
Gerhard Schröder war auf der CeBIT ein gern gesehener Gast. Ob als niedersächsischer Ministerpräsident oder später als Bundeskanzler hielt der SPD-Politiker mit seiner Begeisterung für technische Spielereien selten hinter dem Berg. Auf der CeBIT vor zehn Jahren entdeckte Schröder auf dem Stand der Deutschen Telekom die damals wenig bekannte MMS-Technik, mit der man mit einem Mobiltelefon nicht nur Textmitteilungen als SMS, sondern auch Bilder und Videos versenden konnte. „Damit kann mir Doris Bilder von sich schicken, wenn die Sehnsucht am größten ist“, sagte er. Die CeBIT war damals noch die wichtigste Mobilfunkmesse in Europa. Die Themen der Telekommunikationsindustrie aus dem Jahr 2002 ähnelten den aktuellen Fragestellungen der Branche
nur mit dem Unterschied, dass diese zehn Jahre später vor allem auf dem Mobile World Congress in Barcelona diskutiert werden und nicht mehr auf dem Messegelände in Hannover. 2002 bauten die Telekommunikationsanbieter gerade die Infrastruktur für die dritte Mobilfunkgeneration UMTS auf, um ihren Kunden leistungsfähige Smartphones statt einfacher Handys verkaufen zu können. Heute investieren die Telkos in die vierte Mobilfunkgeneration LTE
und fragen sich wie damals, ob und wie sich die Milliardensummen rechnen werden.
Vodafone kündigte auf der CeBIT 2002 konkret den Start des UMTS-Netzes in Deutschland an. Und E-Plus preschte mit einer deutschen Version des japanischen Mobilfunkdienstes i-Mode voran. In Japan schossen damals Anwendungen für i-Mode – etwa Online-Spiele oder Nachrichtenangebote für das Handy – wie Pilze aus dem Boden und begeisterten ein Millionenpublikum. In Deutschland und Europa floppte der Dienst, weil die großen Provider i-Mode nicht lizenzierten.
also das mobile Internet im herkömmlichen GSM-Netz
nur spöttisch mit
Wait and Pay“ (warten und bezahlen) übersetzten. Heute sind mit LTE die Übertragungsgeschwindigkeiten zwar viel höher als bei UMTS
doch wegen des enormen Wachstums des Smartphone-Marktes zeichnet sich schon wieder der Punkt ab, an dem die Netze erneut verstopft sind und mobile Anwender warten und trotzdem zahlen müssen. In den Hallen der Computer-Hersteller und Software-Anbieter erwies sich im März 2002 das einige Monate zuvor auf den Markt gekommene Microsoft-Betriebssystem Windows XP als Zugpferd. XP löste damals die beiden eher missratenen Systemversionen Windows Me für Privatanwender und Windows 2000 als Business-Lösung ab. Der Software-Gigant heimste für XP den Preis des besten Produktes der CeBIT 2002 ab. Microsoft-Chef Steve Ballmer, der in diesem Jahr die CeBIT eröffnete, verflucht zehn Jahre später den Erfolg von XP, denn das System läuft zum Leidwesen der Microsoft-Vertriebler immer noch auf vielen Millionen Personal Computern, obwohl diese nach den Marketingplänen von Microsoft längst auf die Nachfolgesysteme Vista oder Windows 7 umgestiegen sein sollten. Microsoft zeigte auf der CeBIT 2002 aber auch ein Konzept, das später
im Gegensatz zu Windows XP – grandios scheitern sollte. Den unter dem Codenamen „Mira“ entwickelten schnurlosen Monitor hatte Konzerngründer Bill Gates wenige Wochen vor der CeBIT bereits auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas präsentiert. „Mira“ sah aus wie ein Tablet PC, wurde auch mit einem Akku betrieben
hatte aber im Gegensatz zu einem iPad oder Samsung Galaxy Tab von heute keinerlei eigene Rechenpower, sondern konnte nur in einer Entfernung von bis zu 30 Metern zum herkömmlichen PC betrieben werden. Doch die Verbraucher konnten sich für das Konzept nicht begeistern und Microsoft musste 2004 das von technischen Problemen geplagte Projekt beerdigen. Andere Messeneuheiten auf der CeBIT 2002 konnten sich zwar auch nicht kurzfristig durchsetzen, wanderten aber nicht auf den Technologie-Friedhof wie „Mira“. Dazu gehört die Spracherkennung. Schon vor zehn Jahren wurde den Messebesuchern versprochen, dass bald ein alter Menschheitstraum in Erfüllung geht: Computer und andere elektronische Apparate lernen sprechen und menschliche Sprache zu verstehen. Damals dominierten Anbieter wie das belgische Unternehmen Lernout & Hauspie und die Konzerne IBM und Philips, auch wenn die Spracherkennung und -verarbeitung noch sehr fehlerhaft war. Heute bringt Software vom Nuance Communications nicht nur dem PC mit einer inzwischen erstaunlichen Trefferrate das Zuhören bei. Außerdem setzen Apple mit Siri und Google mit ähnlichen Lösungen auf Spracherkennung zur Steuerung von Smartphones.
