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Kaltenberg/Regensburg
Prinz Luitpold: "Wir müssen weg vom Staatsdirigismus"
In Deutschland regelt zu viel der Staat, sagt Luitpold Prinz von Bayern. Der Landesvorsitzende der Familienunternehmer erklärt, wo der Fokus bei den Ausgaben liegen solle.
Michael Kerler
 |  aktualisiert: 03.07.2024 02:46 Uhr

"Ich mache mir Sorgen um die deutsche Wirtschaft", hatten Sie vor einem Jahr gesagt. Die Situation ist nicht unbedingt besser geworden, oder?

Prinz Luitpold: Damals war bereits zu sehen, dass es in eine gefährliche Richtung läuft. Leider hat sich dies in dem Jahr verstärkt. Wir müssen weg von Staatsdirigismus, hin zu sozialer Marktwirtschaft. Wir haben mit der Ampel eine Regierung, die sehr stark ideologisch geprägt ist. Darunter sind sozialistische Ideen, dass der Staat der bessere Unternehmer und der bessere Fürsorger ist. 

Sozialistische Ideen?

Prinz Luitpold: Mit etwas Abstand sehen wir, dass unser Staat leider zunehmend dirigistisch wird und an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Das ist das Gegenteil sozialer Marktwirtschaft, in der Rahmenbedingungen vorgegeben werden und der Vermögensaufbau der Bürger unterstützt wird. Im Sozialismus zieht der Staat Vermögen an sich, um es nach Gutsherrenart an das Volk zu verteilen. Dass dieses Modell schiefgeht, haben wir in der DDR gesehen. Und eine DDR 2.0 ist kein wünschenswertes Erfolgsmodell. 

Haben Sie ein Beispiel?

Prinz Luitpold: Die Staatsquote in Deutschland hat einen immer größeren Anteil am Volkseinkommen. Dem Arbeiter nimmt man über die Lohnsteuer Geld weg, um es dann über die Sozialsysteme zuzuteilen. Beispielsweise als Bürgergeld, Rente oder Kindergeld. All diese schönen Leistungen gehen auf Kosten des Lohns und des freien Eigentums. 

Wo wäre das Geld besser eingesetzt?

Prinz Luitpold: Eine Regierung müsste die Digitalisierung der Verwaltung mit höchster Priorität durchsetzen. Das kostet Geld, wäre aber eine Investition in die Zukunft, die hilft, die Personalkosten zu senken. Was macht aber die Regierung? Sie bringt die Digitalisierung nicht weiter, stellt aber Tausende zusätzliche Beamte ein und treibt die Personalkosten in die Höhe. Die Bundesverwaltung ist seit dem Wahljahr 2021 um mehr als 10.000 Stellen angewachsen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lobt sein Team, dass es gute Arbeit macht – das ist auch so, das sei ihm gegönnt –, gleichzeitig fordert er aber noch mehr Stellen. Zudem fehlen diese Beamten der Wirtschaft als Fachkräfte.

Der Arbeitskräftemangel hat aber auch andere Ursachen, oder?

Prinz Luitpold: Eine andere Ursache ist die geringe Lebensarbeitszeit. Die Lebensarbeitszeit in Deutschland liegt 20 Prozent niedriger als in der Schweiz. Die Zeiten sind vorbei, als die Schweiz teuer war, die Schweiz produziert heute günstiger als Deutschland. Das Ergebnis ist, dass Unternehmen ihre Produktion in die Schweiz verlagern, beispielsweise der Sägehersteller Stihl. Das ist ein Armutszeugnis für unser Land. 

Gäbe es noch andere Bereiche, wo der Staat sein Geld klüger investieren kann?

Prinz Luitpold: Ich mache mir Sorgen um die Schulen. Viele Schulen entsprechen nicht mehr internationalem Standard. Das Leistungsniveau sinkt, weil wir versuchen, jeden durchzubringen, statt Exzellenz zu fördern. Das ist nett, hilft aber nicht, wenn man wirtschaftlich an der Weltspitze mitspielen will. Ein Land, das kaum Rohstoffe hat und von der Kraft seiner Mitarbeiter lebt, kann sich das nicht leisten. Noch ein Thema treibt mich um ...

Nämlich?

Prinz Luitpold: Die Wohnungsnot. Deutschland ist stolz auf seine hohen Löhne, schaut man sich dagegen das Vermögen an, stehen andere Länder wie Italien oder Spanien besser da, weil die Menschen dort in den eigenen Häusern und Wohnungen leben. In Deutschland wohnt ein großer Teil der Bevölkerung zur Miete. Und Mietwohnungen sind auch noch knapp. 

