zurück
Wo die Wüste blüht und Rochen fliegen
Segeln in Mexiko Über 30 Grad, Traumbuchten und Mangroven, Delfine, Seelöwen und Wale: Die Baja California ist unwirklich schön – auch dank Hurrikan Odile..
Conny Puls
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:38 Uhr

Skipper Thomas ist ein gelassener Zeitgenosse, kennt die meisten Segelreviere dieser Welt. Doch jetzt, in der Morgendämmerung in der „Sea of Cortez“, ist seine Aufregung groß: „Das muss ein Riesenfisch sein, er hat sogar die Sperre der Angel abgerissen“, ruft er Kirsten und mir zu. Einen Moment später starren wir wie elektrisiert ins Wasser am Rumpf unseres Katamarans „Lagoon 380“ – zu allem bereit.

Doch dann ist die Anspannung auch schon vorbei: Der Fisch hat sich losgerissen, Köder und Haken sind weg, die Angel ist unbrauchbar. „Thunfische schwimmen bei Gefahr mit extremer Geschwindigkeit Richtung Meeresgrund und nehmen Verletzungen in Kauf“, erzählt uns am Ende des sechstägigen Segeltörns Jorgeloy Teran, ein Einheimischer, den Thomas schon auf der Anreise kennengelernt hat. Jorgeloy spricht aus, was uns durch den Kopf gegangen ist: „Was hättet ihr denn mit so einem Riesenfisch tun wollen?“

Gute Frage. Ich und einen Fisch killen? Niemals! Und schon gar nicht mit dem lächerlichen Holzprügel, den wir zu diesem Zweck dabei hatten. Ich fand schon Kirstens Frage beim Flug von Mexiko City nach La Paz verstörend: „Sag mal Norbert, kannst du eigentlich Fische ausnehmen?“ Keine Ahnung. Nie probiert, „aber so schwer kann es ja wohl nicht sein“. Ich hielt das Ganze für einen Scherz, meine Vorstellung von dem Törn war: Ich komme auf ein Boot mit einer Crew, wir segeln jeden Abend in einen Hafen, dort gibt es lecker Essen. So halt, wie ich es aus Erzählungen von Freunden kenne.

Einkauf für sechs Tage

Spätestens in der Costa Baja Marina in La Paz wird klar: Wir sind nur zu dritt auf der „Any Time“, machen alles selbst, ankern in Buchten weitab jeglicher Zivilisation. „Könnt ihr für sechs Tage einkaufen, ich lasse mir derweil das Boot zeigen und mich einweisen“, bittet Skipper Thomas seine Crew, Kirsten und mich. Und schon beginnt das Abenteuer: Finde alles, was auf der endlosen Einkaufsliste steht, in einem kurios sortierten Supermarkt. Vergiss ja nichts: Du kannst es nicht nachkaufen. Und wer sagt eigentlich, dass der Einkaufsplan am Ende aufgeht?

Erster Teilerfolg: Die Bordkasse, jeder gibt 2000 Pesos (circa 140 Euro), reicht für Einkauf (5225 Pesos) und Taxi (600). Und beim Verladen aufs Schiff funktioniert unser Zusammenspiel auf Anhieb wie von selbst: Ich bringe Schubkarren für Schubkarren voller Waren ans Boot, die anderen räumen ein. Thomas und Kirsten haben viel Segelerfahrung, kennen sich schon länger. Und dazu einer wie ich, der noch nie beim Segeln war.

Die Arbeitsaufteilung ergibt sich: Thomas ist der Skipper, hat sich ausgiebig über die „Sea of Cortez“ informiert, Traumbuchten ausgeguckt. Bei ihm sitzt jeder Handgriff, er steuert das Boot, liest Instrumente und Karten, gibt mir präzise Anweisungen beim Segel Setzen und Einholen, beim Ankern, beim Ablassen des Dinghi (Schlauchbootes). Außerdem bin ich unter anderem für die Frühstückseier und den Grill zuständig. Kirsten ist neben ihrer Segelerfahrung eine wahre Meisterin im Zubereiten von Tortillas, Salaten, Speisen aller Art – die Wahl-Hamburgerin ist die gute Seele an Bord. Gespült und aufgeräumt wird zusammen, das klappt, als seien wir seit Jahren eingespielt.

Unfassbarer Sternenhimmel

Vermutlich ist es die Euphorie über die Baja California, nach dem Eroberer Hernan Cortez auch „Sea of Cortez“ genannt, die uns zusammenschweißt: die hellgrüne bis dunkelblaue Farbenvielfalt des Meeres in Traumbuchten mit Sandstränden wie Playa Balandra mit Mushroom Rock (Pilzfelsen), Ensenada Grande oder Playa Amortajada mit Mangroven und Lagune. Dazu die Wüstenlandschaft mit Kakteen in allen Größen und Formen, rotbraun leuchtende Felsen. Und der unfassbare Sternenhimmel, den ich nachts draußen im Trapez genieße, eingerollt in den Schlafsack: Bei jedem Aufwachen funkelt und blinkt es über mir, mehr Sternschnuppen habe ich noch nie gesehen, es sieht aus wie ein Megastau auf der Milchstraße.

