
Wer über ein Hotel sagt, dass dieses in seiner Umgebung überhaupt nicht auffällt, der meint dies nicht unbedingt als Kompliment. Klaus-Dieter Graf von Moltke dürfte sich über eine solche Aussage jedoch freuen. Als der 64-Jährige vor gut neun Jahren Gut Steinbach knapp außerhalb von Reit im Winkl (Lkr. Traunstein) in den Chiemgauer Alpen gekauft hat, hatte er klare Pläne, was aus dem heruntergekommenen Steinbacher Hof entstehen sollte. Er ließ das Haus, in das durch Löcher im Dach der Regen fiel, komplett sanieren. Es beherbergt heute 58 Zimmer und Suiten. Aus der sprichwörtlich grünen Wiese daneben wuchsen sieben luxuriös eingerichtete Chalets, die sich um einen Naturteich scharen. Der Charme der Häuser besteht darin, dass sie so wirken, als ob sie schon immer dort gestanden hätten. Sie fügen sich unauffällig in die von Bergen umrahmte Landschaft ein, als wären sie ein Teil von ihr.

Der Käufer des Hotels hat es sich verboten, die Fläche auf dem kleinen Hochplateau oberhalb von Reit im Winkl in einer Hauruck-Aktion in ein großflächig angelegtes Ferienressort umzumodeln. Platz genug hätte er hierfür auf den erworbenen 51 Hektar gehabt. So hat er die unweit des Hotels stehenden Skisprung-Schanzen, die ihre Blütezeit längst hinter sich haben, stehen gelassen. Zum Glück für die örtliche Skisprungjugend, die trainiert auf den beiden kleinen Übungsschanzen. Im Auslauf der großen Schanze, die seit Jahren nicht mehr in Betrieb ist, grasen jetzt Ziegen.
Auf der Karte gibt es keinen Wein aus Übersee
Den unvermeidlichen Fußabdruck in der Landschaft am Fuße des Unterbergs und in Sichtweite des Kaisergebirges in Tirol so klein wie möglich zu halten, das ist ein zentraler Ansatz, den der Hotelbesitzer von Anfang an verfolgt hat. Daran hält er auch auf anderer Ebene fest und beschreibt seine selbst gesetzte Vorgabe mit dem 80-80-Prinzip: "80 Prozent der im Hotel verwendeten Produkte stammen aus einem Umkreis von 80 Kilometern." 20 Prozent dürfen international sein. Wobei Moltke unter "international" maximal Mitteleuropa und vorwiegend den Alpenraum versteht. Wein aus Australien oder Kalifornien wird es auf der Weinkarte seines Hotels nie geben.

Eine noch viel kürzere Strecke legt das Wildfleisch zurück, das die Köche des Hotels regelmäßig verarbeiten. Der Hotelbesitzer ist selbst passionierte Jäger und schießt Reh- und Rotwild am liebsten selbst in den umliegenden Wäldern, von denen ihm im Umfeld des Hotels 35 Hektar gehören. Die geschossenen und vor Ort aufgebrochenen Tiere landen direkt in der Hotelküche – frischer geht's nicht. Rotwild hält er in einem Gehege in Sichtweite des Hotels, ebenso Yaks, jene zotteligen Hochlandrinder, die im Himalaya heimisch sind, sich in den Chiemgauer Alpen aber ebenso wohl fühlen. Auch diese stehen regelmäßig auf der Speisekarte. 100 junge Obstbäume – alles alte, heimische Sorten – wurden auf dem Areal zwischen dem Hotel und dem kleinen Chaletsdorf gepflanzt. Ihr Obst ist für die Gäste gedacht, schildert der Geschäftsführer des Hotels, Fabien Grzimek (34). 70 weitere Obstbäume werden folgen.
Mit diesem Konzept größtmöglicher Nachhaltigkeit passt Gut Steinbach gut in die Ortschaft Reit im Winkel. In dem Luftkurort, der auch als Heimatort der Ski-Legende Rosi Mittermaier von der Winklmoos-Alm bekannt geworden ist, steht seit fast 20 Jahren ein Biomasse-Heizwerk. Es versorgt mittlerweile rund 500 Anwesen – darunter Gut Steinbach – mit Wärme und sorgt dafür, dass im Winter der früher aus den vielen Ölheizungen genährte Smog nicht mehr entsteht, wie Bergwanderführer Walter Wolferstetter erklärt. Der 61-Jährige zeigt Besuchern, wie schön das weite Tal ist, das in seinen Augen ein "unerschöpfliches Gelände" für Wanderer und ein schneesicheres Wintersportgebiet ist. Im Winter folgt Wolfenstetter einem Trend und ist mit seinen Gruppen seit Jahren am liebsten auf Schneeschuhen unterwegs.

