Porsche, Deutsche Bank, Escada – die Liste deutscher Unternehmen ist lang, die unliebsame Bekanntschaft mit „Berufsklägern“ gemacht haben. Auf Hauptversammlungen versuchen die „Profis“ Formfehler zu produzieren. Anschließend zögen sie mit Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse vor Gericht, um die Unternehmen per Vergleich zur Kasse zu bitten, werfen ihnen Kritiker vor. Aktionärsvertretern zufolge handelt es sich um eine Gruppe von mehr als 40 „Berufsklägern“.
Die Kläger interessiere die Idee der öffentlichen Kontrolle durch die Aktionäre nicht, „weil sie ja gar kein gerichtliches Urteil durchsetzen wollen, sondern einen Vergleich, an dem sie verdienen“, beschreibt der renommierte Aktienrechtler Theodor Baums das Vorgehen. Die Kläger kauften die Papiere nicht als Investment, sondern um mit „den Aktien das Recht auf Anfechtungsklage zu erwerben“, sagte Baums dem „Handelsblatt“. Noch schärfer formuliert es der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Jürgen Kurz: „Im Endeffekt ist es nichts anderes als räuberische Erpressung.“
Das Spiel sei immer das Gleiche, auf der Hauptversammlung würden viele, detaillierte Fragen gestellt, bis das Unternehmen nicht mehr antworten könne. „Daraus wird dann der Klagegrund konstruiert.“ Selbst eine Verletzung der Menschenrechte bei der Einlasskontrolle wurde Aktienrechtler Baums zufolge schon als Anfechtungsgrund geltend gemacht.
Seit vier Jahren können Unternehmen trotz einer Aktionärsklage für wichtige Beschlüsse – zum Beispiel Kapitalerhöhungen – vor Gericht eine Freigabe für den Eintrag ins Handelsregister beantragen. Allerdings dauert auch das Freigabeverfahren mehrere Monate. Zeit, die weder das angeschlagene Solarunternehmen Q-Cells noch der Holzverarbeiter Pfleiderer hatten. Sie meldeten nach Attacken von „Berufsklägern“ im vergangenen Jahr Insolvenz an. Die „Profis“ – in diesem Fall Anleihebesitzer – waren gegen die Sanierungskonzepte vor Gericht gezogen. Immerhin: Die Zahl der Trittbrettfahrer, die sich an solche Klagen ranhängen, ist Kurz zufolge gesunken, seitdem jede einzelne Klage substanziell begründet werden muss. Doch blieben die Berufskläger ein Ärgernis für andere Anteilseigner. Die Attacken hätten zur Einschränkung von Aktionärsrechten geführt, zum Beispiel zur Begrenzung der Redezeit. Zwar entschied das Oberlandesgericht Frankfurt 2009, dass „Berufskläger“ zu Schadensersatz herangezogen werden können, wenn sie unberechtigte Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse einreichen. (Az.: 5 U 183/07). Doch blieb der Fall bisher ein Einzelfall.
Die Unternehmen verzichten in der Regel darauf, sich vor Gericht zu wehren. „Die meisten Kläger agieren professionell und sind daher rechtlich schwer zu greifen“, sagt Kurz. Viele deutsche Unternehmen dürften daher mit Neid nach Großbritannien blicken. Ein Auskunftsrecht mit der Möglichkeit einer Anfechtungsklage - wie im deutschen Aktiengesetz verankert – gibt es dort nicht. Kurz wünscht sich, „dass die deutschen Unternehmen ihren Mut zusammennehmen und Berufskläger wegen räuberischer Erpressung anzeigen. Das wäre ein Schuss vor den Bug“.