Aufregend ist auch die Tierwelt: In der Gegend von Los Islotes lebt ein Hammerhai. Auf den Felsen der Miniinsel sieht man Blaufußvögel, am Fuß eine große Seelöwen-Kolonie, die mit wütend klingenden Rufen Respekt einflößt. Nebenan die ganz Kleinen, die sich an die Mutterkuh schmiegen. Und im Wasser spielen Seelöwen mit Schnorchlern, die meist aus den USA kommen: San Diego liegt etwa 1500 Kilometer weiter im Norden.

Im glasklaren, 28 Grad warmen Wasser sieht man Fischschwärme in leuchtend gelber oder grüner Farbe. Nicht weit entfernt von Los Islotes tauchen rund 20 Delfine auf, springen immer wieder vor und neben dem Katamaran aus dem Wasser, drehen sich dabei manchmal so, dass sie direkt zu uns hochschauen können. Zwei Tage später zieht ein Finnwal neben uns seine Bahnen – bis zu 25 Meter können die Säugetiere groß werden, die in der Baja California ihren Nachwuchs bekommen. Auch Meeresschildkröten und Rochen sehen wir. Dumm nur: Die fliegenden Rochen verpenne ich, leider!

Für den Zauber der Landschaft hat Hurrikan Odile viel getan: Während der Wirbelsturm Mitte September in La Paz und San Jose del Cabo schlimme Schäden anrichtete und 150 Verletzte zu beklagen waren, ist er für die Natur ein Segen: „Wir haben oft jahrelang keinen Tropfen Regen“, erzählt Jorgeloy beim Trip nach Todos Santos am Pazifik, wundert sich fast noch mehr als wir über die blühende Wüstenlandschaft. „So etwas habe ich hier noch nie gesehen. Vor vier Wochen kamen tagelang Wassermassen herunter, alles ist aufgeblüht. Wildblüten, Kakteen, alle Pflanzen sehen besser aus als je zuvor.“

Klopfen gegen Klapperschlangen

Rot, gelb, lila, blau blitzt es durch das Grün, dessen Tage gezählt sind: Es ist um die 35 Grad, kein Wölkchen am Himmel, als ich mit Kirsten vom Sandstrand einen Pfad Richtung Anhöhe der Insel Espitritu Santo nehme. Ständig klopfen wir auf den Boden, damit die Klapperschlangen verschwinden. „Es gibt dort jede Menge. Ein Biss könnte tödlich sein, weil wir nicht schnell genug ins Krankenhaus kämen“, hat Thomas uns gewarnt. Aber das Glück bleibt uns treu, die Schlangen hatten wohl hitzefrei. Ach ja, unser Einkauf war bis auf das Fehlen von Aperol Spritz perfekt: Nach sechs Tagen ist der Kühlschrank leer, nur zwei Nudelpäckchen übrig. Die beiden letzten Biere nehme ich mit von Bord, dazu die Gewissheit, dass ich wieder segeln will – und zwar unbedingt in der „Sea of Cortez“!

Tipps zum Trip

Charter: „Land ist nicht genug“ – unter diesem Motto bietet Master-Yachting in Sommerhausen (Lkr. Würzburg) weltweit Yachtcharter an – neben Europa zum Beispiel Ziele wie Karibik, Seychellen, Australien oder Tonga. Partner in La Paz ist Dream Yacht Charter – der Katamaran Lagoon 380 für bis zu acht Personen (vier Doppelkabinen) ist ab 2695 Euro pro Woche zu mieten. Infos: Master Yachting, Yachtcharter 1a, 97286 Sommerhausen; Tel. (0 93 33) 90 440-0, Internet: www.master-yachting.de

Anreise: Es gibt keine Direktflüge von Europa nach La Paz, der Weg führt über Mexiko City. Das ist kein Nachteil, denn vor oder nach dem Segeltörn sollte man die 25-Millionen-Metropole auf jeden Fall besuchen. Idealer Ausgangspunkt für die Erkundung des alten Zentrums mit Dom, ausgegrabenen Maya-Tempeln und Shoppingmeile ist das Hotel Central (früher Holiday Inn). Übernachtung mit Frühstücksbuffet ab 70 Euro, Internet: www.centralhotels.com/zocalo

Reisezeit: Die Zeit von November bis Januar ist ideal für Segeltörns in der Baja California. Die Temperaturen liegen dann tagsüber bei um die 30 Grad, die Hurrikansaison ist vorüber – und es gibt mehr Wind als im Herbst. Unser Segeltörn über insgesamt 135 Seemeilen (250 Kilometer) führte uns in sechs Tagen von La Paz bis ins Fischerdörfchen San Evaristo und zurück. noh

Lecker: Tortillas a la Kirsten – die Hamburgerin ist die gute Seele auf dem Segeltörn.
| Lecker: Tortillas a la Kirsten – die Hamburgerin ist die gute Seele auf dem Segeltörn.
Schauspiel: Rund 20 neugierige Delfine begleiten uns in der Baja California.
| Schauspiel: Rund 20 neugierige Delfine begleiten uns in der Baja California.
Komfortabel: Der Katamaran „Lagoon 380“ mit dem Namen „Any Time“.
| Komfortabel: Der Katamaran „Lagoon 380“ mit dem Namen „Any Time“.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Conny Puls
Boote
Delfine
Hurricans
InterContinental Hotels Group
Katamaran
Klapperschlangen
Rochen
Seelöwen
Wale
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen