Wertpapieranalysten veröffentlichen regelmäßig Berichte über Aktien, Unternehmen oder Märkte. Ihre Empfehlungen sollen Anlegern eine Hilfe bei Investmententscheidungen sein. Doch die Tipps sind mit Vorsicht zu genießen: Ziel fast aller veröffentlichten Analysen ist der Umsatz für Banken und Broker.
Zum Monatswechsel Juli/August hatten Aktienanalysten richtig viel Arbeit: VW, Daimler und BMW gaben ihre Halbjahreszahlen bekannt, bei der Deutschen Bank belasteten Rückstellungen für die vielen Schadensersatzprozesse den Kurs. Der angeschlagene TV-Hersteller Loewe suchte einen Investor – und der DAX eroberte sich die 8400-Punkte-Marke zurück. Eine bewegte Börsen-Woche, in der die Analystengilde die Medien einmal mehr mit Empfehlungen überschwemmte. Kaufen, halten, neutral, über- oder untergewichten – die Vielzahl der Meinungen sorgt bei Privatanlegern zuweilen eher für Verwirrung als für Durchblick, zumal meist unklar ist, wie die Analysten zu ihren Urteilen kommen und wie verlässlich die Aussagen sind.
„Aktienanalysten arbeiten bei Investmentbanken, Wertpapier-Brokern und institutionellen Investoren wie Versicherungen oder Fondsgesellschaften“, erklärt Professor Wolfgang Gerke, Experte für Börsen- und Finanzthemen. Aktienanalysten unterteilen sich zunächst in zwei Gruppen: die Chart-Techniker und die Fundamentalanalysten. Chart-Analysten versuchen, aufgrund von bisherigen Kursverläufen künftige Preisentwicklungen von Wertpapieren zu prognostizieren. Die Empfehlungen, die Anleger über die Medien erreichen, stammen in der Regel von Fundamentalanalysten. Diese untersuchen die Geschäftsdaten von Unternehmen und leiten daraus Bewertungen der entsprechenden Aktien ab.
Als Basis für ihre Analysen dienen Fundamentalanalysten Absatzzahlen, Preise, Kosten, Marktanteile, Produkte und Gewinnmargen. „Aufgabe der Analysten ist es, diese Informationen aufzuarbeiten und in komprimierter Form lesbar zu machen“, erklärt Gerke. Aus der Analyse ergeben sich die Aktien-Empfehlungen, die Anlegern Hilfestellung bei ihren Investmententscheidungen bieten sollen. Neben einem klaren Urteil wie „Aktie kaufen“ oder „Papier verkaufen“ geben die Analysten meist auch eine Einschätzung zur Entwicklung eines Wertpapiers ab. Ein wichtiger Indikator ist zum Beispiel das Kursziel. Dies soll Auskunft darüber geben, welchen Preis das analysierte Papier in welchem Zeitraum erreichen wird. Theoretisch zumindest.
Wer so detaillierte Prognosen zu einzelnen Aktien, ganzen Branchen oder Märkten abgibt, muss über eine profunde Kenntnis derselben verfügen. Und er muss unabhängig sein. „Genau das ist aber nur selten so“, sagt Thomas Schuster, Privatdozent und renommierter Fachautor zum Thema Finanzkommunikation. Der Grund: Unter den Fundamentalanalysten gibt es diejenigen, die auf der „Sell Side“ arbeiten, und die „Buy-Side-Analysten“. Die „Buy-Sider“ erstellen ihre Analysen exklusiv für institutionelle Investoren, zum Beispiel große Versicherungsunternehmen. Sie würden ihren Arbeitgebern die Preise verderben, machten sie ihre Studien öffentlich. Deshalb tauchen Buy-Side-Analysten nicht in der Öffentlichkeit auf. Die Empfehlungen, die Anleger in den Medien finden, stammen hingegen von den Sell-Side-Analysten.
„Sell-Side-Analysten sind in den Investment-Abteilungen von Banken oder bei Wertpapier-Brokern tätig“, erklärt Schuster. Im Investmentbanking und bei Brokern lautet das erklärte Ziel: Handel mit den Aktien von Kunden generieren, wobei der Verkauf von Papieren an Anleger an erster Stelle steht. Immerhin bescheren die Transaktionen den Banken oder Brokern Provisionen. Und von denen leben sie. Damit wird klar: Die Aktienempfehlungen von Analysten, die die Privatanleger erreichen, sind mit schöner Regelmäßigkeit von Umsatzinteressen beeinflusst.
Welche Auswüchse diese Praktik erreichen kann, hat sich während der Börsenblase um die Jahrtausendwende zum ersten Mal deutlich gezeigt. Damals trieben Analysten mit ihren Empfehlungen Aktienkurse für ihre Kunden und Arbeitgeber, die Banken und Broker, in die Höhe. „Heute sind Analysten unabhängiger als vor zehn Jahren“, sagt Gerke. Dafür spricht zumindest, dass sich die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. (DVFA) inzwischen einen eigenen Verhaltenskodex gegeben hat. Einen, der die Interessen der Anleger in den Vordergrund stellt.
Die Sprache der Analysten
Outperformer/Underperformer: Eine Aktie entwickelt sich besser/schlechter als die Papiere von Unternehmen der Branche.
Halten: Ein Papier hat wenig Potenzial nach unten oder oben. Daher sollten Anleger abwarten und die Zahl der entsprechenden Aktien im Depot weder erhöhen noch verringern.
Über-/Untergewichten: Eine Aktie entwickelt sich positiv/negativ, daher
die Empfehlung, die Zahl der Papiere im Vergleich zu anderen stärker zu erhöhen/deutlich zu verringern.
Gewinn pro Aktie: Analysten prognostizieren den künftigen Gewinn eines Unternehmens und teilen ihn durch die Zahl der Aktien.
Kursziel: Das ist der Kurs, den eine Aktie nach Ansicht der Analysten in einem bestimmten Zeitraum erreichen wird.
KGV: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Es errechnet sich mit der Formel: Kurs einer Aktie durch Gewinn pro Aktie. Beispiel: 100 Euro Kurswert durch zehn Euro Gewinn ist ein ein KGV von zehn. Das heißt, im Aktienkurs steckt bereits der zehnfache tatsächliche Gewinn pro Papier. Text: am