Bis heute nicht verwirklicht wurde eine Utopie, die auf der CeBIT 2002 vorgestellt wurde – die Bundestagswahl daheim per Mausklick. Im Jahr 2010 sollten die Bürger nach dem Wunsch der damaligen rot-grünen Bundesregierung ihre Stimme bei der Bundestagswahl auch vom heimischen Computer aus abgeben können. Dieter Otten, Leiter der Forschungsgruppe Internetwahlen an der Universität Osnabrück, ahnte schon, dass eine Wahl vom PC aus auf absehbare Zeit nicht sicher genug ist. Nach kleineren Versuchen wie der elektronischen Vorstandswahl beim Städte- und Gemeindebund Brandenburg 2004 gab die Forschungsgruppe das Projekt an T-Systems ab. Eigentlich sollte dann das inzwischen „voteremote“ genannte Internetwahlsystem bei der Sozialwahl 2011 eingesetzt werden. Doch nachdem das Bundesverfassungsgericht 2009 sogar den Einsatz von Computern in öffentlichen Wahllokalen bei der letzten Bundestagswahl für verfassungswidrig erklärt hatte, kam auch für die Abstimmung am heimischen PC das „Aus“.
CeBIT 2012 in Zahlen
Am heutigen Dienstag, 6. März, startet in Hannover die CeBIT. Einige Eckdaten: Die CeBIT 2012 dauert bis zum 10. März. Mit der fünftägigen Laufzeit halten die Veranstalter am Umfang der beiden Vorjahre fest. 2010 war die Messe um einen Tag verkürzt worden, um die Kosten der Aussteller zu senken. In diesem Jahr stellen voraussichtlich mehr als 4200 Unternehmen aus 70 Ländern ihre Produkte und Neuentwicklungen in Hannover vor. Damit wird die Zahl der Teilnehmer nach Angaben der Deutschen Messe AG das Vorjahresniveau leicht übertreffen.
Die Organisatoren hoffen, die Besuchermarke des Vorjahres von rund 339 000 übertreffen zu können. Etwa 130 internationale Delegationen aus Politik und Wirtschaft reisen zu Konferenzen nach Hannover an.
Das Leitthema der Messe lautet „Managing Trust“. Es geht um Technologien und Verfahren zur Erhöhung der IT-Sicherheit. Parallel hierzu wollen die Veranstalter die Einteilung des Programms in die vier Sparten „Pro“ (Geschäftskunden), „Gov“ (öffentliche Hand), „Lab“ (Forschung) und „Life“ (Privatnutzer) beibehalten.
Der Fachkräftemangel stellt auch die IT-Wirtschaft vor immer größere Herausforderungen. Die Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses ist deshalb ein weiteres Schwerpunktthema der CeBIT.
ONLINE-TIPP
Mehr zur CeBIT 2012, darunter ein Bericht über den IBM-Supercomputer „Watson“, der Staus vorhersagen soll, finden Sie auf:
www.mainpost.de/multimedia