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Garching
Bayern wird zu einem Hotspot für Quantencomputer
Bund und Freistaat fördern die neue Technik mit Hunderten Millionen Euro. In und um München werden nun die ersten Resultate sichtbar.
Matthias Zimmermann
 |  aktualisiert: 30.06.2024 02:34 Uhr

"Laptop und Lederhose" ist als Slogan etwas aus der Mode gekommen. Was er in griffige Worte zu fassen versucht, gilt aber weiterhin: In Garching bei München ist nun erstmals ein Quantencomputer erfolgreich in einen Höchstleistungsrechner integriert worden. Anfang der Woche wurde das vom Bundesforschungsministerium mit 40 Millionen Euro geförderte Projekt der Öffentlichkeit präsentiert. Am Freitag weihte das deutsch-finnische Unternehmen IQM in München sein erstes Quanten-Rechenzentrum ein. Bayern setzt weiter auf Hightech um seine Rolle als führender Wirtschaftsstandort auszubauen. 

Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) betreibt in Garching mit dem Super-Muc NG einen der schnellsten Supercomputer Deutschlands. Wissenschaftler können dort komplexe Rechenaufgaben bearbeiten lassen und so zum Beispiel simulieren, wie sich Strömungen verhalten oder Erdbeben ausbreiten. Doch auch die schnellsten Supercomputer könnten in nicht so ferner Zukunft in bestimmten Bereichen von neuen Rechnern in den Schatten gestellt werden.

Weltweit wird an sogenannten Quantencomputern geforscht, deren Rechenleistung alle bisherigen Systeme bei Weitem übertreffen soll. In der Breite kommt die Technik trotz rasanter Fortschritte noch nicht zur Anwendung. Deutschland ist bei der Forschung aber im internationalen Spitzenfeld dabei, und wichtige Beiträge kommen aus Bayern. Gebündelt werden die Aktivitäten im Munich Quantum Valley (MQV), einem Zusammenschluss von Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, das der Freistaat im Rahmen seiner Hightech-Offensive mit Millionenbeträgen fördert. 

Hightech in Bayern: Es geht auch um technologische Souveränität

Die Wege im MQV sind kurz, hier gibt es die gefragten Spezialisten und aus der Staatskanzlei kommt bei Bedarf Rückenwind in Berlin, wie bei der Genehmigung des Leuchtturm-Projekts am LRZ. Auch IQM, einer der weltweit führenden Anbieter von Quantencomputern, hat seinen wichtigsten Standort außerhalb Finnlands an der Isar. Unternehmenschef Jan Goetz bekräftigt auf Nachfrage die Bedeutung des Zusammenschlusses: "Ich bin sehr viel unterwegs. Das MQV ist mittlerweile weltweit ein Begriff."

Die Spitzentechnologie im riesigen Rechnerkubus am LRZ sieht auf den ersten Blick recht gewöhnlich aus: Ein runder weißer Container, der von einem Metallgestell nach unten hängt. Daneben ein Rechenschrank, viele Kabel und ein Flasche mit flüssigem Stickstoff. "Ein Super-Kühlschrank mit einem winzigen Computerchip darin", so beschreibt Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) den Aufbau bei seinem Rundgang mit LRZ-Chef Dieter Kranzlmüller und Jan Goetz, dessen Unternehmen auch den Quantencomputer am LRZ geliefert hat. Entscheidender ist aber, was in dem 25-Millionen-Euro-Gerät passiert, das so unscheinbar neben dem riesigen, laut aus allen Lüftern blasenden Supercomputer steht.

Quantencomputer funktionieren nach einem völlig anderen Prinzip als bisherige Computer. Egal, ob Super-Muc NG oder handelsüblicher Laptop: Informationseinheit sind für herkömmliche Systeme Bits, die entweder den Wert 0 oder 1 haben. Quantencomputer rechnen mittels Qubits. Das sind kleinste Teile – Atome, Ionen oder Elektronen –, die zur gleichen Zeit beide Werte annehmen können. 

Ein Quantencomputer kann bislang unlösbare Probleme lösen

Experten erklären das gerne ganz plastisch anhand einer Münze. Sie kann entweder Kopf oder Zahl anzeigen, also 0 oder 1 wie bei einem klassischen Rechner. Bei einem Qubit dreht sich die Münze quasi rasend schnell um sich selbst und zeigt somit zu jeder Zeit beide Zustände an. 

Diese Qubits sind in einem Quantencomputer miteinander verbunden, also verschränkt. Wenn man ein Qubit verändert, ändert sich gleichzeitig das mit ihm verschränkte, egal, wie weit es räumlich von ihm entfernt ist. Mit jedem Qubit verdoppelt sich die Anzahl der Informationen, die im System verarbeitet werden können. Das erklärt, warum Quantencomputer einmal Aufgaben lösen sollen, an denen klassische Computer scheitern. 

Die große Herausforderung für das Team mit Expertinnen und Experten mehrerer Partner ist es nun, die beiden Rechner so zu programmieren und aufeinander abzustimmen, dass sie künftig selbstständig Rechenaufgaben so aufteilen, dass die jeweiligen Stärken voll zur Geltung kommen. Gemeinsam können der herkömmliche Supercomputer und der 20 Qubit-Quantencomputer dann Probleme lösen, die bisher nur schwer oder sehr langwierig zu berechnen sind. Ganz so weit ist das Team am LRZ aber noch nicht. 

Den Fahrplan der Deutschen Bahn optimieren

Der Quantencomputer am LRZ muss konstant auf minus 273 Grad gekühlt werden. Es gibt aber Quantencomputer, die nach ganz anderen technischen Prinzipien funktionieren. Auch solche Geräte hat das LRZ. Welche Technik sich am Ende durchsetzt, ist noch offen. "Es kann durchaus sein, dass wir in Zukunft verschiedene Technologien für verschiedene Anwendungen nutzen", erklärt Kranzlmüller. Seine Hoffnung ist aber, dass viele Grundlagen für alle Techniken nur einmal erarbeitet werden müssen.

IQM ist zwar noch immer ein Start-up und auf Kapitalgeber angewiesen. Mitbegründer Goetz sieht sein Unternehmen aber gut gerüstet für weiteres Wachstum. Der Rechnerkauf durch das LRZ war ein weiterer kommerzieller Auftrag. Nun entwickle man hier mit einem Netzwerk von Experten die Technik weiter. Neben dem Verkauf von Quantenrechnern will IQM aber auch auf das Anbieten von Rechenzeit auf eigenen Quantenrechner setzen. Darum hat das Unternehmen in München sein erstes Rechenzentrum errichtet. Zum Start betreibt IQM dort drei Quantencomputer, später sollen es bis zu zwölf werden.

Große Unternehmen wie etwa Airbus oder BMW hätten längst eigene Quantenteams und prüften, für welche Anwendungen sie die Technik nutzen können, sagt Goetz. "Ein plastisches Beispiel für eine Quantencomputer-Aufgabe wäre etwa die Optimierung des Fahrplans der Deutschen Bahn. Es gibt zwar nur eine begrenzte Anzahl von Zügen und Gleisen, aber eine riesige Menge an Möglichkeiten", erklärt er das Potenzial. Weitere Anwendungen seien etwa die Entwicklung neuer Materialien oder die Beschleunigung bestimmter Formen von künstlicher Intelligenz.

 
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