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WÜRZBURG
Überraschende Einsichten zur Finanzkrise
Längst alles gesagt in Sachen Finanz- und Wirtschaftskrise? Vielleicht bei Illner, Will und Co. – nicht aber an der Uni Würzburg. Eine Podiumsdiskussion am Montagabend brachte einige überraschende Einsichten.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 17.12.2020 02:17 Uhr

Längst bekannte Argumente, wohl temperiert vorgebracht und allenfalls mit einer Prise Parteipolitik gewürzt – das ist die meist schale Kost der TV-Polittalkshows. Ganz anders am Montagabend (2. Februar) im vollbesetzten Audimax der Würzburger Universität.

Unter dem Motto „Finanzdebakel und Rezession – Wege aus der Krise“ diskutierten die Würzburger Professoren Peter Bofinger und Ekkehard Wenger, Sparkasse-Mainfranken-Chef Rudolf Fuchs und der Frankfurter Wirtschaftsjurist Joachim Kayser über die Krise.

Bofinger und Wenger zum erstem Mal gemeinsam auf einem Podium – das schon versprach einen gewissen Reiz. Und Wenger, bundesweit bekannt als Aktionärsrechtler und Konzernkritiker, machte seinem Ruf als Enfant Terrible der deutschen Wirtschaftswissenschaftler alle Ehre.

Er habe „so gewisse Schwierigkeiten mit dem Wort Finanzkrise“, legt er los. Es handle sich vielmehr „um eine Art Casino- und Zockerbudenkrise“, poltert er – und zeigt eine Grafik mit dem abgestürzten Aktienkurs der Deutschen Bank. Wenger kommt in Fahrt, hantiert mit seinen Folien.

Ein einfaches Vorstandsmitglied der Deutschen Bank verdiene im Jahr 5,5 Millionen Euro, rechnet er vor. „Von Herrn Ackermann und seinen 13 Millionen Euro wollen wir gar nicht reden“, führt er süffisant aus, „sonst meint noch jemand, ich hätte was gegen ihn“. Begeistertes Gejohle unter der etwa zur Hälfte studentischen Zuhörerschaft.

Privatanleger ohne Einfluss

Auf Privatanleger, die den „Selbstbereicherungsprozess der Multi-Millionen-Abkassierer“ gestoppt hätten, komme es längst nicht mehr an, grantelt er und setzt einen drauf: Institutionelle Anleger ermöglichten eine „schamlose persönliche Bereicherung“, vergleichbar „mit den Raubzügen eines internationalen Verbrechersyndikats“.

Wengers zur Vorlesung ausgeufertes Statement sorgt, je nach Gusto, für Heiterkeit oder...


...Ärger – auf jeden Fall aber für Unruhe bei Moderator Frank Müller. Der Wirtschaftsredakteur des Bayerischen Rundfunks bringt dem in Rage gekommenen Professor einen Zettel mit dem Hinweis „2 Minuten!!“ – den Wenger prompt dem Publikum zeigt.

Überraschende Einsichten zur Finanzkrise
Nun ergreift Sparkassenchef Rudolf Fuchs das Wort. „Wenn ich höre, Verbrechersyndikat, Zockerbude“, schimpft der Sparkassenchef, „ich fühle mich nicht als Krimineller – und das gilt auch für meine Kollegen“. Er müsse doch keine Deutsche-Bank-Aktie kaufen, sagt er Wenger: „Es zwingt Sie doch keiner.“

Peter Bofinger glättet die Wogen. Die Vergütung alleine sei nicht die Erklärung dafür, „dass das so schief gelaufen ist“. Wo er Kritik an den Banken üben würde, sei, dass man „überhöhte Renditeziele“ gesetzt habe: „25 Prozent, das geht halt nur mit solch hochriskanten Anlagen“.

Überraschende Einsichten zur Finanzkrise
 (Bofingers Vortrag im Einzelnen.)

Joachim Kayser, Partner von PricewaterhouseCoopers in Frankfurt, nennt Zahlen. Ende 2007 habe der Buchwert dieser verbrieften Wertpapiere 600 Billionen US-Dollar betragen – alle börsennotierten US-Unternehmen waren zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 25 Billionen Dollar wert. Folge: „Man wusste gar nicht mehr, wo die Risiken lagen.“

Zu Beginn der Veranstaltung hatte der Wirtschaftsweise in einem Kurzreferat die Entstehung der Finanzkrise erklärt. So hätten in den Jahren 2003 und 2004 zu niedrige Zinsen in den USA die Unternehmen dazu verlockt, sehr viel...


...Geld aufzunehmen. Und auch die US-Bürger hätten sich gedankenlos verschuldet und so einen künstlichen Immobilienboom entfacht. Diese schlechten Kredite (Subprime) seien dann an Anleger in aller Welt weitergereicht worden.

AAA-Rating als Türöffner

„Man dachte, ein AAA-Rating eines US-Immobilienkäufers sei genauso viel wert wie ein AAA-Rating einer deutschen Bank“, so Bofinger, „Das war einfach das Schlagwort, jeder hat das gekauft“. Mit drei „A“ bewerten sogenannte Ratingagenturen besonders sichere Anlagen.

Überraschende Einsichten zur Finanzkrise
Der entscheidende Fehler im vergangenen September sei aber gewesen, dass die US-Regierung die Investmentbank Lehman Brothers habe pleite gehen lassen. „Bis zu diesem Zeitpunkt war jedem klar“, so Bofinger, „Bankeinlagen sind sicher“. In Folge der Lehman-Pleite aber hätten sich die Institute gegenseitig keine Kredite mehr gegeben.

Das bestätigt Sparkassenchef Fuchs: „Nach Lehman ist der Rieseneinbruch gekommen, da hat keine Bank mehr der anderen getraut.“ Das Vertrauen ist immer noch nicht da, beklagt Bofinger die Lage, aber das liege „an den toxischen Papieren in den Bilanzen der Banken“.

Überraschende Einsichten zur Finanzkrise

Wie soll's nun weitergehen? Das Podium sucht nach Lösungen. „Wir brauchen einfach wieder mehr Eigenkapital“, fordert Bofinger. Auch Fuchs sieht das so. Eigenkapital habe die Funktion der Risikobegrenzung gehabt, erklärt er. Zuletzt aber habe man in einem hohen Eigenkapital nur „die Auslassung von Chancen“ gesehen. Wengers Weg: „Die internationale Vernetzung muss drastisch zurückgefahren werden.“

Bofingers Fazit: „Alles was wir derzeit machen, steht nicht im Handbuch der Wirtschaftspolitik.“

  
 
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