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Augsburg
"Das schadet dem Wirtschaftsstandort": Wie es Manager mit der AfD halten
Gegen Rechts haben sich Wirtschafts-Bosse oft geäußert, doch jetzt greifen einzelne die AfD direkt an. Was sie dabei von Freiburgs Fußball-Trainer Streich lernen können.
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Foto: Alexander Kaya | Bürger stehen in Ulm gegen die AfD und andere rechtsextreme Kräfte auf,
Stefan Stahl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:21 Uhr

Christian Streich nutzt eine Pressekonferenz, um zu sagen, was ihn politisch umtreibt. Der Trainer des Fußball-Vereins SC Freiburg wirkt nervös. Es ist zu spüren, dass ihm der Auftritt besonders wichtig ist. Sein Appell fällt unmissverständlich aus: „Fußball-Fans sind Bürger. Trainer sind auch Bürger. Und Wirtschafts-Bosse sind auch Bürger." Der 58-Jährige kratzt sich am Kinn und sagt: „Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden.“ Es brauche hinterher keiner klagen, der jetzt sitzen bleibe oder so Sachen behaupte wie: Ein AfD-Wähler sei ein Protest-Wähler. Streich macht klar: „Wer jetzt nichts verstanden hat, der hat im Geschichts-Unterricht in der Schule nichts verstanden.“ Der Mann des Sports nimmt alle in die Pflicht und will gerade auch die Mächtigen aus der Wirtschaft wachrütteln, klar gegen die AfD Position zu beziehen. Schließlich „isch es fünf Minuten vor zwölf“. 

Dass Streich explizit die Wirtschafts-Bosse bei ihrer demokratischen Ehre packt, geschieht nicht ohne Grund. Schließlich haben sich Vertreterinnen und Vertreter aus dem Unternehmerlager nach Bekanntwerden des Treffens von Rechtsextremen, AfD-Leuten und finanzstarken Firmen-Repräsentanten in einem Hotel in Potsdam zunächst überwiegend zurückgehalten. Und das, obwohl das Recherche-Netzwerk Correctiv schon am 10. Januar aufgedeckt hat, dass bei der Veranstaltung Pläne diskutiert wurden, Millionen Menschen mit ausländischer Herkunft aus Deutschland zu vertreiben. Das erinnert an die Schrecknisse des Dritten Reichs. Fußball-Trainer Streich glaubt deshalb, es sei jenseits aller Demonstrationen wichtig, „sich in der Arbeit ganz klar zu positionieren.“

Infineon-Chef Hanebeck nennt rechte Vertreibungspläne „menschenverachtend“

Sollen Unternehmer und Beschäftigte in ihrer Kritik an den rechtsradikalen Umtrieben klar die AfD beim Namen nennen? Zunächst war zu beobachten, dass Manager sich zwar entsetzt zu Wort gemeldet haben, in den meisten Fällen aber ohne Ross und Reiter zu nennen, also ohne klarzumachen, dass die AfD der Hauptadressat ihrer Kritik ist. So machte etwa Jochen Hanebeck, Vorstandsvorsitzender des Chip-Konzerns Infineon, deutlich, wie sehr er die Remigrations-Pläne ultrarechter Kreise als „menschenverachtend“ verabscheut. Denn Hass und Abgrenzung dürften in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.

In seinem Beitrag auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn tauchen indes die drei Buchstaben „AfD“ - wie in so vielen anderen empörten Manager-Statements - nicht auf. So hatte der Spiegel reichlich Unternehmens-Führer befragt, die meisten kniffen allerdings, wenn es darum ging, die noch weiter nach rechts rückende AfD als Gefahr für die freiheitliche Gesellschaft direkt anzugreifen. Allein der Brite Michael Lewis, Chef des Energiekonzerns Uniper, lässt keinen Zweifel daran, wer der Adressat seiner Worte ist: Er lehne jedes fremdenfeindliche Gedankengut ab, das auch die AfD vertrete. Denn „Uniper ist ein internationales Unternehmen, in dem Menschen aus über 50 Ländern arbeiten“, betont er. Toleranz und Respekt seien die Voraussetzung einer erfolgreichen Zusammenarbeit, sonst funktioniere es nicht.

Manager wollten Kunden und Mitarbeitende, die die AfD wählen, nicht verprellen

Dass zunächst viele Vorstandsvorsitzende um den heißen AfD-Brei herumgetanzt sind, ist Thema in den Unternehmen. Hinter den Kulissen lässt sich erfahren, hier schwinge die Sorge mit, Kunden, die AfD wählen, zu verprellen. Gleiches gilt für den Kreis der Beschäftigten: In Zeiten des Fachkräftemangels will es sich der ein oder andere Manager sicher nicht mit Mitarbeitern verscherzen, selbst wenn sie - wenn auch nur aus Frust über die Politik der Ampel - das Kreuzchen bei der AfD machen. Doch das Rad hat sich in den vergangenen Tagen gedreht. Unsere Redaktion hat drei führende Wirtschaftsvertreter gebeten, ihre Meinung zu den Vertreibungs-Plänen und der Haltung der AfD in Erfahrung zu äußern. Fußball-Trainer Streich wäre zufrieden mit den drei Männern und könnte sie in seinem Team gegen Rechts aufstellen, hält es das Trio doch mit dem vom Sport-Vertreter eingeforderten Prinzip „der klaren Kante“. 

