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München
Alte Fehler rächen sich: Wenn Sozialwohnungen in Bayern verschwinden
Immer mehr Menschen ziehen in den Freistaat, obwohl Zigtausende günstige Wohnungen fehlen. Die Staatsregierung kämpft, will mit viel Geld für eine Trendwende gegen die Wohnungsnot sorgen.
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Foto: Sina Schuldt, dpa (Archivbild) | Jahrelanger Spielball von Spekulanten: Mietwohnungen in München Schwabing.
Michael Pohl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:11 Uhr

Die Krise auf dem Wohnungsmarkt spürt Bayern seit vielen Jahren besonders hart. Die Mieten im Freistaat liegen um gut ein Viertel über dem Bundesschnitt, zugleich ist in keinem Bundesland die Bevölkerung schneller gewachsen: Seit der Wiedervereinigung zählt Bayern rund zwei Millionen Einwohner mehr. Bis 2050 soll die Bevölkerungszahl um 600.000 auf 14 Millionen steigen. Doch laut einer Studie des Pestel-Instituts fehlen in Bayern mindestens 200.000 Sozialwohnungen. Und die Lage droht, sich zu verschärfen

Was passiert mit Wohnungen, die aus der Sozialbindung fallen?

Zuletzt gab es nach Angaben des Bauministeriums in Bayern offiziell nur noch 133.130 Sozialwohnungen, 40.000 weniger als vor acht Jahren. Denn die sogenannten „belegungsgebundenen Mietwohnungen“ fallen nach einer bestimmten Zeit aus der Sozialbindung. In der Regel nach 15, 25 oder 40 Jahren. 

Allerdings verschwindet ein Teil der Sozialwohnungen nur auf dem Papier: Vor allem städtische, kirchliche und andere gemeinnützige Wohnbaugesellschaften vermieten ihre Wohnungen auch nach dem Ende der Sozialbindung zu ähnlichen Bedingungen. Der Verband der 500 sozialorientierten bayerischen Wohnbaugesellschaften, VdW, zählt unter seinen Mitgliedern 546.000 Mietwohnungen. Das heißt, etwa jede sechste Mietwohnung in Bayern gehört „gemeinnützigen“ Eigentümern. Im Schnitt werden sie zu 6,75 Euro pro Quadratmeter vermietet. 

Was aus den GBW-Wohnungen der BayernLB wurde

Doch viele gewerbliche Vermieter, die oft größere Projekte nur unter der Auflage gebilligt bekommen, einen Teil davon als sozialen Wohnraum zu schaffen, nutzen das Ende der Bindung. Nach der Frist wandeln sie oft Miet- in Eigentumswohnungen um, oder vermieten sie, wenn Mieter ausziehen, zu hohen Marktpreisen neu. 

Ein besonderer Sündenfall in Augen von Mieterschützern ist die einstige Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft GBW. Nach dem Skandal um Milliarden-Fehlspekulationen sanierte sich die schwer angeschlagene Bayerische Landesbank mit dem Verkauf ihrer 33.000 GBW-Wohnungen. Der 2,4 Milliarden Euro teure Deal gilt bis heute als wunder Punkt in der Karriere des damaligen CSU-Finanzministers und heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder. 

Nach Ansicht des Mieterbunds sind viele der Befürchtungen nach dem Verkauf wahr geworden: Zahlreiche der einstigen GBW-Wohnungen seien zu Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft worden, sagt die Geschäftsführerin des Bayerischen Mieterbunds Monika Schmid-Balzert. „Den Umwandlungen gingen wie prognostiziert Modernisierungen und Nachverdichtungen voran“, sagt sie. Die Mieter seien mit Baumaßnahmen, Lärm und Schmutz sowie Mieterhöhungen belastet worden, da es für die Investoren auf Rendite ankam. „Die umgewandelten Wohnungen werden zum Teil gekündigt, weil die Erwerber Eigenbedarf anmelden“, berichtet Schmid-Balzert. 

Söders Versprechen: Wann kommen die 10.000 Wohnungen der BayernHeim?

