Manni und Ron sind schuld: Der eine – Manfred Krug – als witzige Werbefigur, der andere – Ron Sommer – als charismatischer Vorstandschef. Das dynamische Duo machte den Börsengang der Deutschen Telekom im November 1996 zum Mega-Erfolg: Über 1,5 Millionen Kleinanleger kauften die T-Aktie und wurden so Aktionäre, viele gar zum ersten Mal. Die Deutschen lernten die Börse kennen – und mit ihr den DAX.
Den Deutschen Aktienindex gibt es seit dem 1. Juli 1988. Bis dahin mussten sich interessierte Anleger in Fachblättern informieren – Börsen-Fernsehen oder gar das Internet gab es ja noch nicht. Es war die Idee eines Fachjournalisten, nach dem Vorbild des amerikanischen Dow Jones einen Index für die führenden deutschen Aktiengesellschaften zu bilden. Frank Mella, damals Redakteur der „Börsenzeitung“, war es, der die Formel für den späteren DAX schrieb. Und Artur Fischer, damals Direktor der Frankfurter Börse, setzte die Idee um. Dafür mussten die Kurse aber erst mal elektronisch erfasst werden – nur so ließ sich der DAX überhaupt minütlich berechnen.
Als am Freitag, dem 1. Juli 1988, mit 1163,52 Punkten die erste DAX-Notierung feststeht, ist es der Beginn eines neuen Börsenzeitalters in Deutschland. In den Nachkriegs- und Wirtschaftswunderjahren hatte die Börse keine große Rolle gespielt. Anfangs hatten die Menschen kein Geld zum Anlegen, später gaben sie es lieber für den Konsum, für ein Auto oder einen Urlaub aus. Und wenn es dann doch mal an die Börse ging, dann wurden meist brave „Volksaktien“ gekauft – den Anfang machte VW, Energieversorger folgten.
Auch die T-Aktie wurde 1996 als „Volksaktie“ gepriesen; mit Werbeonkel Krug als naivem Anleger („Es ist der helle Wahnsinn, was die Telekom alles draufhat“). Diese Rolle bereut der Schauspieler noch heute, verriet er einmal. Und auch mancher T-Aktionär will von Aktien nichts mehr wissen. Ähnlich erging es den Anlegern, die sich im Börsenboom Ende der 90er Jahre um Aktien der „New Economy“ rissen. Firmen wie EM-TV oder Gigabell waren plötzlich Milliarden wert. Die aus der Frankfurter Börse hervorgegangene Deutsche Börse AG – heute selbst im DAX notiert – richtete eigens ein Börsensegment ein: den Neuen Markt. Und der bekam sogar einen eigenen Index, den Nemax 50.
Über die Jahre hat der DAX, der korrekterweise DAX 30 heißt, da 30 Unternehmen in ihm abgebildet sind, eine Menge Ableger bekommen. Den M-DAX etwa, den Index für die mittelgroßen Börsen-AGs wie das Rhön-Klinikum. Oder den S-DAX für immer noch große Unternehmen, die aber nach ihrer Marktkapitalisierung eine Nummer kleiner sind. Zu ihnen zählt die Würzburger Koenig & Bauer AG.
Ja, ja, die Fachbegriffe rund um den DAX. Der übrigens tatsächlich von einem Dachshund abgeleitet worden ist: Manfred Zaß, damals stellvertretender Börsen-Chef in Frankfurt, soll auf einem Spaziergang mit seinem Hund auf die Idee für den pfiffigen Namen gekommen sein. Der neue Deutsche Aktienindex hätte ja auch ein DAI werden können. Das aber geht nicht so flott über die Lippen.
Das Deutsche Aktien Institut stört das nicht: Das DAI ist heute wichtigster Lobbyist für die „Aktienkultur“ in Deutschland. Und hat mit dieser Aufgabe viel zu tun. Denn nach wie vor besitzen nur ein paar Millionen Deutsche tatsächlich Einzelaktien. Es scheint vielen Kleinanlegern offenbar schlicht zu riskant, sich an einem einzelnen Unternehmen zu beteiligen. Die Scheu der Deutschen vor der Aktie wird beim Blick auf den 25-Jahre-Chart des DAX verständlich. Die scharfen Abwärtszacken – verursacht durch nationale oder globale Krisen, durch Terroranschläge oder schlicht Verunsicherung der „Märkte“ – stellen jede für sich einen mehr oder weniger dramatischen Börsencrash dar. Mit entsprechenden Auswirkungen aufs eigene Depot.
Nein, das Zocken ist der Deutschen Sache nicht. Man hat es lieber etwas ruhiger und greift, wenn überhaupt, zu Investmentfonds. Beim DAI spricht man denn auch lieber von einer „Fondskultur“. Und so haben denn auch etliche Anleger den DAX im Depot – beispielsweise nachgebildet als Index-Fonds.
Doch längst ist der DAX weit mehr als eine nüchterne Finanz-Kennzahl. Als „Börsenbarometer“ gilt er heute als einer der wichtigsten Parameter für den Allgemeinzustand der deutschen Wirtschaft. Und immer sieht man im Fernsehen oder auf Fotos den Frankfurter Handelsraum mit der legendären DAX-Anzeigentafel im Hintergrund. Die Geschäfte allerdings laufen seit Jahren über die Computer im elektronischen Handelssystem Xetra.
Zwei Begriffe braucht es noch, um das DAX-Universum zu umreißen: Bulle und Bär. Ein sogenannter Bullenmarkt – oder auch Hausse (französisch für Anstieg; gesprochen: os) – steht an der Börse für steigende Kurse in einem längeren Zeitraum. Heute spricht man gern auch von Börsenboom. Ein Bärenmarkt – oder auch Baisse (gesprochen: bäs) – steht für anhaltend sinkende Kurse an der Börse.
Und wo steht der DAX nun am Jahresende? Auf diese Frage gibt es so viele Antworten wie Experten. Fakt aber ist: In den ersten 25 Jahren waren 55 Unternehmen im DAX vertreten. Doch die Aktie, die sich am häufigsten in den Depots findet, ist nicht von Anfang an dabei – und sie ist meilenweit von ihrer höchsten Notierung entfernt. Es ist die T-Aktie.
Wie man in den DAX kommt
Alle drei Monate prüft die Deutsche Börse AG die Zusammensetzung des DAX. Sie wird vom Arbeitskreis Aktienindizes unterstützt. Das Gremium trifft sich jeweils am dritten Handelstag im März, Juni, September und Dezember. Die Deutsche Börse entscheidet anhand von Ranglisten für die Marktkapitalisierung (Kurs mal Aktienzahl im Streubesitz) und Börsenumsatz, wer in den Index kommt. Das stellt sicher, dass die 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen gelistet sind. Beim Börsenumsatz wird auf den durchschnittlichen Umsatz der vergangenen zwölf Monate geschaut. Wichtig: DAX-Unternehmen müssen ihren Firmensitz in Deutschland haben. Text: md/dpa
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