Steigende Zinsen und eine schwierigere wirtschaftliche Lage haben den Immobilienmarkt auf Talfahrt geschickt. Weniger Bürgerinnen und Bürger kaufen sich eine Wohnung oder ein Haus. Um 7,2 Prozent fielen die Immobilienpreise in Deutschland im vierten Quartal 2023, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Dies meldete der Verband deutscher Pfandbriefbanken am Montag auf Basis der Daten von über 700 Kreditinstituten. Zum Verband gehören Institute wie die Commerzbank und die Deutsche Bank. Der Preis von Eigenheimen und Eigentumswohnungen gab um 5,8 Prozent nach, Mehrfamilienhäuser wurden deutschlandweit im Schnitt 6,3 Prozent günstiger. Gewerbeimmobilien stehen noch stärker unter Druck, hier gab der Preis um 12,1 Prozent nach.
IfW: Noch nie seit Beginn der Auswertung in den 60er-Jahren fielen Preise so stark
Die Immobilienpreise seien in einem "historisch einmaligen Ausmaß gefallen", berichtete kürzlich auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Das IfW hat sich zusammen mit den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte die Preisentwicklung in 19 Städten angesehen, darunter München, Stuttgart und Berlin. Der Rückgang fiel hier noch deutlicher aus. Auf das Gesamtjahr 2023 gesehen seien die Preise im Vergleich zum Vorjahr für Eigentumswohnungen um 8,9 Prozent gefallen, für Einfamilienhäuser um 11,3 Prozent und für Mehrfamilienhäuser um 20,1 Prozent. "Noch nie seit Beginn der Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse in den 60er-Jahren fielen Immobilienpreise so schnell so stark", berichtete das IfW. Daten für Augsburg oder Würzburg wurden nicht ausgewertet.
In den Jahren davor waren die Kosten für ein Haus oder eine Wohnung allerdings auch explodiert: "Dem jüngsten Preisverfall vorausgegangen ist eine historisch ebenfalls einmalige Preisrallye seit circa 2009", so das IfW. Die Preise seien um das Drei- bis Vierfache gestiegen, "ehe 2022 der jähe Absturz begann". Genauso sieht es Professor Stephan Kippes, Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbandes Deutschland (IVD Süd). "Wir hatten zwölf bis dreizehn Jahre einen Anstieg der Immobilienpreise erlebt, dies war völlig atypisch", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Grund seien die historisch niedrigen Zinsen gewesen. Lange Jahre sei eine Immobilienfinanzierung zu 0,8 Prozent Zins möglich gewesen. Damit ließen sich die stark steigenden Preise finanzieren. Als dann die Bauzinsen abrupt auf rund 4 Prozent stiegen, brach die Nachfrage ein.
Auch die Landesbausparkasse LBS Süd beobachtet in ihrem Geschäftsgebiet Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz einen Rückgang der Immobilienpreise - "allerdings variierend nach Region, Lage und Objektart", sagt Sprecher Tilman Sanner. So zeige sich beispielsweise bei den in Bayern von der Sparkassen-Immobilien-Vermittlungs-GmbH vermittelten gebrauchten Wohnimmobilien seit der Preisspitze Mitte 2022 bis Ende 2023 ein deutlicher Rückgang des Preisniveaus. "Damit wurde das seit 2010 währende Wachstum des Immobilienmarktes gestoppt und wir liegen aktuell wieder auf dem Preisniveau von 2020", erklärt er.
Experten halten Korrektur bei den Immobilienpreisen nach der Preisrallye für angebracht
Nach der Preisrallye halten Experten die Korrektur sogar für gesund: "Angesichts des exorbitanten Preisanstiegs seit über zehn Jahren und einem neuen Zinsumfeld ist eine Phase der Preiskorrektur durchaus angebracht", sagt IfW-Präsident Moritz Schularick.
Mit den Preisen geben auch die Umsätze nach. "Im vergangenen Jahr sind die Immobilienumsätze in Bayern um 32,1 Prozent gefallen, das ist schon beachtlich", sagt Kippes. Für Bauträger und Verkäufer ist die Situation schlecht. Wurden im Jahr 2021 noch Immobilien im Wert von 72,0 Milliarden Euro in Bayern verkauft, waren es 2023 nur noch 44,6 Milliarden. Wer aber eine Wohnung oder ein Haus kaufen will, hat Vorteile: "Kaufinteressenten haben eine breitere Auswahl, auch über den Preis kann man wieder reden", beschreibt es Kippes.
Zeichnet sich eine Stabilisierung bei den Preisen ab?
Die größte Preiskorrektur könnte allerdings schon stattgefunden haben. Das IfW hat beobachtet, dass die Preise im letzten Quartal 2023 gegenüber dem dritten Quartal nur noch leicht gefallen sind, Eigentumswohnungen verbilligten sich zum Beispiel nur noch um 0,6 Prozent. "Möglicherweise zeigt sich gerade der Beginn einer Bodenbildung bei den Immobilienpreisen", meinte IfW-Präsident Schularick. Sinkende Zinsen könnten dazu führen, dass die Immobilienfinanzierung günstiger werde und die Nachfrage zurückkommt. "Dies werden aber erst die kommenden Quartale zeigen", fügt er an.
Eine Stabilisierung der Preise hält auch Immobilienfachmann Kippes für möglich: "Dem Markt tut es gut, dass die Immobilienzinsen ein Stück weit zurückgegangen sind und die Zentralbanken eher über Zinssenkungen als über einen weiteren Anstieg reden", sagt auch er. Im hinteren Bereich des dunklen Tunnels könnte langsam Licht für die Immobilienwirtschaft aufscheinen.
Ein Ende der Preis-Talfahrt zeichnet sich auch aus Sicht der Landesbausparkasse LBS Süd ab: "Für das laufende Jahr gehen wir auch aufgrund der leicht rückläufigen Bauzinsen und der gesunkenen Inflation von einem Abflachen des Preisverfalls und einer Seitwärtsbewegung der Immobilienpreise aus", sagt LBS-Sprecher Tilmann Sanner. "Insgesamt hat insbesondere der energetische Zustand eines Gebäudes für potentielle Käufer deutlich an Bedeutung gewonnen", erklärt er. "Deshalb rechnen wir vor allem bei Immobilien in einem schlechten energetischen Zustand mit geringerem Käuferinteresse und Preisabschlägen." In Nordrhein-Westfalen meldete die LBS zuletzt sogar schon leicht steigende Preise für Eigentumswohnungen.
Skeptischer sind noch die Pfandbriefbanken: "Eine Trendwende bei den Immobilienpreisen ist noch nicht absehbar", sagte Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Abwärtstendenzen sollten sich aber im Laufe des Jahres abmildern. Mit einer Stabilisierung der Preise für Wohnimmobilien könne im kommenden Sommer gerechnet werden, bei den Gewerbeimmobilien allerdings nicht vor Ende des Jahres.