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BONN
Behörde lässt Wurstkartell auffliegen
Preisabsprache bei der Wurst: Das Bundeskartellamt verhängte Bußgelder in einer Gesamthöhe von 338 Millionen Euro gegen 21 Wurstwarenhersteller.
Foto: Federico Gambarini, dpa | Preisabsprache bei der Wurst: Das Bundeskartellamt verhängte Bußgelder in einer Gesamthöhe von 338 Millionen Euro gegen 21 Wurstwarenhersteller.
reda
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:21 Uhr

Verbraucher in Deutschland haben offenbar jahrelang zu viel Geld für Wurst und Schinken bezahlt. Wegen verbotener Preisabsprachen verhängte das Bundeskartellamt am Dienstag Geldbußen von mehr als 338 Millionen Euro gegen insgesamt 21 Wursthersteller und zahlreiche Führungskräfte der Branche.

Betroffen sind auch bekannte Marken wie Böklunder, Herta, Meica, Rügenwalder und Wiesenhof, wie die Wettbewerbsbehörde am Dienstag in Bonn mitteilte. Die Mitglieder des „Wurstkartells“ hätten sich jahrelang über Preisspannen für Produktgruppen wie Brühwurst oder Schinken abgestimmt und beim Handel so höhere Preise durchgesetzt, erklärte die Wettbewerbsbehörde. Mehrere betroffene Unternehmen bestritten allerdings die Vorwürfe.

„Über viele Jahre praktiziert“

Kartellamtspräsident Andreas Mundt betonte dagegen: „Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert.“ Das Gesamtbußgeld erscheine zwar hoch, relativiere sich aber vor dem Hintergrund der großen Zahl der beteiligten Unternehmen, der Kartelldauer und der Milliardenumsätze der Branche.

Der Löwenanteil der Bußgelder entfällt nach Behördenangaben auf die Großen der Branche und ihre Töchter. Dazu gehören etwa die Clemens-Tönnies-Gruppe (zur Mühlen, Bölklunder, Könecke), die nach Angaben aus informierten Kreisen allein über 100 Millionen Euro Bußgeld zahlen soll, aber auch die Schweizer Bell-Gruppe (Zimbo) oder die zum Nestlé-Konzern gehörende Herta GmbH.

In anderen Fällen liege das Bußgeld dagegen nur bei wenigen Hunderttausend Euro, hieß es in Bonn. Die Behörde sei bei der Bußgeldbemessung in der teilweise mittelständisch geprägten Branche „mit Augenmaß vorgegangen“ und habe die schwierige Situation vieler Hersteller berücksichtigt.

Der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie betonte unterdessen, dass die Vorgänge zu keinen negativen Auswirkungen für die Verbraucher geführt hätten – „insbesondere nicht zu unbilligen Preiserhöhungen“. Dafür habe schon die Einkaufsmacht der großen Handelskonzerne gesorgt, die sich von den Herstellern keine Preise diktieren ließen. Ohnehin habe sich die Mehrheit der Unternehmen rechtskonform verhalten.

Zahlreiche Hersteller kündigten unterdessen bereits juristischen Widerstand gegen die verhängten Bußgelder an. Dazu gehörten etwa die im Besitz von Clemens Tönnies befindliche zur Mühlen Gruppe, aber auch Nestlé und mehrere kleinere Hersteller.

Auslöser war anonymer Hinweis

Ein Nestlé-Sprecher sagte. „Wir sind davon überzeugt, dass die Vorwürfe des Bundeskartellamts ungerechtfertigt sind. Deshalb werden wir beim Oberlandesgericht Düsseldorf Einspruch einlegen, um eine gerichtliche Aufhebung der Entscheidung herbeizuführen.“ Elf Unternehmen hatten allerdings nach Angaben des Bundeskartellamts im Zuge des Verfahrens mit der Behörde kooperiert und schließlich Geständnisse abgelegt. Ausgelöst worden waren die Ermittlungen der Kartellwächter durch einen anonymen Hinweis.

Mit den nun verhängten Strafen gegen das „Wurstkartell“ stieg die Summe der von der Wettbewerbsbehörde allein in diesem Jahr verhängten Bußgelder auf fast eine Milliarde Euro. Das ist ein neuer Rekord. Bislang galt das Jahr 2003 mit einer Strafe von rund 660 Millionen Euro gegen Firmen aus der Zementindustrie als Rekordjahr. Davon wurden aber nur gut 400 Millionen rechtskräftig.

Das Bundeskartellamt und die Strafen

Die unabhängige Behörde soll den wirtschaftlichen Wettbewerb schützen. Zu den konkreten Aufgaben des Bundeskartellamtes gehört es, das Kartellverbot durchzusetzen und Fusionskontrolle zu betreiben. Außerdem führt sie Aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und überprüft die Vergabe öffentlicher Aufträge. Seit 2005 kann das Bundeskartellamt sogenannte Sektoruntersuchungen durchführen, um sich über die Wettbewerbssituation in einzelnen Branchen zu informieren. Dafür braucht es Anhaltspunkte, dass in diesen Märkten kein funktionierender Wettbewerb herrscht. Sitz der Behörde ist Bonn.

Das Bundeskartellamt geht seit Jahren mit hohen Bußgeldern gegen verbotene Preisabsprachen in der Wirtschaft vor. Die spektakulärsten Fälle:

Das Zementkartell: Bereits 2003 verhängte die Wettbewerbsbehörde Strafen in Höhe von rund 660 Millionen Euro gegen Firmen aus der Zementindustrie. Davon wurden aber nur gut 400 Millionen Euro rechtskräftig.

Das Schienenkartell: Hier verschickte die Wettbewerbsbehörde 2012 und 2013 in zwei Wellen Bußgeldbescheide in einer Gesamthöhe von gut 232 Millionen Euro gegen Schienenhersteller. Das Zuckerkartell: Die drei größten deutschen Zuckerhersteller verdonnerte das Kartellamt im Februar 2014 zu Bußgeldern in einer Gesamthöhe von rund 280 Millionen Euro.

Das Bierkartell: In zwei Etappen verhängte die Behörde im Frühjahr 2014 Bußgelder in Höhe von fast 340 Millionen Euro. Betroffen sind elf Unternehmen. Das Wurstkartell: Schließlich verhängte die Bonner Wettbewerbsbehörde nun im Juli 2014 Bußgelder in Höhe von rund 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller. Text: dpa

 
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