
Mit Sport lassen sich gute Geschäfte machen. Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) lag der sportbezogene Anteil am Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2018 bei 2,3 Prozent. Das entsprach immerhin über 70 Milliarden Euro. In diesen Wert fließen allerdings so unterschiedliche Wirtschaftsaktivitäten ein wie der Handel mit Sportartikeln, der Bau von Sportstätten oder die Umsätze aus Bereichen wie Rechtehandel und Marketing.
Ein Großereignis wie die anstehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland weckt daher nicht nur bei Fans der Nationalmannschaft Vorfreude. Auch die Wirtschaft hofft auf ein erfolgreiches Turnier der DFB-Mannschaft – und auf gutes Wetter. Das könnte etwa den Brauern mehr Umsatz bescheren, heißt es beim bayerischen Brauerbund.
"An und für sich begünstigen Fußball und Bier sich. Fußballspiele gehören zu den Ereignissen, bei denen noch immer Bier getrunken wird", sagt Hauptgeschäftsführer Lothar Ebbertz unserer Redaktion. Für die Branche, die seit Jahren mit rückläufigem Absatz kämpft, wäre das eine willkommene Entlastung – mehr aber auch nicht.
Vorfreude auf die Fußball-EM: Die Schotten gelten als feierfreudig
"Wenn das Wetter gut ist und die Nationalmannschaft beim Turnier weit kommt, könnten wir ein schönes Turnier mit guter Stimmung erleben. Das dürfte den Bierabsatz heuer beflügeln. Aber schlussendlich bliebe auch das ein – zweifelsfrei wohltuendes – Strohfeuer für die Branche und nicht der Auftakt einer Trendwende", erklärt Ebbertz.
Auch im Hotel- und Gastgewerbe rechnet man mit einer deutlichen Belebung der zuletzt schwierigen Geschäfte. Thomas Geppert, Geschäftsführer des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, sagt zwar, dass viele Buchungen erfahrungsgemäß erst relativ kurzfristig eingehen: "Das hängt mit der Ticketvergabe zusammen, aber auch nach Gruppenphase mit dem Zeitpunkt, wann im Laufe des Turniers feststeht, wer wo gegen wen spielt."
Die Betriebe rechneten aber mit einer besonders starken Nachfrage zum Eröffnungsspiel in München: "Nicht nur, weil Deutschland spielt und die Schotten entgegen ihrem Ruf alles andere als sparsam feiern, sondern weil zudem viele Ehrengäste erwartet werden, die oftmals mit größerem Gefolge reisen", so Geppert. In der Münchner Arena findet zudem ein Halbfinale statt. Auch da hoffen die Gastgeber-Betriebe auf ein gutes Spiel: "Da geht es ja richtig um etwas, da sind die Spieler auf maximale Unterstützung ihrer Fans angewiesen. Hier hoffen wir auf eine publikumswirksame Partie", sagt Geppert.
Für die Olympischen Spiele in München wurde sehr viel gebaut
Die Umsätze mit den Mannschaften und den Fans, die in die Stadien kommen, beschränken sich auf relativ wenige Orte und schwerpunktmäßig auf die Spieltage. Doch einen Schub für die Wirtschaft könnte es auch darüber hinaus geben, betont Geppert: "Insgesamt wird sich die Wertschöpfung auf ganz Deutschland verteilen, je näher an den Spielorten, umso höher. Erfahrungsgemäß verbinden die Fußballfans ihren Aufenthalt mit Shopping und Ausflügen in die Region."
Wie groß dieser Schub sein könnte, ist aber schwer abzuschätzen. Wirtschaftsforscher Florian Dorn vom Münchner ifo-Institut sagt: "Aus unseren Langzeitdaten können wir herauslesen, dass eine Fußball-EM oder -WM in Deutschland vorübergehend stets mit einem leicht positiven Effekt auf die Lagebewertung der Unternehmen, quer über viele Sektoren hinweg, einherging." Für die WM 2006 gebe es Untersuchungen, die von einem jährlichen Anstieg des BIP von rund 0,1 Prozent ausgehen, allein aufgrund der Ausgaben der zusätzlich ins Land gekommenen Touristen. Allerdings blieben bei der WM die Touristen aus Übersee meist deutlich länger in Deutschland, als Gäste aus Europa.
Allzu bedeutsam dürften die Auswirkungen der EM im Vergleich mit anderen Sportgroßereignissen der Vergangenheit daher auch nicht sein, schätzt Dorn: "Für die Olympischen Spiele in München wurde in großem Stil neue Infrastruktur errichtet. Das hat einen großen und nachhaltigen wirtschaftlichen Impuls für die Stadt gebracht." Die anstehende EM profitiere dafür aber von den bereits großteils getätigten Investitionen für die WM vor 18 Jahren.
EM in Deutschland: Eine gute Stimmung und schöne Bilder sind bestes Marketing
Schwer zu messen ist auch der Wert, den man weichen Faktoren, wie einer möglichen Verbesserung des Ansehens des Landes im Ausland, beimisst. "Bei der WM 2006 rieben sich nicht nur viele Gäste vor Ort, sondern auch weltweit vor den Bildschirmen die Augen, wie weltoffen wir uns präsentiert haben, wie ausgelassen wir gemeinsam feiern konnten und wie schön Deutschland ist. Das sind Bilder und Eindrücke, die kann man nicht in Marketingbudgets aufwiegen, davon profitiert der Standort Deutschland in Gänze und auf Jahre", ist Dehoga-Chef Geppert überzeugt.
Der Einzelhandel hofft ganz konkret auf eine weitere Verbesserung der Konsumstimmung. Ein Sprecher des Handelsverbands HDE erklärt auf Anfrage: "Traditionell macht insbesondere der Lebensmittelhandel zu größeren Sportereignissen gute Geschäfte, denn viele decken sich für das gemeinsame Fußball-Schauen mit Getränken und Verpflegung ein."
Nicht zu übersehen ist beim Einkaufen bereits jetzt, wie die Branche versucht, mit Sonderaktionen und Verlosungen die EM-Stimmung zu nutzen und anzuheizen. So belohnt Edeka etwa treue Kundinnen und Kunden mit Nachbildungen einiger deutscher Nationalspieler als Playmobil-Figuren, Lidl verlost Tickets und Haribo schickt "vegane, sauer kandierte Fan Pixel in Schwarz-Rot-Gold" ins Spiel.
Adidas meldet zweistelliges Wachstum bei Fußballtrikots
Messbaren Erfolg hat bereits der Sportartikel-Konzern Adidas erzielt. Das Unternehmen musste zwar jüngst den Verlust des prestigeträchtigen Ausrüstervertrags mit dem DFB verkraften. Bei der EM laufen die Deutschen aber noch mit den Trikots des Unternehmens auf - ebenso wie Spanien, Italien, Belgien, Schottland und Ungarn. Auch bei der zeitgleich stattfindenden Copa América ist Adidas Ausrüster von acht Mannschaften (Argentinien, Chile, Kolumbien, Mexiko, Peru, Venezuela, Jamaika, Costa Rica).
Und die Geschäfte mit den Trikots der Teams laufen ausgezeichnet. Bereits im ersten Quartal habe man ein zweistelliges Wachstum im Bereich Fußballbekleidung erzielt, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Zum Bestseller habe sich das pinkfarbene Auswärtstrikot des DFB-Teams entwickelt. Zudem stellt das Unternehmen mit "Fussballliebe" den offiziellen Spielball und rüstet die Schiedsrichter aus.