Mit einem futuristischen Prototyp eines autonom fahrenden Autos („F015“) hat Daimler auf der Elektronikmesse CES Schlagzeilen produziert. Im Interview erklärt Konzernchef Dieter Zetsche, wo er noch Handlungsbedarf bei der Realisierung der Pläne für ein autonom fahrendes Auto sieht.
Dieter Zetsche: Gut, zum Teil ist schon mein Dienstwagen ein selbstfahrendes Fahrzeug, weil diverse unserer Serienmodelle bei geringer Geschwindigkeit komplett autonom fahren können. Mit den Prototypen, die weitergehen, fahre ich ungefähr jedes Vierteljahr.
Zetsche: Ja, es geht deutlich schneller voran, als es ich mir vor ein paar Jahren vorstellen konnte.
Zetsche: Die wesentlichen Technologien dafür sind serienreif. Wir haben die Sensoren. Wir haben die Rechnerkapazitäten. Die Vernetzung ist Stand der Technik. Was wir nicht haben, ist das sichere autonome Fahren unter allen Umständen – etwa bei Regen und Schnee oder in der Nacht. Zudem fehlt das rechtliche Umfeld mit der Klärung von Haftungsfragen.
Zetsche: Man kann es nur vernünftig machen, wenn man Schritt um Schritt geht. Wir werden sicher schon in den nächsten Jahren auch mit höheren Geschwindigkeiten auf Strecken wie Autobahnen autonom unterwegs sein. Ein Auto wie den F 015 sehe ich im nächsten Jahrzehnt auf der Straße.
Zetsche: Das Auto entscheidet ja nicht selber, sondern folgt nur dem vorgebenen Algorithmus. Diese Entscheidungen werden von den Herstellern und dem Gesetzgeber gemeinsam getroffen werden müssen. Heute wird das jeden Tag individuell von Menschen entschieden, ob bewusst oder unbewusst. Solche Situationen werden zwar in der Zukunft ungleich seltener eintreten. Vielleicht werden 99 von 100 Unfällen vermieden – aber auch für diese wenigen Fälle muss man diese Diskussion führen.
Zetsche: Die Technik zum autonomen Fahren – Rechnerleistung und Sensoren – ist da das geringste Problem. Da sind die Brennstoffzelle und die Batterie die größeren Kostenbausteine. Außerdem die Infrastruktur mit Kartendiensten und Rechenzentren. Aber generell ist ein autonom fahrendes Auto nicht viel teurer.
Zetsche: Ja, ich glaube, dass die deutschen Hersteller vorne sind.
Zetsche: Wir sind schon in den 90er Jahren mit Prototypen gefahren. Interessant ist die extreme Aufmerksamkeit, die Google bekommen hat, das hat auch uns geholfen.
Zetsche: Dinge, an denen wir arbeiten, dringen nicht immer nach außen. Und unsere Assistenzsysteme waren die logischen Schritte zum autonomen Fahren.
Zetsche: Natürlich nicht, wir wollen ja zum Beispiel keine Halbleiter selber produzieren. Auch bei der Software werden wir auf sinnvolle Weise zusammenarbeiten. Die Algorithmen, die Logik, die Intelligenz – das muss von uns kommen. Ob Google in diesem Sinne zu einem Wettbewerber wird, wird die Zeit zeigen. Aber das bestimmt nicht, ob wir in anderen Bereichen kooperieren können. Wir sehen ja insgesamt ein Zusammenwachsen dieser Industrie und der Autoindustrie, mit neuen Möglichkeiten.
Zetsche: Dass wir die Fabriken stellen, in denen nur noch die Hüllen für die Google-Systeme gebaut werden? Ich glaube nicht, dass das der Vision von Google entspricht. Ich denke, dass für Google entscheidend ist, die Menschen rund um die Uhr begleiten zu können, Daten zu generieren und mit ihren Diensten zu versorgen. Wir haben unsere eigenen Interessen. Wo wir uns ergänzen, werden wir kooperieren – und wenn wir im Wettbewerb stehen, werden wir schauen, wer die besseren Karten hat. Das ist relativ simpel.
Zetsche: Das Problem sehe ich nicht: Es gibt verschiedene Elektronik-Anbieter und der Wettbewerb funktioniert gut. Und um das Auto zu einem rollenden Smartphone zu machen, brauchen wir weniger Anstrengungen als ein Handy-Anbieter, um ein Auto zu bauen.
Zetsche: Wenn wir unser Carsharing-Angebot Car2go betrachten, dann haben wir derzeit eine Balance zwischen den Menschen, die sagen: „Jetzt brauche ich meinen Smart nicht mehr“ – und denen, die sich einen Smart kaufen, weil sie ihn mit Car2go ausprobiert haben. Aber egal, wie sich das entwickelt – die Lösung, die für den Kunden am besten ist, wird sich durchsetzen. Es wäre absurd, wenn wir Verteidigungslinien aufbauen würden, um etwas möglichst lange zu erhalten, was früher das Geschäftsmodell war. Wenn sich andere Konzepte etablieren – dann wollen wir sie mitbestimmen. Wir haben da eine klare Haltung. Disruptionen sind ja nichts Neues: Vor 100 Jahren gab es viele Damplokomotiven-Bauer. Und als die E-Lok kam, waren sie alle tot.
Zetsche: Ich glaube, auch die meisten unserer Kollegen sehen das und investieren deshalb in E-Loks, auch wenn es noch zehn bis 20 Jahre dauert, dass man damit Geld verdient.
Zetsche: Vom generellen Trend weg vom Auto zu sprechen wäre falsch – auch weil sich jetzt viele Menschen in den neuen Märkten in Asien erstmals ein Auto leisten können. Was wir wollen, ist, einen Lebensraum bereitstellen, in dem man alles machen kann, was man will.
Zetsche: Wir wollen den Menschen sagen, wir geben Dir die Zeit zurück, die Du heute damit verbringst, an einem Lenkrad zu kurbeln, damit das Auto nicht gegen den Kantstein fährt. Jetzt kannst Du stattdessen machen, was Du willst.
Zetsche: Solange die Leute dabei unser Auto nutzen, ist das für uns völlig okay.
Dieter Zetsche
Dr. Z: Dieter Zetsche ist seit dem 1. Januar 2006 Vorstandschef der Daimler AG. In den USA hat er den Spitznamen „Dr. Z.“, weil er unter diesem Namen vor Jahren selbstironisch für das damalige Gemeinschaftsunternehmen DaimlerChrysler geworben hatte. TEXT/FOTO: DPA