
Es ist ein Rekordhoch: Seit Jahresbeginn hat sich der Kakaopreis um 60 Prozent verteuert, so teuer war der Rohstoff noch nie. Die Hersteller erhöhen die Preise, viele Kundinnen und Kunden spüren es derzeit beim Kauf von Schokohasen und anderen Osterleckereien. Laut einer Untersuchung des Zahlungsanbieters SumUp stieg der Preis für manche Schoko-Osterhasen im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 20 Prozent. Der Grund für die Preisexplosion ist recht einfach zu benennen. Doch das Problem dürfte sich so schnell nicht lösen lassen.
Teure Schokolade: Klimawandel erschwert Erntebedingungen für Kakao
Schon im vergangenen Jahr war der Preis für die begehrten Bohnen um 60 Prozent gestiegen, Anfang März zahlte man über 6600 US-Dollar für eine Tonne der Frucht. Zum Vergleich: Laut Statista lag der durchschnittliche Preis 2022 noch bei rund 2400 Dollar. "Dabei treiben vor allem die Sorgen vor einem knappen Angebot den Preis", erklärt Commerzbank-Rohstoffexperte Carsten Fritsch. Die Ernte im wichtigsten Produzentenland Elfenbeinküste verlaufe bislang sehr schleppend. 40 Prozent des weltweiten Kakaoangebots kommen aus dem westafrikanischen Staat. Im Nachbarstaat Ghana, mit einem Marktanteil von 13 Prozent der zweitwichtigste Kakaoproduzent, seien vom Erntebeginn im September bis Januar 35 Prozent weniger Bohnen an die für Vermarktung zuständige Behörde verkauft worden. Laut Fritsch soll das weltweite Kakaoangebot im Erntejahr 2023/24 um zehn Prozent sinken.
Der Einbruch bei der Produktion liegt an Umwelteinflüssen. So hat sich die Regenzeit durch das Phänomen El Niño verschoben, verschiedene Pflanzenkrankheiten haben sich ausgebreitet. "Der Kakaoanbau leidet unter dem Klimawandel", sagt die Referentin für Agrarökologie bei der Umweltorganisation World Wide Fund for Nature, Kerstin Weber. Die Phänomene treffen auf Plantagen, die nicht vorbereitet sind. "Sowohl in Ghana als auch in der Elfenbeinküste herrschen keine nachhaltigen Anbausysteme vor", erläutert Weber. Monokulturen seien in der deutlichen Mehrzahl, Krankheiten könnten sich so sehr leicht ausbreiten.
Prekäre soziale Lage für Kakaobauern in Westafrika
Stattdessen würden die Anbauflächen erweitert, um den Ertrag zu halten. "Deswegen ist Westafrika immens von Entwaldung betroffen – was wiederum den Klimawandel anheizt", so Weber. Wie das Entwicklungshilfeministerium berichtet, werden mindestens dreißig Prozent des Kakaos in der Elfenbeinküste illegal in geschützten Wäldern angebaut. Der Staat gehört laut UN zu den Ländern mit der schnellsten Entwaldung weltweit. 2021 bestanden neun Prozent der Landesfläche aus Wald, Mitte der 1980er-Jahre waren es noch 15 Prozent. Dieses Modell funktioniere aber nicht mehr, weil es kaum noch Wald gebe. Die Lage für die Bauern sei prekär, Preiserhöhungen in deutschen Supermärkten kämen de facto nicht bei ihnen an. "Viele leben unter dem Existenzminimum und können ihre Familie nicht ernähren", so Weber. Laut dem Entwicklungsministerium kommen beispielsweise bei einer 89 Cent teuren Tafel Milchschokolade lediglich sechs Cent bei den Produzenten an. Auch Kinder müssen bei der Ernte mithelfen. Wie das Forum nachhaltiger Kakao berichtet, waren vor fünf Jahren rund 1,5 Millionen Kinder in der Elfenbeinküste und Ghana so gefährlicher Arbeit ausgesetzt.
Dabei gibt es anderswo auf der Welt Regionen, in denen der Kakaoanbau umweltfreundlicher und sozial verträglicher ist. In Südamerika wird der Kakao oft im Agroforstsystem angebaut, das Bäume mit Ackerkulturen wie Mais kombiniert. Das bedeutet eine nachhaltigere Produktion als in Westafrika. "Es kommen dort beispielsweise Pflanzen zur Anwendung, die Nährstoffe im Boden anreichern können", sagt Weber. Die Preise sind dort höher, die Abnehmer andere. Das hat auch Folgen für den Lebensstandard der Bauern. "Sie haben dort weniger Probleme mit der Existenzsicherung." Dennoch steht auch dort nicht alles zum Besten. So mussten beispielsweise zwischen 2008 und 2015 laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zwölf Prozent des Waldes in Ecuador neuen Kakaofeldern weichen.
Umstellung des Kakaoanbaus in Westafrika kann lange dauern
Weber wünscht sich auch für die Elfenbeinküste und Ghana ein nachhaltigeres Anbausystem. "Das ist zunächst vielleicht aufwendig, auf lange Sicht würde es sich aber in jedem Fall auszahlen." Eine Möglichkeit ist beispielsweise, Schattenbäume zu pflanzen. Doch zeigt sich hier die Problematik: Bis diese gewachsen sind, dauert es einige Jahre. Zwar gibt es laut Weber bei den Bauern Offenheit für solche Ideen. "Aber insgesamt ist in den Anbauländern, aber auch der gesamten Schokoladenidustrie immer noch zu wenig Bewusstsein da. Ich hoffe, dass die derzeitige Situation ein Weckruf ist."
Die Verantwortung sieht sie aber nicht nur bei den Privatbauern. Sie nimmt auch die Staaten selbst sowie die Hersteller in die Pflicht. "Es müsste beispielsweise bessere Möglichkeiten geben, an Setzlinge zu kommen." Einen anderen Hebel sieht sie in den Lieferketten. In Westafrika werde der Kakao nur angebaut. Der Rest der Wertschöpfungskette finde in anderen Ländern statt. Allein in Deutschland werden laut dem Forum nachhaltiger Kakaoanbau 10 Prozent der weltweiten Ernte verarbeitet. "Wir brauchen eine Stärkung der lokalen Weiterverarbeitung, um die Abhängigkeit von den Konsumentenländern zu reduzieren." Grundsätzlich sei das deutsche Lieferkettengesetz ein Schritt in die richtige Richtung.
Preis für Kakao könnte weitere Rekordhöhen erreichen
In absehbarer Zeit dürfte sich die Problematik aber nicht entspannen. "Möglicherweise kommt es in den kommenden Monaten noch zu Abwärtsrevisionen beim Angebot, wenn die im April beginnenden Zwischenernten in der Elfenbeinküste und in Ghana aufgrund der Trockenheit und der starken Harmattan-Winde ebenfalls schwach ausfallen sollten", so Commerzbank-Rohstoffexperte Fritsch. Die Kakaolagerbestände sollten zum Ende des Erntejahres auf das niedrigste Niveau seit 21 Jahren schrumpfen. Neue Rekordhochs sind laut Fritsch möglich.