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Nordendorf
Wie sich eine Käserei gegen die Folgen der Flut stemmt
Eineinhalb Meter hoch stand das Wasser in der Käserei Reißler im Augsburger Land. Doch Besitzer Stefan Kaiser denkt nicht ans Aufgeben.
Stefanie Brand
 |  aktualisiert: 29.06.2024 02:51 Uhr

Gerne hätte Stefan Kaiser, der Chef der Käserei Reißler in Nordendorf, seine Erfolgsgeschichte so weitergeschrieben, wie sie begonnen hat: Im Jahr 2007 hat er die Landkäserei Reißler im Biberbacher Ortsteil Affaltern übernommen, in der bereits seit 1922 Käse hergestellt wurde. Fünf Jahre später ging es für die Landkäserei Reißler zurück in Kaisers Heimat. Mit etwa zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 400.000 Euro zog die Käserei im Jahr 2012 nach Nordendorf um. Zum 100-jährigen Jubiläum der Landkäserei Reißler, im Jahr 2022, brachte der ambitionierte Käsemeister seine eigene Marke auf den Markt: den Kaiserkäse. 

Hätte Kaiser am 1. Juni ein Interview gegeben, hätte er von 90 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 20 Millionen Euro gesprochen und sich stolz als "Handwerksbetrieb" beschrieben, in dem hochwertiger Weichkäse produziert und Käse mit Blüten, Rotwein und anderen Produkten veredelt wird, was im Fachjargon "Affinieren" heißt. Joghurt und Ayran hat die Käserei auch im Sortiment. 

Eineinhalb Meter hoch stand das Wasser in der Käserei

Doch der 2. Juni hat für Kaiser, seine Familie und für die allermeisten Menschen in Nordendorf alles verändert. Die Schmutter wurde vom beschaulichen Bach, der neben der Käserei floss, zu einem reißenden Fluss. Doch die Sandsäcke, die die Nordendorfer Bürgerinnen und Bürger aufgetürmt haben, um ihren Ort zu retten, konnten den Wassermassen nicht standhalten. Das Wasser flutete auch Kaisers Hof. Die Produktionsstätte der Käserei samt Käseladen wurden zerstört. Am Wohnhaus sowie am Haus seiner Eltern entstand ein Schaden im sechsstelligen Bereich, lautet Kaisers erste Schätzung. Etwa eineinhalb Meter hoch stand das Wasser dort, wo eigentlich Käse gemacht werden sollte.

Schon eine Woche nach der Zwangsevakuierung hat Kaiser die Produktion wieder aufgenommen. Allerdings nicht in den eigenen Räumen. Am 10. Juni liefen die ersten Produkte – nach eigenem Rezept und teilweise sogar produziert von den eigenen Mitarbeitenden – von den Bändern der Partnerbetriebe. Molkerei- und Käsereibetrieben in Schwaben und Oberbayern haben der Landkäserei ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, ein weiterer Betrieb soll noch folgen. 

Das Gebäude muss in den Rohbauzustand zurückversetzt werden

Bis Ende Juni will Kaiser bereits wieder 80 Prozent des geplanten Umsatzes erreichen. Noch wird nur ein abgespecktes Sortiment produziert. Bis Ende Juli will die Käserei wieder den Großteil der Produkte anbieten können. Die Kunden hätten sich solidarisch und verständnisvoll gezeigt, erzählt Kaiser. Das ist für Kaiser auch ein wichtiger Teil der Erklärung, warum der Neustart so schnell geglückt ist. Dazu zählt er aber auch die Liebe zum Produkt und zum Ort und das Engagement der Mitarbeitenden sowie jede Menge Helfer. 

Der Blick in die einstige Produktionshalle – dort, wo sich gerade Rohre türmen, die in einem Lebensmittelbetrieb künftig nicht mehr verwendet werden dürfen – schmerzt den Unternehmer sichtlich. Helfende schleppen aus der ehemaligen Käserei, was durch das Hochwasser zerstört wurde – und das ist jede Menge. Die Schäden liegen im zweistelligen Millionenbereich. Böden, Wände, Rohrleitungen, Maschinen und Technik mussten raus. "Das ganze Gebäude muss in den Rohbauzustand zurückversetzt werden", berichten Stefan Kaiser und sein Vater Wolfgang Kaiser. Wie lang die Sanierung dauert, ist noch unklar. 

Lob zollt der Unternehmer der Politik. Sowohl Nordendorfs Bürgermeister Tobias Kunz als auch Minister wie Hubert Aiwanger und Fabian Mehring – mit denen vor allem fernab des Presserummels gute Gespräche geführt worden seien – seien eine Stütze. Das Wirtschaftsministerium stehe im Kontakt zum Betrieb. Auch die Versicherung habe schnell reagiert, sodass kurzfristig Leistungen abrufbar waren. Wichtig ist das auch für die Belegschaft, die weiterhin ihren Lohn erhält, auch wenn der Alltag in Nordendorf sonst weit entfernt ist von dem, was einst Normalität war. 

 
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