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Buchloe
Die Krise der Schlachthöfe
Vion, die Nummer drei der Schlachtbetriebe in Deutschland, will sich komplett von seinem wichtigsten Markt zurückziehen. Das erschüttert die Branche und hat Folgen für die Region.
Matthias Zimmermann und Alexandra Hartmann
 |  aktualisiert: 15.06.2024 02:51 Uhr

Die Fleischindustrie in Deutschland ist seit Jahren in der Krise. Mit der Ankündigung von Vion, der Nummer drei der deutschen Schlachter, sein komplettes Deutschlandgeschäft verkaufen zu wollen, hat der Umbruch einen neuen Höhepunkt erreicht. Das Unternehmen teilte mit, sich künftig auf seine Geschäfte in den Beneluxstaaten konzertieren zu wollen. Den Schritt begründet Vion in einer Pressemitteilung unter anderem mit einem sich "wandelnden Marktumfeld" und "starker Konkurrenz aus Nicht-EU-Ländern". 

Der Fleischkonsum in Deutschland geht seit Jahren zurück. 51,6 Kilogramm hat jeder Deutsche im vergangenen Jahr laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Durchschnitt gegessen – zwölf Prozent weniger als noch im Jahr 2019 (58,5 Kilogramm pro Kopf). Parallel dazu sinkt auch die Fleischproduktion. Allein im vergangenen Jahr schrumpfte sie um vier Prozent auf 6,8 Millionen Tonnen. Nach einem Höchststand im Jahr 2016 (8,25 Millionen Tonnen) war es das siebte Jahr in Folge mit teils kräftigen Einbußen.

In Buchloe betreibt Vion den größten Rinder-Schlachthof in der Region

Besonders groß sind die Marktverwerfungen bei Schweinen. Die Zahl der Schweinehalter in Deutschland sinkt rapide, die Überkapazitäten auf dem Markt sind enorm. Hintergrund sind Exportverbote in wichtige Märkte wie China, nach dem Auftreten Afrikanischen Schweinepest in Deutschland. Die Coronakrise setzte der Branche zusätzlich zu. Viele Schlachtbetriebe mussten wegen des Infektionsrisikos zeitweise schließen, die Nachfrage ging wegen der weitgehend geschlossenen Gastronomie in den Keller. Die Erholung danach blieb verhalten. Vion hat bereits Anfang des Jahres drei Betriebe in Nord- und Ostdeutschland verkauft, ein weiterer Standort in Niedersachsen wurde geschlossen. Elf Standorte hat das Unternehmen nun noch in Deutschland und rund 3000 Beschäftigte. 

In Buchloe betreibt Vion den größten Rinder-Schlachthof in der Region. 270 Menschen arbeiten dort aktuell noch in der Produktion, 100 weitere im Verwaltungsbereich und in übergeordneten Bereichen, da von Buchloe aus auch der komplette Geschäftsbereich Rindfleisch geführt wird. Sie fragen sich nun, was aus ihnen wird. "Die Pläne haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Produktion", erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Man befinde sich ganz am Anfang der Prüfungsphase. Aktuell verhandle man mit mehreren Interessenten, Ziel sei der Verkauf des kompletten Geschäfts im Paket.

Bis Ende des Jahres soll der Verkauf abgeschlossen sein

"Wir sind fest entschlossen, die stärksten Partner für unser deutsches Portfolio zu finden, die das beste Konzept für eine erfolgreiche zukünftige Entwicklung dieser Unternehmen bieten. Das ist unser Versprechen an unsere Mitarbeiter, unsere Landwirte und unsere Kunden", lässt sich Vion-Chef Ronald Lotgerink in einer Mitteilung des Unternehmens zitieren. Buchloe habe eine gute Kunden- und Lieferantenstruktur sowie eine hohe Auslastung. Das Unternehmen habe auch kräftig in den Standort investiert und sehe keine Hindernisse für eine Fortführung des Geschäfts durch einen neuen Eigentümer, betont auch die Sprecherin.

Nach Informationen unserer Redaktion soll der Verkauf bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Durchkreuzen könnte diese Pläne aber das Kartellamt. Denn die Konzentration auf dem Markt ist bereits jetzt hoch und das Stück des Kuchens, das durch den Rückzug von Vion neu verteilt wird, ist beachtlich. Nach den jüngsten Zahlen der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands steht Vion allein in der wichtigsten Tierkategorie Schwein für zwölf Prozent der Schlachtungen. Marktführer ist Tönnies (32 Prozent) vor Westfleisch (15 Prozent). 

Die Chancen auf einen Weiterbetrieb stehen gut

Auch für Vion ist der Rückzug aus Deutschland ein Einschnitt. Laut dem Geschäftsbericht 2022 – aktuellere Zahlen hat das Unternehmen bisher nicht veröffentlicht – ist das Land mit Abstand sein wichtigster Markt. Im Rahmen der Neuausrichtung will Vion sich als nachhaltigster Fleischproduzent positionieren und hat in diesem Sinne zuletzt in den Niederlanden investiert. Doch für den Umbau ist noch mehr Geld nötig. Das soll nun der Verkauf einbringen.

Für die Rinderhalter in der Region ist der Schlachthof von großer Bedeutung. Andreas Schmid, Kreisobmann des Bauernverbands im Ostallgäu, sagt: „Ein Vorteil sind natürlich die kurzen Transportwege vor allem für die Tiere.“ Ohne den Schlachthof in Buchloe blieben den Bauern in der Region noch die Alternativen in Kempten oder Ulm. Weitere Transportstrecken hält Schmid nicht mehr für vertretbar. Wegen der guten Auslastung in Buchloe sieht der BBV-Obmann die Zukunft des Standorts allerdings nicht in Gefahr.

 
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