Wo sehen Sie den Ausweg aus der Wohnungsnot?

Prinz Luitpold: Der Staat müsste es den Bürgern ermöglichen, bereits am Beginn ihres Berufslebens Eigentum zu erwerben – eine Wohnung oder ein Haus. Dafür brauchen wir eine staatliche Eigenkapitalgarantie. 

Das müssen Sie erklären ...

Prinz Luitpold: Bisher ist es so, dass man am Anfang des Berufslebens kaum Eigenkapital und kaum Sicherheiten hat. Deshalb zahlt man 30 Jahre in die Bausparkasse ein, kauft mit 45 eine Immobilie und ist mit viel Glück mit Rentenbeginn schuldenfrei. In der Zwischenzeit zahlt man zwei Jahrzehnte lang Miete. Könnte man dieses Geld in die Immobilie einsetzen, wäre man viel schneller schuldenfrei. Damit die Bank aber diesen Kredit bewilligt, müsste der Staat eine Garantie dafür abgeben. Die Immobilie hat er als Sicherheit. Die Menschen hätten am Ende weniger Probleme in der Rente – und die Bauwirtschaft würde blühen. 

Die Regierung ringt gerade um die Finanzierung des Haushalts. Wo würden Sie aus Sicht der Familienunternehmer ansetzen?

Prinz Luitpold: Wir dürfen den Sozialstaat nicht weiter aufblähen. Am Schluss muss alles über Steuern bezahlt werden. Wenn unsere Steuereinnahmen sinken, weil unsere Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt nicht mehr gegeben ist, können wir uns den Sozialstaat eines Tages nicht mehr leisten. Ideen wie Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Zwangshypotheken bringen keinen Ausweg: Entzieht man der Wirtschaft das Kapital, kommt der Zusammenbruch noch schneller. Diesen einfachen Mechanismus haben manche Herren und Damen in der Politik nicht verstanden. 

Ein Thema des anstehenden Kongresses der Familienunternehmer ist Bürokratie. Was regt Sie am meisten auf?

Prinz Luitpold: Es gibt Landes-, Bundes- und EU-Bürokratie. Bei der Landesbürokratie kann man noch einigermaßen zuversichtlich sein, dass sich etwas ändert... 

Ministerpräsident Markus Söder hat in der Regierungserklärung einen Bürokratieabbau angekündigt.

Prinz Luitpold: Vielleicht ändert sich etwas. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bei der EU-Bürokratie ist es so, dass wir in Deutschland die Gesetze zu 120 Prozent umsetzen. Das Lieferkettengesetz ist undurchführbar, weil jedes große Unternehmen die Nachweispflichten an die kleinen Zulieferer weitergibt. Die Regulierung steigt, weil man die Wirtschaft immer stärker mit Argwohn betrachtet. Das ist der Tod des Mittelstandes. Dabei ist die Wirtschaft der Motor, nicht die Verwaltung. Geht der Motor kaputt, kollabiert das System. In den Sozialsystemen sind wir kurz vor dem Kollaps. Jeder Versicherungsmathematiker kann ausrechnen, dass es mit einer Rente mit 65 oder 67 nicht mehr geht, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen.

Aber wird nicht die Unzufriedenheit in der Bevölkerung eher zunehmen, wenn alle bis 69, 70 oder länger arbeiten sollen?

Prinz Luitpold: Ich kenne sehr viele, die mit großer Freude länger arbeiten. Es muss ja nicht in Vollzeit sein. Facharbeiter, die im Alter ihren Betrieb an zwei oder drei Tagen in der Woche mit ihrer Erfahrung unterstützen, wären ein enormer Zugewinn. Nicht jeder will in der Rente nur vor dem Fernseher sitzen. Dafür muss man den Extra-Verdienst im Alter aber auch bei der Einkommensteuer entlasten. Es muss sich lohnen. 

Sie haben den Landesverband der Familienunternehmer zwei Amtsperioden lang geführt und können nun nicht mehr kandidieren. Wie haben Sie die Zeit erlebt?

Prinz Luitpold: Mit Corona habe ich eine komplizierte Zeit erwischt. Ich denke aber, dass die Bedeutung der Familienunternehmer in Politik und Gesellschaft deutlicher geworden ist. Wir stehen für 70 Prozent der Arbeitsplätze. Familienunternehmen denken in Generationen, nicht in Quartalszahlen. In Bayern, aber zunehmend auch im Bund klappt es ganz gut, dass man unsere Stimme hört. 

Wobei wollen Sie gehört werden?

