Erneut gibt es gute Nachrichten aus der Bundesagentur für Arbeit (BA): Weniger als 2,4 Millionen Menschen in Deutschland waren im November arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote sank damit abermals und liegt nun bundesweit bei 5,3 Prozent. In Bayern blieb die Quote mit 2,9 Prozent auf ihrem historischen Tiefstand, in Unterfranken betrug sie sogar nur 2,7 Prozent. Darüber hinaus verzeichnete die Region im November mit einem Minus von 12,3 Prozent den stärksten Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vorjahresvergleich unter den Regierungsbezirken.
Doch wie ehrlich sind diese Zahlen? Fakt ist: Nicht jeder ohne Job ist auch in der Statistik erfasst. Wer als arbeitslos gelten soll, ist in den Sozialgesetzen festgelegt. Und die wurden in der Vergangenheit immer wieder so verändert, dass der Begriff der Arbeitslosigkeit im Laufe der Zeit immer enger auslegt wurde. Die Zahl der amtlich registrierten Menschen ohne Job wurde dadurch immer geringer.
Verschwiegen wird nichts
Ein Beispiel: Wer älter als 58 Jahre ist und Hartz IV bezieht, gilt nach zwölf Monaten erfolgloser Vermittlung als nicht mehr arbeitslos. Vor zehn Jahren wurde diese Regelung beschlossen. Inzwischen ist es längst gängig, dass ältere arbeitslose Hartz-IV-Empfänger in der amtlichen Statistik nicht mehr auftauchen.
Ebenfalls nicht (mehr) als arbeitslos gilt, wer kurzfristig erkrankt, Kurzarbeiter oder Teilnehmer an einer Qualifizierungs- oder Eingliederungsmaßnahme ist. Genauso verhält es sich bei denjenigen, die eine vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nehmen.
So werden aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik relativ viele Menschen herausgerechnet. Ein Skandal? Nein, denn verheimlicht wird nichts: Die monatlich vorgelegten Arbeitsmarktstatistiken berichten nicht nur über die Zahl der Personen, die unter den gesetzlichen Arbeitslosen-Begriff fallen. Sie liefern auch jede Menge andere Zahlen. Unter anderem einen Wert, der durchaus aufschlussreich ist: die Bundesagentur spricht dabei von der sogenannten Unterbeschäftigung.
4,1 Prozent Unterbeschäftigte in Unterfranken
Ob älterer arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger oder Teilnehmer am zweiwöchigen Bewerbungstraining – solche Fälle sind in der Statistik der BA unter dem Stichwort Unterbeschäftigung zu finden. Blickt man auf diese aussagekräftigere Größe, so liegt die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland gleich einmal um rund eine Million Menschen höher. Statt einer Arbeitslosenquote von aktuell 5,3 Prozent kommt Deutschland so gezählt auf eine Quote von 7,4 Prozent. In Bayern liegt die Unterbeschäftigungsquote bei 4,2, in Unterfranken bei 4,1 Prozent.
Unter den Unterbeschäftigten findet sich auch der Großteil der arbeitsfähigen Flüchtlinge, die im Jahr 2015 nach Deutschland kamen. Als Teilnehmer von Sprach- und Integrationskursen werden sie aus der amtlichen Statistik herausgerechnet.
Im Schatten: die „stille Reserve“
Um das gesamte Problem der Unterbeschäftigung zu erfassen, muss man allerdings noch die „verdeckte Arbeitslosigkeit“ bzw. „stille Reserve“ hinzuziehen, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg – ein Teil der Bundesagentur für Arbeit – berechnet. Zur stillen Reserve zählen Personen, die sich zwar nicht arbeitslos melden, aber durchaus bereit wären, eine Beschäftigung aufzunehmen. Das sind zum Beispiel Mütter oder Väter, die nach der Kindererziehungsphase wieder arbeiten wollen, aber sich nicht bei der Agentur melden. Oder Menschen, die bislang nicht gearbeitet haben und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, weil etwa der Ehepartner zu viel verdient. Ebenso umfasst die „stille Reserve“ entmutigte Personen, die keine Chancen für sich sehen und deshalb die Suche nach einem Job aufgegeben haben.
Wie viele Menschen zur „stillen Reserve“ gehören, ist schwer zu sagen, eben weil sie sich nirgendwo melden. Ihre Zahl wird daher geschätzt und kann nur als Richtwert gelten. Es soll sich in Deutschland dabei um rund 200 000 Personen handeln.
Wie wird Arbeitslosigkeit gemessen?
Messkonzepte: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlichen unterschiedliche Zahlen. Während die BA mit den Daten ihrer Arbeitsagenturen und Jobcenter monatlich die Arbeitslosenzahl und -quote präsentiert, ermittelt Destatis die Erwerbslosenzahl und -quote. Destatis nimmt als Grundlage dabei das sogenannte Labour-Force-Konzept der International Labour Organization (ILO).
Vorgaben: Die offizielle Arbeitslosenzahl der BA richtet sich nach § 16 des Dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III). Demnach ist arbeitslos, wer a) vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, b) eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht, c) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht und d) sich dort arbeitslos gemeldet hat. Die ILO-Erhebungsstatistik beruht auf einer Stichprobenbefragung der Bevölkerung. Quelle ihrer Erwerbslosendaten ist die Arbeitskräfteerhebung im Rahmen des Mikrozensus.
Unterschiede: Die BA-Statistik zählt Personen mit einer Arbeit von weniger als 15 Wochenstunden als arbeitslos. Nach dem ILO-Konzept genügt schon eine einzige Stunde, um als erwerbstätig zu gelten. Deshalb ordnet es geringfügig Beschäftigte als erwerbstätig ein – unter anderem die „Ein-Euro-Jobber“.
Schwächen: Erfasst wird in der Statistik der BA nur wer sich meldet. Die ILO-Statistik befragt in einer Stichprobe die Bevölkerung. Dadurch erreicht sie auch solche, die sich nicht melden. In beiden Statistiken werden Menschen nicht als arbeitslos gezählt, wenn sie an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen, also zum Beispiel eine Qualifizierungsmaßnahme absolvieren.
Alternativzahlen: Auf diese Schwächen wurde schon reagiert. Sowohl BA als auch ILO bieten ergänzende Werte an, etwa die Unterbeschäftigung.