Aus den Plänen für eine Reha-Klinik wurde ein Hotel
Zurück zu Gut Steinbach. Dass die Vorstellungen seines Besitzers von einem Ressourcen schonenden, in der Region verwurzelten Tourismus keine Eintagsfliegen sind, beweist dieser in einem weiteren Hotel. Das Park-Hotel Egerner Höfe in Rottach-Egern (Lkr. Miesbach) gehört wie Gut Steinbach zu Relais & Châteaux, einem Zusammenschluss von Restaurants und Luxushotels. In den Egerner Höfen, am malerisch gelegenen Tegernsee, hatte Moltke ursprünglich eine Reha-Klinik für herzkranke Kinder eröffnen wollen. Doch der Bürgermeister hatte ihm, wie er erzählt, diese Idee einst ausgeredet. Deshalb eröffnete er dort im Jahr 1992 sein erstes Hotel.
Wie ausgerechnet ein Luxushotel nachhaltig sein kann, erschließt sich einem dort angesichts des PS-starken Fuhrparks der Hotelgäste erst auf den zweiten Blick, in der Küche von Thomas Kellermann. Der mit zwei Michelin-Sternen dekorierte Koch versorgt seit dem vergangenen Jahr die Gäste in dem zum Hotel gehörenden Restaurant Dichterstub'n. In Kochkursen vermittelt er seine Philosophie von gutem Essen und worauf es ihm dabei ankommt. "Kein Gericht", sagt er, "ist besser als die Zutaten im Original." Überflüssiges wegzulassen, ist für ihn die große Kunst.

Um dies verständlicher zu machen, nimmt er seine Kochschüler mit zu dem ein paar Kilometer entfernt liegenden Buchberghof von Andreas Schulz-Moll. Dort grasen auf den Weiden neben Fleckvieh auch besondere Rinder: Tegyus. Dabei handelt es sich um eine vor acht Jahren erstmals getestete Kreuzung der Wagyu-Rasse aus Japan, die das angeblich beste, zumindest das teuerste Fleisch der Welt liefert, mit heimischem Fleckvieh. Mit dem Ergebnis ist Schulz-Moll hochzufrieden: "Die Fleischqualität ist sehr gut."
Das Fleisch stammt von glücklichen Tieren
Doch die Spitzenqualität des Fleisches ist nur ein Grund, weshalb Sternekoch Kellermann Zutaten auf dem Buchberghof einkauft. Er weiß: Egal, ob Rinder, Schweine oder Hühner – die Tiere wachsen hier stressfrei und naturnah auf. Bauer Max Merritt, der die Landwirtschaft auf dem Hof führt, mischt etwa das Schweinefutter selbst. Er kennt jede einzelne Kuh und kümmert sich um die Tiere bis zur Schlachten. Beim Metzger landet ein Rind erst dann, wenn genug Abnehmer gefunden sind, die das komplette Tier verwerten. Die Tiere haben bei Max Merritt – wenn man das so sagen darf – ein glückliches Leben. "Und das schmeckt man dann auch", meint Kellermann, der auch bei Süßwasserfischen, die er in seiner Küche verwendet, darauf achtet, dass diese ausschließlich vor der Haustür, im Tegernsee gefangen werden.

Zurück in der Küche seines Restaurants bereitet er mit seinem Kochkurs aus dem Tegyu-Rind einen Schmorbraten mit Topinambur und Lauch-Kartoffelpüree zu. Der Blick in die Zutatenliste verrät: Da ist nichts, was nicht im Garten hinterm Haus wachsen könnte, mit Ausnahme von Pfeffer und Salz. Spitzenküche muss also nicht aus möglichst exotischen Zutaten und viel Firlefanz bestehen. Zugleich räumt Kellermann mit einigen Kochmythen auf - etwa, dass beim Kochen mit Butter eher sparsam umzugehen ist ("die ist gesünder als Sahne"), und dass zum Kochen der gleiche Rotwein zu verwenden ist, wie der, der später zum Essen getrunken wird. Kellermann verrät: Es kann ruhig ein einfacherer Wein sein, der Geschmack verflüchtigt sich ohnehin.
Anmerkung der Redaktion: Unsere Autoren reisen gelegentlich mit Unterstützung von Tourismusunternehmen und Fremdenverkehrsämtern.
