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WOLFSBURG
Begrenztes Bedürfnis nach Harmonie
Kompromisslos: VW-Patriarch Ferdinand Piëch. M. murat, dpa
Foto: Foto: | Kompromisslos: VW-Patriarch Ferdinand Piëch. M. murat, dpa
reda
 |  aktualisiert: 15.04.2015 17:02 Uhr

In seiner Autobiografie widmet Ferdinand Piëch seiner Auffassung von Unternehmensführung und Gestaltungsmacht ein ganzes Kapitel. Einleitend stellt der VW-Großaktionär und Aufsichtsratschef gleich einmal klar: „Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt.“ Der seltene Einblick in die Gedankenwelt des Patriarchen gewinnt nach dessen Bruch mit Konzernchef Martin Winterkorn aktuelle Brisanz.

„Es ist nicht möglich, eine Firma immer auf der höchsten Harmoniestufe an die Spitze zu bringen. Das Maximum ist nur erreichbar, wenn man auch an die menschliche Grenze des Erreichbaren geht, und an dieser Grenze ist nicht immer die Harmonie zu Hause“, schreibt er.

Ein großes Ziel von VW ist, 2018 Weltmarktführer Toyota überholt zu haben. Piëch-Biograf Wolfgang Fürweger sieht in dem Bruch des VW-Patriarchen mit Winterkorn rein fachliche Gründe. „Piëch agiert sehr rational und weniger emotional als manche gerne glauben“, sagt er und vermutet die Probleme der gewinnschwachen Hausmarke VW-Pkw als Grund. Piëch schreibt rückblickend: „Aus tiefster Überzeugung habe ich lieber einen für die betreffende Situation unpassenden Topmanager gefeuert als eine Schwächung des Unternehmens zu riskieren, die letztlich ein paar Tausend Arbeitsplätze kosten kann.“

Viele VW-Mitarbeiter fragen sich, warum Piëch seinen Satz „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“ aus dem „Spiegel“ vom Freitag nicht präzisiert, einordnet oder vielleicht sogar entschärft, damit sich die Führungskrise nicht weiter auflädt. Gehört es zu Piëchs Taktik, dass er völlig überraschend die Bombe zündete und nun abwartet? „Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet“, schreibt Piëch in seinem Buch. Seine Umgebung möge den Zustand „nicht so richtig gemütlich finden. Es steckt aber nichts anderes dahinter als völlige Konzentration auf das eine Wesentliche.“ Der 77 Jahre alte Patriarch beschreibt auch ein Fallbeispiel: eine Aufsichtsratssitzung, bei der er etwas durchbringen will. Was dann folgt, ist die Umschreibung für einen kompromisslosen Tunnelblick auf einen Gegner oder ein Problem, den Piëch erst weitet, wenn die Situation gelöst ist.

„Ich wache um drei oder vier Uhr in der Früh auf und denke die Sache durch, weiß dann genau, auf welche Schlüsselperson ich den Schlachtplan einrichte“, schreibt Piëch. „In den folgenden sechs oder sieben Stunden verdichtet sich das Szenario immer weiter bis zur quasi inneren Unvermeidlichkeit des Erfolgs.“ Andere Personen nehme er in diesem Zustand „praktisch nicht wahr“.

Womöglich gibt es bald eine außerplanmäßige Aufsichtsratssitzung bei VW, am 4. Mai ist das nächste reguläre Treffen geplant. Spätestens dann trifft Piëch zunächst auf das sechsköpfige Präsidium des Gremiums, das Beschlüsse und vertragliche Angelegenheiten des Vorstands vorbereitet. Dort sitzen neben Piëch noch der Vize des Gremiums, Berthold Huber von der IG Metall, VW-Betriebsratsboss Bernd Osterloh und dessen Stellvertreter Stephan Wolf, Piëchs Cousin Wolfgang Porsche und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Nach ihren bisherigen Äußerungen stärken alle fünf Winterkorn den Rücken. Bei regulären Treffen tagt nach dem Präsidium der Aufsichtsrat. Darin steht nach bisherigem Stand mindestens jene Zweidrittelmehrheit gegen Piëch, die er für eine Absetzung Winterkorns bräuchte.

Doch dafür müsste dieser sich laut Aktiengesetz auch etwas Eklatantes zuschulden kommen lassen oder erwiesenermaßen unfähig im Amt sein. Für 2014 jedoch kassierte Winterkorn fast die Höchstsumme bei den Erfolgsboni. Doch in der Aufsichtsratspolitik geht es nicht nur ums Stimmenzählen. „Es wäre ein Eklat mit unabsehbaren Folgen, müsste es tatsächlich zu einer Kampfabstimmung kommen“, sagt ein Aufsichtsratsinsider. Auf Dauer ließe sich der Konzern gegen den Willen des Chefkontrolleurs nicht führen. Biograf Fürweger, dessen Piëch-Buch 2011 erschien, sagt: „Fakt ist: Piëch hat ein „Er-oder-Ich-Duell“ noch immer gewonnen.“

„Ich weiß genau, auf welche Schlüsselperson ich den Schlachtplan einrichte.“
Ferdinand Piëch in seiner Autobiografie
 
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