Prinz Luitpold: Spricht man mit Vertretern anderer Länder, sieht man, dass das gute Deutschlandbild von früher sehr leidet. Wir waren früher das Industrieland mit den besten Maschinen und der größten Zuverlässigkeit. Heute brauchen wir 20 Jahre, um einen Bahnhof zu bauen, die Regierungsflieger funktionieren nicht mehr, von einem Streik geraten wir in den anderen. Wir müssen zurück zu unseren Wurzeln, sonst werden wir zur Lachnummer.

Wo liegen die Chancen unseres Landes?

Prinz Luitpold: Unsere Universitäten sind immer noch gut, bei den Forschungsinstituten wie der Max-Planck-Gesellschaft oder dem Fraunhofer-Institut sind wir führend. Deutschland ist in der Biotechnologie oder der Chemie noch immer eine Nummer. Verknüpft man künstliche Intelligenz und Quantencomputer, kann dies einen riesigen Schub bringen. 

Die Unzufriedenheit steigt auch in anderen Ländern. Wie sehen Sie den Rechtsruck bei der Europawahl?

Prinz Luitpold: Nationalismus ist eine gefährliche Entwicklung und hat zu vielen Kriegen geführt. Die lange Friedensperiode hängt maßgeblich damit zusammen, weil wir die Grenzen eingerissen und zusammengearbeitet haben. Noch heute ist Europa der stärkste Wirtschaftsblock der Welt. Das dürfen wir nicht gefährden. 

Müssen wir angesichts des Krieges gegen die Ukraine nicht das Thema Verteidigung nach vorne rücken?

Prinz Luitpold: Ohne Verteidigungsfähigkeit wird Europa nicht überleben können. Wir können uns nicht immer auf die USA verlassen. Die Drohung eines Atomkrieges ist so groß, dass es für Russland leider funktioniert, in einer Salamitaktik Territorium an sich zu ziehen. Zur Verteidigungsfähigkeit fehlt uns aber Munition, Personal und wir sind immer noch dabei, Kasernen aufzugeben. In den USA war die Militärforschung immer einer der größten Treiber des Fortschritts. Dem muss Europa nacheifern. Wenn Europa über tausend Milliarden an Corona-Hilfen aufbringen konnte, muss das auch für Verteidigung möglich sein. Ich kann mir dabei auch die Beteiligung privaten Kapitals vorstellen. Das wäre ein richtiger Wumms für Forschung und Industrie. 

Das Unternehmen Ihrer Familie richtet die Ritterspiele in Kaltenberg aus und betreibt die Schlossbrauerei. Wie sieht bei Ihnen die Übergabe an die nächste Generation aus?

Prinz Luitpold: Es muss jemand da sein, der Freude am Geschäft hat. Mein Sohn, Prinz Heinrich, hat seit Längerem die Organisation der Ritterspiele und einen Teil des operativen Geschäfts übernommen. Ich kümmere mich nach wir vor um die internationale Expansion im Getränkebereich und Nymphenburg. Dazu kommt noch Land und Forst, damit bin ich ganz gut ausgelastet. 

Sie ziehen derzeit auf Schloss Bullachberg im Allgäu um. Warum eigentlich, Kaltenberg ist doch auch schön?

Prinz Luitpold: Zum einen war es eine Opportunität, dass der Wittelsbacher Ausgleichsfonds zur Entwicklung von Hohenschwangau Flächen erwerben konnte. Die Villa in Bullachberg musste mitgekauft werden. Zum anderen haben meine Kinder inzwischen selbst Kinder und wohnen auf Kaltenberg. Das bedeutet, man muss auch Platz schaffen. Und schließlich ist Bullachberg ein ruhigerer Standort. Ich kenne die Gegend, die Menschen. Ich war früher sehr oft im Urlaub in Hohenschwangau. Ein paar Tage in der Woche werde ich Homeoffice machen, obwohl das nicht meine liebste Lösung ist. Drei bis vier Tage in der Woche werde ich in Kaltenberg im Büro sein. 

Sie müssen dort Miete zahlen. Was kostet die Miete für ein kleines Schloss?

Prinz Luitpold: Ich zahle eine marktübliche Miete. Es ist nicht wenig. 

Zur Person: Luitpold Prinz von Bayern, geboren 1951 in Starnberg, ist Urenkel des letzten Königs von Bayern, Ludwigs III. Der Jurist ist Landesvorsitzender des Verbandes „Die Familienunternehmer“, der am Donnerstag in Regensburg seinen Kongress abhält. Seine Familie betreibt die Brauerei Kaltenberg und richtet dort die jährlichen Ritterfestspiele aus.

 
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