Der Fall des Augsburger Industrieroboter-Herstellers Kuka ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Mahnung, eine Warnung und ein Ansporn zugleich: So etwas soll sich nicht wiederholen. Er war Kanzleramtsminister, als im Mai 2016 die chinesische Midea-Group ein Übernahmeangebot vorlegte. Doch alle Versuche der damaligen Bundesregierung, deutsche Firmen an einer Beteiligung zu ermutigen, scheiterten. „Alle hatten ein ungutes Gefühl, aber niemand hat die Initiative ergriffen“, sagt Altmaier am Dienstag in Berlin. Die Robotik gelte zwar als Schlüsseltechnologie für 21. Jahrhunderts, aber nicht als sicherheitsrelevant. Ein Verkauf an den chinesischen Investor konnte daher nicht verhindert werden.
Nun ist Peter Altmaier selber Wirtschaftsminister. Und er hat sich fest genommen, in vergleichbaren Fällen nicht nur die Initiative zu übernehmen, sondern notfalls auch aktiv einzuschreiten. „Ich will die Diskussion führen, wenn es um Unternehmen geht, die Schritt für Schritt durch Kapitalerhöhungen zu einem ausländischen Unternehmen werden“, sagt er im wuchtigen Eichensaal seines Ministeriums, der früheren militärärztlichen Kaiser-Wilhelm-Akademie hinter der Charitè bei der Vorstellung seiner „Nationalen Industriestrategie 2030“. Selbst eine zeitlich begrenzte Verstaatlichung oder Teilverstaatlichung von großen Unternehme will er nicht ausschließen, um eine feindliche Übernahme zu verhindern. Dazu solle ein staatlicher Beteiligungsfonds eingerichtet werden, der in der Lage versetzt wird, zeitlich begrenzt Unternehmensanteile aufzukaufen. Einzelheiten über die Größe des Fonds oder wer über die Vergabe der Mittel entscheiden solle, nennt er nicht. Zunächst wolle er das Gespräch mit den Kabinettskollegen und den Regierungsfraktionen suchen, später auch mit seinen europäischen Amtskollegen. Er stelle sich der Debatte, mehr noch, er sehe es als seine Pflicht, als Wirtschaftsminister mit einem derartigen „Aufschlag“ eine Debatte über eine nationale und europäische Industriestrategie anzustoßen.
Wertschöpfung muss im Land bleiben
Im Wettbewerb der drei großen Wirtschaftsblöcke USA, Asien und Europa sei die Schaffung von „nationalen wie europäischen Champions“ notwendig, sagt Altmaier. Deutschland selber müsse als führende Wirtschaftsmacht „vom passiven Erdulder“ zu einem „Akteur und Gestalter“ in der Industriepolitik werden, der „unbefangen, selbstbewusst und mit dem Willen zum Erfolg“ auf der internationalen Bühne auftrete. Israel, sagt er, habe ein Geschäftsmodell daraus gemacht, dass es innovative Start-Ups anziehe, und fördere, die später für sehr viel Geld von amerikanischen Investoren finanziert und aufgekauft würden. „Für Deutschland und Europa ist das kein Geschäftsmodell.“ Wenn Deutschland seinen Wohlstand behalten wolle und weiter eine führende Rolle in der Wirtschaft spielen wolle, müssten die industriellen Arbeitsplätze und damit die Wertschöpfung im Lande erhalten bleiben.
Immer wieder beruft sich Peter Altmaier in seinen Ausführungen auf seinen legendären Vorgänger im Amt, Ludwig Erhard, den „Vater des Wirtschaftswunders“, den er sehr bewundere. Erhard habe einst „Wohlstand für alle“ versprochen. Doch es gebe keine Garantie, dass dieser Wohlstand für alle Zeiten gewährleistet sei. Deutschland stehe im globalen Wettbewerb, es gebe eine gewaltige Dynamik bei völlig neuen Industriezweigen wie der Elektromobilität, der Entstehung digitaler Plattformen oder der Künstlichen Intelligenz, nach Altmaiers Worten die „größte Innovation seit Erfindung der Dampfmaschine“. Allerdings seien diese Innovationen auch ungeheuer disruptiv, zerstörerisch. „Wer diese Technologien beherrscht, hat Chancen, vorne dabei zu sein, wer es verpennt, wird nur noch die verlängerte Werkbank der anderen sein“, so Altmaier.
Schlüsselindustrien stärken
Als Beispiel für eine gelungene Industriepolitik des Staates nennt Altmaier mehrfach den europäischen Luftfahrtkonzern Airbus („ein großes Flugzeug kann nur ein großes Unternehmen bauen“), nach diesem Vorbild sollte Deutschland nun auch beispielsweise Internet-Plattformen für Mobilität oder das Gesundheitswesen schaffen, zudem gelte es, deutsche Schlüsselindustrien wie den Autosektor zu stärken, beispielsweise durch einen finanziellen Anschub für den Aufbau einer Batteriezellenproduktion im eigenen Land, damit auch die Wertschöpfung im eigenen Land bleibe. Und mit Blick auf die geplante Fusion der Zughersteller Siemens und Alstom bittet er, nicht nur den europäischen Markt, sondern den Weltmarkt zu betrachten. Seine Industrie-Strategie, so Altmaier, definiere, „in welchen Fällen ein Tätigwerden des Staates ausnahmsweise gerechtfertigt oder gar notwendig sein kann, um schwere Nachteile für die eigene Volkswirtschaft und das gesamtstaatliche Wohl zu vermeiden“.
Die Kritik an diesem Konzept kommt prompt. „Peter Altmaier scheint irgendwie Angst zu haben – Angst vor den Chinesen“, sagt der FDP-Wirtschaftsexperte Reinhard Houben. Angst sei aber ein schlechter Ratgeber. Auch wenn der Wirtschaftsminister immer wieder Ludwig Erhard zitiere, gehe es ihm letztendlich „um Planwirtschaft“. Die Vertreter des Mittelstandes wiederum werfen ihm vor, einseitig auf die großen Konzerne zu sehen, aber die Bedeutung der mittelständischen Unternehmen zu unterschätzen.