Ein Jubiläum ist normalerweise Grund zum Feiern. Zum 50. Mal fand am Donnerstag das Konjunkturgespräch der Industrie- und Handelskammer Schwaben und der Universität Augsburg statt. Doch zum Feiern ist derzeit in der Unternehmerschaft nur wenigen zumute. Die wirtschaftliche Lage ist zu bescheiden. Das zeigten neue Zahlen der Europäischen Union. Sie hat ihre Konjunkturaussichten für dieses Jahr zum dritten Mal in Folge gesenkt und erwartet nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent. Deutschland kann von diesem Wert nur träumen, hier sind die Aussichten mit 0,3 Prozent noch trüber.
"Die deutsche Wirtschaft ist in der Corona-Krise nicht so stark eingebrochen wie in anderen Ländern", erklärte Ifo-Chef Clemens Fuest in den Räumen der IHK die Situation. "Wir haben uns danach aber auch nicht wirklich erholt", sagte er vor zahlreichen Gästen. Im Laufe der Jahre fehlten Deutschland inzwischen sieben Prozent Wachstum. "Wo würden wir heute stehen, wenn wir ein sieben Prozent höheres Bruttoinlandsprodukt hätten? Auf jeden Fall müssten wir den Bauern nicht sagen, dass sie keinen billigen Agrar-Diesel mehr bekommen. Wir würden sagen: geschenkt!", sagte der Forscher.
Fuest: Deutschlands Verschuldung ist in Wirklichkeit größer
Vorstößen, die Schuldenbremse im Grundgesetz zu reformieren, um dem Staat mehr Spielraum für Ausgaben, vor allem für Investitionen, zu geben, wies der Forscher aber zurück. Fuest nannte mehrere Gründe. Erstens sei der Schuldenstand Deutschlands größer als die genannten 66 Prozent im Jahr 2022, wenn man die künftigen Pensionsverpflichtungen gegenüber Beamten und der Sozialversicherung berücksichtige. Zweitens zahlten Länder mit einer bindenden Verschuldungsregel weniger Zinsen. Drittens seien Schulden "unsozial", da in der Zukunft die Zinszahlungen meist zulasten von sozialen Leistungen gehen. Und viertens zeige sich, dass Länder mit bindenden Schuldenregeln höheres Wachstum aufweisen.
Fuest plädierte dafür, die bisherige Schuldenregel zu belassen. Diese erlaubt durchaus höhere Schulden - allerdings laut Grundgesetz nur bei Naturkatastrophen und anderen Notlagen. Wollte die Politik für Investitionen - zum Beispiel in die Infrastruktur oder die Digitalisierung - zusätzliche Gelder bereitstellen, rät er zu einem Sondervermögen. "Ich finde es legitim, in der jetzigen Situation ein paar Schulden zu machen", sagte Fuest. Nötig sei dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. "Regierung und Union sollten sich zusammensetzen und eine Einigung finden", rät er. Statt die Schuldenbremse im Grundgesetz zu reformieren, sei es der bessere Weg, die Spielräume zu nutzen, die es schon gebe.
Reinhold Braun, IHK: "Leistung muss sich lohnen"
Strukturreformen mahnte Reinhold Braun an, seit Januar Präsident der IHK Schwaben. "Investitionen müssen sich lohnen – Leistung muss sich lohnen! Der Staat sollte sich bei der Wahl seiner Steuerungsinstrumente auf wenige beschränken. Dann können die Akteure des Marktes zielgerichtet handeln", sagte Braun. Er forderte einen neuen Zugang zum Klimaschutz: "Der CO2-Preis als marktgängiges Instrument findet unternehmerische Akzeptanz – die heutige Vielzahl an Steuerungsgrößen tut es nicht."
Zudem machte er Druck bei dem Thema Bürokratie: "Wir brauchen die Entlastung von der Vielzahl an Vorschriften, Detailregulierungen, Dokumentationspflichten!" Dem letzten Bericht des Normenkontrollrats zufolge sind die Belastungen von Unternehmen, Behörden und Bürgern durch staatliche Regelungen um 9,3 Milliarden Euro pro Jahr und einmalig um 23,7 Milliarden Euro gestiegen. Braun wünscht sich schnelle Bürokratie-Entlastungen: "Meine Hoffnung ist, dass die Regierung in ihrer verbleibenden Zeit noch wirkliche Akzente in diesem Thema setzen kann."