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Augsburg/Manching/Riad
Kauft Saudi-Arabien Eurofighter-Kampfflugzeuge?
Lange hat die Bundesregierung den Export von Eurofightern nach Saudi-Arabien verhindert. Nun zeigt sich Außenministerin Baerbock offen für das Rüstungsgeschäft.
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Foto: Marcus Merk | Deutschland kann sich jetzt doch vorstellen, weitere Eurofighter nach Saudi-Arabien zu verkaufen.
Stefan Stahl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:30 Uhr

Die Machthaber in Saudi-Arabien haben alles gegeben, um auf die schwarze Liste für deutsche Rüstungsexporte zu kommen. So sprechen Erkenntnisse des US-Geheimdienstes CIA dafür, dass der saudische Journalist und Regime-Kritiker Jamal Khashoggi auf Geheiß der Potentaten in Riad von brutalen Handlagern im saudischen Generalkonsulat in Istanbul gefoltert, ermordet und zersägt wurde. Die Überreste sind wohl in einem Koffer aus dem Gebäude weggeschafft worden. Der bestialische Übergriff auf einen aus Sicht der Führung des Landes aufsässigen Menschen hatte die Kritik an Saudi-Arabien verstärkt. Schon seit 2015 führt der wehrhafte Wüstenstaat eine Militär-Allianz an, die in den Konflikt im Nachbarland Jemen eingreift. Unter dem Bürgerkrieg leidet vor allem die Zivilbevölkerung. 

Für Kanzler Olaf Scholz war klar, dass Saudi-Arabien keine weiteren Eurofighter-Kampfflugzeuge, die auch aus in Deutschland gefertigten Komponenten bestehen, bekommen soll. Dabei haben die Scheichs schon 72 der europäischen Maschinen gekauft. Sie hätten gerne 48 weitere Eurofighter und zeigten sich enttäuscht, dass Deutschland die Lieferung blockiert. Die Kampfflugzeuge werden von Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien produziert. Was Saudi-Arabien betrifft, haben die Briten bei Eurofighter-Exportgeschäften das Sagen. Sie würden die Maschinen gerne an das Regime in Riad, mit dem die Regierung in London enge Bande pflegt, liefern. Entsprechend pikiert zeigten sich die britischen Eurofighter-Händler über das strikte Berliner "Nein". 

Die deutsche Eurofighter-Wende hat mit Israel zu tun

Nun hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei ihrer Nahost-Reise das "Nein" überraschend in ein "Warum nicht" verwandelt. Ausgerechnet als Spitzenvertreterin der Grünen zeigt sie sich "offen" für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets nach Saudi-Arabien, Khashoggi und Jemen hin oder her. Die Kehrtwende deutscher Kampfflugzeug-Exportpolitik ist natürlich mit den zuständigen Stellen in der Bundesregierung, allen voran mit Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck abgestimmt. Interessant wirkt, dass Baerbock nach Gesprächen mit Israels Präsident Izchak Herzog die neue Eurofighter-Doktrin erläuterte. Dabei ging sie auf die Tatsache ein, dass Saudi-Arabien Raketen abfängt, die von jemenitischen Huthis auf Israel abgeschossen werden. Das, so die Logik der Außenministerin, trage zur Sicherheit Israels und zur Verhinderung eines Flächenbrandes in der Region bei. Schließlich sagte sie den aus Sicht der Regierung in London entscheidenden Satz: "Gerade deshalb sehen wir nicht, dass wir uns als deutsche Bundesregierung den britischen Überlegungen zu weiteren Eurofightern für Saudi-Arabien entgegenstellen." Baerbock sieht nun ähnlich wie die Engländer die Scheichs aus Riad als Stabilitätsanker im Nahen Osten. Warum sollten Streitkräfte, die auf Israel gerichtete Raketen rechtzeitig abschießen, nicht Eurofighter kaufen dürfen? 

Ein Eurofighter-Deal würde wohl Arbeitsplätze im Raum Augsburg sichern

Die Grünen wären nicht die Grünen, wenn eine solche Rüstungs-Kehrtwende nicht für Stunk sorgen würde. So findet die Co-Vorsitzende der Öko-Partei, Ricarda Lang, "mit Blick auf die Menschenrechtssituation eine Lieferung von Eurofightern nach wie vor falsch". Nicht nur deshalb wollen sich Vertreter betroffener Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu den Aussagen der Außenministerin äußern. Dabei müsste die Freude in Reihen des europäischen Luftfahrt-Konzerns Airbus groß sein. 

Wenn das arabische Land wirklich 48 Kampfflugzeuge bestellt, werden wohl alle technologisch anspruchsvollen Rumpfmittelteile von dem zu Airbus gehörenden Luftfahrtzulieferer Premium Aerotec in Augsburg gebaut und dann im Airbus-Werk in Manching ausgerüstet. Der Saudi-Auftrag würde Arbeitsplätze in der Region absichern. Bei Premium Aerotec arbeiten in Augsburg rund 800 der etwa 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion von militärischen Baugruppen. In Manching bei Ingolstadt sind 5800 Menschen an dem Luftfahrt-Standort beschäftigt. 

Die Reaktionen aus der Industrie auf die Baerbock-Worte fallen bislang gedämpft aus. Das liegt nach Informationen unserer Redaktion auch daran, dass offen ist, ob Saudi-Arabien überhaupt noch Eurofighter kaufen will, nachdem das Land durch das deutsche Veto so lange auf die Folter gespannt wurde. Die Scheichs sind demnach auf Nummer sicher gegangen und können sich auch vorstellen, französische Kampfflugzeuge vom Typ Rafale des Herstellers Dassault zu kaufen. Mehr Klarheit könnte hier die Rüstungsmesse "World Defense Show" in Saudi-Arabien von 4. bis 8. Februar bringen. Branchenkenner erwarten, dass sich die Scheichs dann entscheiden, ob sie auf Eurofighter oder Rafale fliegen. 

 
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