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Berlin
Wie sich Windkraftanlagen recyceln lassen
Tausende neue Windkrafträder sollen in den kommenden Jahren allein in Deutschland gebaut werden. Doch was passiert, wenn die Anlagen ausgedient haben?
Windradhersteller Vestas mit eigener Stromproduktion.jpeg       -  Die Windradhersteller haben viel zu tun, wenn die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau erreicht werden sollen. Hier ein Lagerplatz für neue Rotorblätter der Firma Vestas.
Foto: Patrick Pleul, dpa | Die Windradhersteller haben viel zu tun, wenn die Ziele der Bundesregierung zum Ausbau erreicht werden sollen. Hier ein Lagerplatz für neue Rotorblätter der Firma Vestas.
Matthias Zimmermann
 |  aktualisiert: 09.06.2024 02:31 Uhr

Die Energiewende ist nicht mehr zu stoppen. Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland mindestens 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Eine entscheidende Rolle kommt dabei in den Plänen der Bundesregierung der Windenergie zu. Im vergangenen Jahr betrug die installierte Leistung aller Windenergieanlagen an Land 61 Gigawatt (GW) und auf See 8,5 GW. Bis zum Jahr 2030 soll eine Leistung von 115 GW bei Windenergie an Land und 30 GW bei Windenergie auf See installiert sein. 

Um diese Ziele zu erreichen, müssen Tausende neue Windkraftanlagen errichtet werden. Derzeit wird von einer Lebensdauer der Anlagen von mindestens 20 Jahren ausgegangen. Doch irgendwann müssen all diese Windkraftwerke wieder abgebaut werden. Bereits heute werden alte Windkraftanlagen durch neuere, leistungsfähigere Anlagen ersetzt. Der Ausbau der Windkraft produziert zeitverzögert also auch enorme Mengen Müll.

Der größte Teil der Anlagen ist problemlos in etablierten Recyclingprozessen zu verwerten. Beton aus den Fundamenten und Türmen, Stahl und andere metallische Bestandteile, elektronische Bauteile und Schmiermittel etwa stehen für rund 80 bis 90 Prozent der Masse einer Windkraftanlage. Anders sieht es bei den extremen Belastungen ausgesetzten Rotoren aus. Sie bestehen aus mehreren, fest miteinander verbundenen Materialien. Ein wichtiger Bestandteil sind dabei sogenannte Faserverbundwerkstoffe, Kunststoffe, die mit Glasfasern (GFK) oder Carbonfasern (CFK) verstärkt sind. Außerdem sind in den Rotoren weitere Kunststoffe, Schäume oder Balsaholz enthalten. 

Vor allem die CFK-Bestandteile sind ein Problem

Diese Rotorblätter sind bisher noch ein Problem beim Recycling, da die Materialien nur schwer voneinander getrennt werden können. Das Umweltbundesamt rechnet noch in diesem Jahrzehnt mit einem Abfallaufkommen von jährlich bis zu 20.000 Tonnen Rotorblattmaterial, für die 2030er-Jahre werden bis zu 50.000 Tonnen pro Jahr vorhergesagt. 

Das Deponieren der alten Rotorblätter ist in Deutschland seit dem Jahr 2005 untersagt. Derzeit werden die Blätter in der Regel nach der Demontage vor Ort in sechs bis zwölf Meter große Teilstücke zersägt, um sie einfacher abtransportieren zu können. In speziellen Entsorgungsbetrieben werden sie weiter zerkleinert und stofflich getrennt. Glasfaserverstärkte Kunststoffe werden zu einem großen Teil als Ersatzbrennstoff in der energieintensiven Zementindustrie verwertet. Die Asche kann als Rohsandersatz ebenfalls in der Zementherstellung Verwendung finden. 

