ich Namen von Spielern wie Pierre-Emerick Aubameyang oder Robert Lewandowski getippt habe, ist das halbe Spiel vorbei. Außerdem ist unsere Software speziell auf die jeweilige Sportart zugeschnitten. Momentan bieten wir nur E-Sport an. Aber auch bei Übertragungen von Fußball, American Football oder Tennis könnte man die Software anwenden.
Bislang sind Sie fast ausschließlich im E-Sport aktiv. Warum ausgerechnet diese Branche?
Als Start-up in der Fernseh- und Sportbranche Fuß zu fassen, ist sehr schwer. Deshalb gehen wir den Umweg über den E-Sport. Dort ist auch die Zielgruppe nicht so unterschiedlich wie im Fußball. Der Großteil der Zuschauer im E-Sport sind Jungs im Alter zwischen 16 und 24 Jahren. Vor allem ist es diese Zielgruppe gewöhnt, Turniere live am Computer zu schauen. Das kommt uns zugute.
Das klingt, als sei der E-Sport lediglich Mittel zum Zweck. Was liegt Ihnen mehr am Herzen – die Gamer oder die Fußballer?
Da will ich mich nicht festlegen. Ich mache keinen Unterschied zwischen dem E-Sport und klassischen Sportarten. Mich fasziniert die emotionale Bindung, die Fans entwickeln.
Emotionen spielen auch für Ihre Software eine wichtige Rolle bei der Kommunikation zwischen den Nutzern. Lassen sich Gefühle virtuell darstellen?
Das war tatsächlich die härteste Nuss. Das Beste, was wir bisher bieten können, ist ein Button, auf den der Zuschauer klickt. Dann freut sich ein Avatar – also ein virtuelles Männchen, das den Nutzer repräsentiert. Ein Gesichtsausdruck des Avatars hat nur 34 Pixel. Die Darstellung von Gefühlen lebt von der Übertreibung. Wenn ein Avatar sich freut, springt er zehn Mal in die Luft. Wenn ein Avatar weint, kullern keine Tränen, sondern es fließen Sturzbäche aus den Augen. Deshalb haben unsere Figuren auch übergroße Gesichter und Hände – weil Menschen damit am meisten Emotionen ausdrücken.
Womit wollen Sie Geld verdienen?
Aktuell machen wir ausschließlich Umsatz durch den Verkauf von virtuellen Gütern, zum Beispiel Trikots. Diese kosten zwischen 1,20 Euro und fünf Euro. Die großen E-Sport-Teams haben alles, was Mannschaften klassischer Sportarten auch haben. T-Shirts, Schals, Kaffeetassen und bestickte Handtücher. Davon erstellen wir digitale Varianten. In der virtuellen Welt können wir natürlich weiter gehen. Wenn der Sponsor zum Beispiel Energiedrinks herstellt, wachsen dem Avatar auf dem Rücken Flügel und er fliegt davon. Und auch furzende Einhörner kann man bei uns kaufen.
Kann man von digitalen Fanschals und furzenden Einhörnern wirklich leben?
Wir wollen weitere Geschäftsfelder erschließen. Interaktive Werbung wird eine größere Rolle spielen, sobald wir die Verhandlungen mit der Plattform abgeschlossen haben, auf der die Turniere übertragen werden. Während der Pause zwischen zwei Spielen kann der Zuschauer selbst spielen. Zum Beispiel bieten wir ein Autorennen an, bei dem die Rennwagen mit dem Logo realer Marken versehen sind. BMW und Mercedes sponsern zum Beispiel schon heute E-Sport-Turniere. Momentan machen wir nur über den Verkauf von virtuellen Fanartikeln Umsatz. Wir sind ein Start-up und unsere Investoren erwarten noch keine Gewinne.
Wer sind denn diese Investoren?
Wir haben einige lokale Investoren, sogenannte Business Angels, die nicht genannt werden wollen. Vier davon kommen aus Würzburg und zwei aus Berlin. Was wir sagen dürfen, ist, dass keiner der Investoren zuvor im Bereich Gaming und E-Sport sein Geld angelegt hat. Zudem unterstützt uns der Fond von Seed+Speed.
Hinter dem Fond steckt die Maschmeyer Group. Sie sind das erste Unternehmen aus dem E-Sport, das zum Start-up-Imperium von Carsten Maschmeyer zählt.
Seit einem halben Jahr ist das unser größter Investor. Mittlerweile hat man auch in Deutschland verstanden, dass Gaming eine Branche mit unglaublichem Potenzial ist. Schon jetzt ist der Umsatz mit Computerspielen größer als der der Filmindustrie. E-Sport ist das Aushängeschild der Gaming-Branche, das die Massen für die Spiele begeistert.
In vier Jahren findet die Fußball-WM in Katar statt. Wo steht vAudience dann?
Am liebsten wären wir dann die App, um diejenigen zusammenzuführen, die ansonsten allein schauen müssten. Dafür müssen wir mit den Inhabern der Übertragungsrechte zusammenarbeiten und entwickeln Prototypen, die auf Fußballspiele zugeschnitten sind. Bei den Übertragungsrechten für die Weltmeisterschaft geht es um Milliardenbeträge. Da sind wir auf Partner angewiesen, die ich noch nicht nennen kann. Aber für die Weltmeisterschaft der Frauen im kommenden Jahr, versuchen wir zusammen mit einem anderen Unternehmen ein Produkt anbieten zu können.
Sie haben mit dem Privatsender Sky kooperiert. Wie lief die Zusammenarbeit mit einem der größten Konzerne der Unterhaltungsindustrie?
Wir waren Teil des Innovationsprogramms von Sky und entwickelten unsere Anwendung zusammen mit dem Konzern weiter. Dann wurde Sky von Disney übernommen und das gesamte Innovationsprogramm wurde eingestellt. Die Kooperation ist nicht tot – aber sie liegt auf Eis. Die Entscheidungen in solch großen Unternehmen fallen nun mal langsamer als in einem Start-up. Das ist völlig normal.