Nach massiver Kritik hatte Söder im Wahlkampf 2018 die Gründung einer neuen Wohnbaugesellschaft versprochen: „Die BayernHeim soll 10.000 Wohnungen bis 2025 neu schaffen“, versprach er in seiner ersten Regierungserklärung als Ministerpräsident. Heute ist klar: „Neu schaffen“ heißt nicht unbedingt, dass die Wohnungen bis 2025 bezugsfertig wären. 

Bayerns Bauminister Christian Bernreiter, der als früherer Deggendorfer CSU-Landrat das Amt vor zwei Jahren übernommen hat, bemüht sich, dass bis 2025 die 10.000 Wohnungen zumindest baureif sind. Die BayernHeim sei inzwischen „ein wichtiger Player“, sagt Bernreiter. „Derzeit hat sie bereits 8.350 Wohnungen unter Dach und Fach, 267 Wohnungen sind fertig, knapp 1.800 in Bau und mehr als 6.300 in Planung und Entwicklung“, zählt er auf. „Wir sind in viele Projekte eingestiegen, die ohne das Engagement der BayernHeim wegen der schwierigen Lage am Bau komplett eingestellt worden wären“, betont Bernreiter. „Bis Ende 2025 werden wir – Stand heute – auch 10.000 Wohnungen auf den Weg gebracht haben.“ 

Mieterbund-Geschäftsführerin Schmid-Balzert bleibt skeptisch: „Wir haben weiterhin Zweifel daran, dass bis Ende 2025 die 10.000 Wohnungen auf den Weg gebracht sind“, sagt sie. „Die Planungen laufen nur schleppend“, erklärt sie. „Bis Ende 2022 hat die BayernHeim nicht einmal 500 Wohnungen selbst neu gebaut, sondern lediglich bestehenden Wohnraum aufgekauft.“ Dies trage nicht zu einer Entlastung des Wohnungsmarkts bei. „Gleichwohl ist jede Wohnung, die neu gebaut wird – vor allem im bezahlbaren Segment – mehr als wünschenswert und notwendig.“ 

Bayern kämpft um Trendwende im Sozialen Wohnungsbau

CSU-Minister Bernreiter setzt darauf, rasch den Trend zu brechen, dass mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, als neue hinzukommen. Erste Erfolge kann er bereits vermelden: „Im Jahr 2023 konnten mit 3233 Mietwohnungen nach 2022 erneut mehr Wohnungen bewilligt werden, wie im gleichen Zeitraum aus der Sozialbindung fielen“, sagt der Minister. Im Jahr 2022 waren es immerhin 100 Wohnungen mehr, als wegfielen, im vergangenen Jahr 250. 

Inzwischen stellt der Freistaat eine Milliarde Euro zusätzlich für den Mietwohnungsbau zur Verfügung. Dafür wurden Förderdarlehen verdoppelt und mit dem Ziel einer möglichst langen Sozialbindung gestaffelt. „Seit vergangenem Jahr gibt es sogar die Möglichkeit einer 55-jährigen Bindung“, sagt Bernreiter. Hier gewährt der Freistaat pro Quadratmeter Wohnfläche bis zu 1860 Euro Darlehen und bis zu 700 Euro Zuschuss. Die hohe Nachfrage trotz der Baukrise zeige, dass die Maßnahmen bereits wirkten, sagt der Minister.

Auch Mieterbund-Geschäftsführerin Schmid-Balzert begrüßt die längere Bindungsdauer und höhere Förderungen. Aus Sicht des Mieterbunds „sollte eine gebundene Wohnung immer eine gebundene Wohnung bleiben und erst gar nicht aus der Bindung fallen“, sagt sie. Doch dies komme für Privatinvestoren kaum infrage. Der Freistaat müsse deshalb vor allem Kommunen und Genossenschaften mehr Baugrundstücke zur Verfügung stellen. Gefordert sei vor allem der Bund: „Der Mieterbund wünscht sich vom Bund eine echte neue Wohnungsgemeinnützigkeit und ein Sondervermögen für Bau von Sozialwohnungen.“

 
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