Kann man einen Computer dazu bringen, den Wert eines Hauses zuverlässig vorherzusagen? Vielleicht mit Methoden der Künstlichen Intelligenz? Dies testen die beiden Auszubildenden Deniz Dalgic, 20, und Dion Selimi, 20, zusammen mit anderen Azubis in einem besonderen Kurs aus, der derzeit am KI-Produktionsnetzwerk an der Universität Augsburg stattfindet. In einer Übung füttern sie den Rechner mit Daten über Lage, die Altersstruktur der Bevölkerung und verbaute Materialien, um das Programm zu trainieren, Hauspreise zu prognostizieren. Später folgen im Kurs noch andere Übungen zur Künstlichen Intelligenz (KI). Der Kurs dient dazu, Grundlagen der KI schon in der Ausbildung zu vermitteln. Es ist ein bundesweit einmaliges Projekt. Entwickelt haben den Kurs das KI-Produktionsnetzwerk an der Uni Augsburg, die Industrie- und Handelskammer Schwaben und die Handwerkskammer für Schwaben. Der Kurs ergänzt die normale Ausbildung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, am Ende erhalten alle ein Zertifikat.
Längst nutzen zahlreiche Unternehmen auch im Mittelstand Künstliche Intelligenz. Dementsprechend ist es gut, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kenntnisse in dem Gebiet mitbringen. Aber selbst wer gerade mit einer Ausbildung am Anfang seiner beruflichen Karriere steht, bekommt es heute nicht automatisch mit dem Thema zu tun. „In den allermeisten Ausbildungsgängen ist das Thema KI noch nicht integriert“, sagt Christian Fischer, stellvertretender Leiter des Bereichs "Berufliche Bildung" bei der IHK. In Schwaben hat man sich deshalb entschlossen, ergänzend zur Ausbildung einen speziellen Kurs zu KI in der Produktion anzubieten. Bei Unternehmen wie ams Osram in Schwabmünchen rennt man damit offene Türen ein. „Die Geschwindigkeit des technischen Wandels ist hoch“, sagt Werksleiter Ingo Hild. „Wir können in der Industrie nicht warten, bis Lerninhalte zur Künstlichen Intelligenz an den Schulen vermittelt werden.“
Einblicke in Künstliche Intelligenz für Azubis in Augsburg
Der Kurs zur KI besteht für die Auszubildenden aus einem Theorie- und einem Praxisteil. Im Theorieteil lernen sie die Grundlagen Künstlicher Intelligenz kennen. Auf dem Stundenplan stehen Themen wie „Daten und KI“, „Maschinelles Lernen“ und „Ethik und KI“. Die Online-Schulungen sind interaktiv und schließen mit einem Quiz ab. Im Praxisteil wird anschließend an zwei Tagen das Wissen vertieft und angewendet. Die Auszubildenden bearbeiten zum Beispiel ein KI-Projekt wie das zur Ermittlung von Hauspreisen. Sie machen sich Gedanken, wie man ein KI-Projekt im Unternehmen umsetzen kann. Und sie vertiefen ihr Wissen mit spielerischen Elementen. Zum Kurs gehört auch ein eigenes KI-Projekt, das im eigenen Unternehmen umgesetzt wird.
Die Auszubildenden sind vom Nutzen des KI-Kurses überzeugt. Das KI-Programm ChatGPT nutzt er schon privat, sagt Dion Selimi, der bei ams Osram Elektroniker für Betriebstechnik lernt. Da er noch nicht so lange in Deutschland lebt, hilft ihm KI auch, E-Mails zu formulieren, sagt er. „Ich denke, dass das Thema KI noch wichtiger wird“, erklärt er. In der Produktion könnte die Technik zum Beispiel die Fehlersuche beschleunigen, denkt er. „Ich hoffe, dass KI eines Tages Arbeitsschritte abnimmt und die Arbeitswelt vereinfacht“, sagt auch sein Kollege Deniz Dalgic, der sich zum Industriemechaniker ausbilden lässt. Jeweils rund 15 Auszubildende unterschiedlicher Unternehmen nehmen pro Kurs teil. Inzwischen gibt es nämlich bereits 160 Anmeldungen.
ams Osram-Werksleiter Ingo Hild über KI-Projekt an Universität Augsburg
„Junge Leute stehen KI aufgeschlossen gegenüber und probieren die Technik gerne aus“, sagt Marietta Menner, Leiterin des Bildungsprogramms am KI-Produktionsnetzwerk an der Universität Augsburg. Deshalb habe man bewusst damit begonnen, das KI-Seminar für Auszubildende anzubieten. Kurse für die Fachkräfteweiterbildung könnten später hinzukommen. Geeignet sei das Programm für kaufmännische Berufe genauso wie für Berufe in der Produktion.
ams Osram-Werksleiter Ingo Hild ist froh, dass sein Unternehmen zwei Auszubildende in den KI-Kurs entsenden konnte. Sein Unternehmen nutze KI bereits in der täglichen Produktion, erklärt er. Die KI, die auf einen digitalen Zwilling der Produktion zurückgreift, optimiert die Prozesse. Damit konnte unter anderem der Ausschuss bei Wolfram-Produkten deutlich gesenkt werden. Für Hild ist es deshalb wichtig, dass seine Azubis frühzeitig mit dem Thema KI in Berührung kommen. „Zurück im Betrieb, geben jüngere Kolleginnen und Kollegen ihr Wissen über die Technologie auch an die älteren Mitarbeiter weiter“, sagt Hild. „Beide Seiten profitieren voneinander.“
Auszubildende schätzen die Einblicke in die KI
Die schwäbische Wirtschaft will mit ihrer KI-Ausbildung einen Meilenstein setzen. „In dieser Konstellation ist das Projekt unseres Wissens bundesweit einmalig“, sagt Ausbildungsexperte Fischer. Bisher haben nur die LMU München und die IHK Reutlingen-Stuttgart ein ähnliches Projekt zusammen mit den Berufsschulen ins Leben gerufen.
Die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz im Beruf überhaupt kennenzulernen und auszuprobieren, das steht auch für Deniz Dalgic und Dion Selimi im Vordergrund. Es muss nicht alles sofort funktionieren. „Es ist sehr interessant und hat Spaß gemacht“, sagen beide.