Problematischer ist die Verwertung der CFK-Materialien. Wie es in einem Dossier des Bundesverbandes Windenergie (BWE) heißt, können diese Kunststoffe bei der Verbrennung in herkömmlichen Müllverbrennungsanlagen zu Schäden in der Filtertechnik führen, da Kohlenstofffasern Strom leiten. Durch ein spezielles Pyrolyseverfahren können die Carbonfasern technisch aber separiert und zu Carbon-Pellets aufgearbeitet werden. Diese können dann zum Teil für neue Produkte verwendet werden. Doch das Verfahren ist teuer, und um es im großen Stil zu etablieren, braucht es auch Abnehmer für die Recycling-Pellets.

Die Industrie setzt auf Kreislauffähigkeit

Inzwischen ist beim Recycling jedoch einiges in Bewegung geraten. Alle Anlagenhersteller forschen an Rotorblättern, die vollständig wiederverwertet werden können. Siemens Energy hat bereits ein Produkt auf dem Markt, das 2022 erstmals im Offshore-Windpark Kaskasi in der deutschen Nordsee installiert wurde. Wie das Unternehmen auf Anfrage erklärt, haben sich auch andere Windparkbetreiber für die recycelbaren Rotorblätter entschieden. 

Die sogenannten RecyclableBlades sind teurer als herkömmliche Rotorblätter. "Wir rechnen aber damit, dass sich die Preisdifferenz bei steigendem Volumen immer weiter verringert und irgendwann nur noch RecyclableBlades produziert werden", erklärt das Unternehmen. Der Schlüssel zur Kreislauffähigkeit bei den Rotorblättern liegt in der Zusammensetzung des Harzes, das die einzelnen Bestandteile in den Rotorblättern zusammenhält.

"Es hat die gleichen Produkteigenschaften wie das herkömmliche Harz, es lässt sich aber am Ende des Lebenszyklus in einer leicht erhitzten milden Säure, vergleichbar mit Essigsäure, auflösen, sodass die verschiedenen Komponenten und auch das Harz selbst für neue Anwendungen ohne hohen Energie- oder Kosteneinsatz wiederverwertet werden können", erläutert ein Unternehmenssprecher die Technik. 

Aus Abschnitten von Rotorblättern werden Gartenmöbel

Wiedergewonnene Glasfasern könnten etwa in der Automobilindustrie oder bei Konsumgütern wie Flightcases und Flachbildschirmgehäusen eingesetzt werden. Theoretisch denkbar wäre auch ein Umschmelzen und das Herstellen frischer Fasern und Stoffe, die erneut für Windkraftanlagen verwendet werden. Das Harz kann ebenfalls in den Kreislauf zurückfließen. Auch die Carbon-Bestandteile des Blattes lassen sich wiederverwenden. Die Technologie sei auch für den Boots- oder Flugzeugbau interessant, wo ebenfalls viele Verbundwerkstoffe Anwendung finden. 

Auch politisch wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. Bei der Ausschreibung neuer Windparks könnten künftig etwa verstärkt Betreiber zum Zug kommen, die nicht nur zum günstigsten Preis Strom produzieren können, sondern auch andere Kriterien wie etwa Recyclingfähigkeit oder einen geringen CO2-Fußabdruck bei der Produktion der eingesetzten Windkraftanlagen erfüllen. Branchenexperten erklären, dass hier auch ein Hebel liegen könnte, um die europäische Windkraftindustrie vor billigen Importen etwa aus China zu schützen.

Wiederverwendung geht aber auch anders. Das Dresdner Unternehmen Wings for Living etwa baut aus Abschnitten von Rotorblättern Gartenmöbel. Das niederländische Designstudio Blademade entwirft Kinderspielplätze, Kletterwände und Lärmschutzwände aus Flügelteilen. Im Netzwerk Re-Wind suchen Forscherinnen und Forscher nach weiteren Möglichkeiten, alten Rotorblättern neues Leben zu verleihen, etwa als Plattform für schwimmende Solaranlagen, Brücken oder als Überdachung für Fahrradständer.

 
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