Betram Brossardt ist Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und von jeher ein Freund des Ziehens klarer Kanten. Er glaubt, dass sich die Wirtschaft offen kritisch mit der Politik der AfD auseinandersetzen sollte. Denn die Partei stelle nicht nur eine Bedrohung für die Gesellschaft dar, sondern sei auch aus wirtschaftlicher Sicht sehr gefährlich. Bayern und Deutschland profitierten aber mit ihrer starken Exportorientierung von Weltoffenheit, internationaler Zusammenarbeit und globalem Handel, ist der Mann der Wirtschaft überzeugt. Brossardt attackiert die AfD: „Das nationalstaatliche undemokratische Denken und die Propaganda gegen die EU und den Euro, partiell anti-amerikanisch, vor allem aber über weite Strecken pro-russisch, stellt unser erfolgreiches Wirtschaftsmodell, auf dem unser Wohlstand beruht, infrage.“ Er plädiert daher für eine „klare Abgrenzung“ gegenüber der AfD. Ihm macht es große Sorgen, „dass die Partei aus der gegenwärtigen Vertrauenskrise gegenüber der Bundesregierung zusätzliches Kapital schlagen kann“. 

Geschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft spricht Klartext

Dann macht Brossardt deutlich, wie ernst die Lage ist: „Wir müssen offenlegen, dass viele AfD-Funktionäre rassistisch und menschenfeindlich agieren. Das lehnen wir entschieden ab.“ Letztlich redet der Wirtschafts-Mann Beschäftigten ins Gewissen, die mit der AfD sympathisieren: Denn das extrem nationalstaatliche Denken der Partei schade den Unternehmen und insgesamt dem Standort Bayern wie Deutschland massiv. Je mehr die AfD das gesellschaftliche Klima vergifte, umso unattraktiver werde Deutschland auch für die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Doch solche Spezialisten brauche das Land dringend. 

Die immer lauter werdenden Warnungen von Wirtschaftsvertretern lassen sich in einer einfachen Gleichung für Beschäftigte ausdrücken: Wer die AfD unterstützt, sägt am Ast seines Arbeitsplatzes. In diesem Sinne äußert sich auch Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender des Augsburger Motorenherstellers MAN Energy Solutions, der mit den Beschäftigten Technologien für die Energiewende entwickelt und Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung ist. Ohne einen Interpretations-Spielraum zu lassen, sagt er: „Die Ziele der AfD stehen unseren Werten und auch unseren wirtschaftlichen Kerninteressen entgegen.“ Lauber legt noch einmal nach: „Die AfD schürt Fremdenfeindlichkeit und Hetze, sie lehnt die EU ab, sie leugnet den Klimawandel.“ Vor allem wolle die Partei die notwendige soziale und ökologische Transformation der Wirtschaft verhindern. Für den MAN-Vertreter „schadet das alles dem Wirtschaftsstandort Deutschland“. 

Joe Kaeser warnt schon lange vor der AfD

Der dritte Mann der klaren Kante ist Joe Kaeser, einst Siemens Chef und heute Aufsichtsrats-Vorsitzender von Siemens Energy und Daimler Truck. Er hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder kritisch mit der AfD auseinandergesetzt. So schrieb er schon 2018 an die Adresse einer Spitzenpolitikerin der Partei: „Frau Weidel schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres Landes in der Welt. Da, wo die Hauptquelle des deutschen Wohlstands liegt.“

Heute lässt Kaeser als einer der bekanntesten deutschen Wirtschafts-Repräsentanten nicht nach und sagt: „Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger.“ Das gelte im Übrigen auch für die Landwirte. Die demokratischen Kräfte müssen sich seiner Ansicht nach einmischen, wie es zuletzt mit Demonstrationen passiert ist. Kaeser erinnert an die düstere deutsche Vergangenheit: „Nach 1933 gab es eine Zeit, in der die wirtschaftliche und gesellschaftliche Elite noch Position gegen den Kurs des Nazi-Regimes hätte beziehen können.“ Doch damals hätten die meisten geschwiegen. Für Kaeser ist klar: „Diesen Fehler dürfen wir nicht wiederholen.“ Im Gespräch verrät er, sich um „unsere Demokratie Sorgen zu machen“. Damit ist er nicht allein. Hunderttausende sind deshalb auf die Straße gegangen.

 
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