Die Brötchentüte liegt vor dem Gatter, das Frühstück kann warten. Erst müssen die beiden Blondschöpfe den Ziegen noch schnell ein paar Leckerbissen bringen. In Geduld üben dürfen sich auch die abreisebereiten Großeltern vom Spielkameraden der Mädchen während der vergangenen Tage. Der Junge im Vorschulalter besteht darauf, den Hirschen ein Adieu zuzurufen, den Langohren ein letztes Mal das seidige Fell zu kraulen. Tiere hautnah erleben zu können, das scheint für die kleinen Gäste vom Kleinenzhof im Nordschwarzwald ein besonderes Erlebnis zu sein. Ein Eindruck, den Andreas Harter bestätigt: „Unsere zutraulichen Vierbeiner kommen toll an. Gerade bei den Kindern, die zu Hause halt kein Tier haben“, sagt der Chef des Campingplatzes.
Der Betriebswirt und Koch weiß nicht nur, was Kinder lieben. Er kennt sich auch aus mit den Ansprüchen, Wünschen und Interessen seiner erwachsenen Gäste. Liegt wohl in der Familie, die bereits vor rund 160 Jahren in die Tourismusbranche eingestiegen ist. Eine Tradition, die der 35-Jährige mit Ehefrau Franziska und seinen Eltern Karin und Karl, die sich mit 60 Jahren der Rente noch fern fühlen, fortsetzt.
Gastwirtschaft und Bauernhofpension, später, in den frühen 50ern des vorigen Jahrhunderts dann Zeltplatz auf der Wiese mit Einkaufsmärktle. All das wurde mittels Familienpower Stück für Stück in ein sogenanntes „Family Resort“ umgewandelt – in eine Anlage für Familien, die die Freiheit und das Flair des mit fünf Sternen ausgezeichneten Campingplatzes suchen, die es ungezwungen mögen, die aber gern viele Sport- und Freizeitangebote haben. Die Kinderprogramme nutzen, aber keine Vollanimation für ihren Nachwuchs benötigen, weil die Familien auch selbst etwas gemeinsam unternehmen wollen. Die gute regionale Küche schätzen und den eigenen Herd gerne mal unbenutzt lassen. Gefragt sei bei einem Campingplatz „die grüne Wiese mit Komfort zu bezahlbaren Preisen“, bringt es der Hausherr auf den Punkt.
Auch Zelten ist wieder im Trend
Der Urlaub auf der grünen Wiese boomt. Seit Jahren wachsen die Zulassungszahlen für Caravans und Reisemobile. Auch Zelten ist wieder im Trend. Im vergangenen Jahr wurden bis Oktober 51 000 Freizeitfahrzeuge neu zugelassen. Allein in Deutschland gibt es fast 3000 Campingplätze, auf denen im Jahr etwa 30 Millionen Übernachtungen zusammenkommen.
Und der Campingurlaub wird immer angebotsreicher, immer komfortabler, ja sogar immer luxuriöser. „Glamping“ nennt sich dieser Trend – ein Kunstwort aus glamourös und Camping. Gemeint sind damit zum Beispiel selbst mit Geschirrspüler ausgestattete Safarizelte oder schicke Mobilheime.
Auch auf dem Kleinenzhof im Schwarzwald hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Der Urlaub im eigenen Caravan, Wohnmobil und Zelt oder mal so „zum Ausprobieren“ im mietbaren Mobilheim ist nur eine der Möglichkeiten dort. Es gibt aber noch mehr Alternativen. Gäste können auch im Hotel auf dem Gelände wohnen oder in einer der Ferienwohnungen oder Apartments, in denen bis zu sechs Personen unterkommen können. Frühstück inklusive – so man möchte. Die Wohnungen befinden sich auf dem Gelände, verteilt in vier verschiedenen Häusern. „Sie sind unsere Antwort auf ein inzwischen komplett verändertes Urlaubsverhalten“, sagt Andreas Harter.
Was sich geändert hat? Die Gäste kommen nicht mehr als Einzelfamilie, sondern oft gemeinsam mit befreundeten Familien. Großeltern reisen für ein paar Tage an, um mit der jungen Familie beisammen zu sein. Oder Oma, Opa und Enkel machen Campingurlaub und die Eltern kommen später nach, genießen in einer Wohnung aber mehr Privatsphäre als im Wohnwagen.
Dazu gibt es noch die Dauercamper, die auch auf dem Kleinenzhof bis zu zwei Drittel der 300 Plätze belegen – ein wichtiger Faktor für den Betrieb, „auch wenn die Zeiten vorbei sind, in denen sie Jahrzehnte ein- und denselben Platz innehatten“. Heute ziehen selbst Dauercamper, die überwiegend aus dem bis zu 80-Kilometer-Umkreis stammen, nach zwei, drei Jahren weiter, berichtet der Juniorchef.
Deutsche Gäste, die früher in der Hauptsaison zwei Wochen blieben, gehören ebenfalls der Vergangenheit an. „Im Trend sind kürzere Urlaube, verlängerte Wochenenden. Wenn die Feiertage arbeitnehmerfreundlich liegen, spüren wir das.“ Als ein Ausdehnen der Saison oder gar als Tendenz zu ganzjährigen Campingfreuden sieht Harter das allerdings nicht. Seiner Einschätzung nach ist die Zahl der Winter-Camper „bestenfalls stagnierend und sehr überschaubar“.
Fünf Sterne mit viel Indoor-Programm
So viele Aktivitätsmöglichkeiten so eine modern gestaltete Fünf-Sterne-Anlage den Gästen auch unter Dach bieten mag – zum Beispiel Hallenbad, Sauna, ein großes Freizeithaus mit Mehrzweckspielfeld, Jugend- und Kinderbereich, Vortragsraum und Fitnessstudio: Bei schlechtem Wetter leert sich der Platz. Viele Camper ziehen der Sonne nach. Und da es auf vielen Campingplätzen Usus ist, dass selbst bei Voranmeldung für einen längeren Zeitraum nur die Dauer des tatsächlichen Aufenthaltes bezahlt werden muss, kann ein Schlechtwetter-Sommer für die Betreiber schmerzlich sein.
„Das macht leider auch die Hauptsaison, in der wir für viele Camper aus den Benelux-ländern erste Anlaufstelle sind, für uns unkalkulierbarer“, bedauert Harter. Schließlich müssen hinter den Kulissen Planungen und Entscheidungen getroffen werden, die den Campingplatzbetrieb unter allen Umständen gewährleisten.
Es werde zunehmend schwieriger, den Personaleinsatz zu steuern. Platz-, Sanitär- und Apartmentreinigung, Abrechnung, Verkauf im Minimarkt, Restaurantbetrieb, die Vermietung von Elektroautos und -bikes, Tipps zur Freizeitgestaltung – alles muss laufen. Und obwohl immer Familienangehörige vor Ort seien, obwohl man saisonabhängig gute festangestellte Mitarbeiter und Aushilfen habe, muss der Chef einräumen: „An manchen Tagen ist das nicht alles zur vollen Zufriedenheit der Kleinenzhof-Besucher zu schaffen.“ Vor allem nicht bei denen, die meinen, „unsere Fünf-Sterne-Klassifizierung für den Campingplatz beziehe sich auch auf das Hotel. Zum Verwöhnen und Bemuttern reicht unser Personalschlüssel nicht.“
Aber dafür, dass das Gros der Gäste sich hier wohlfühlt und gerne wiederkommt, schon. Für den 35-jährigen Juniorchef war die Ausrichtung auf Familienurlaub, rückblickend betrachtet, „eine gute Entscheidung“. Man sieht's am Streichelzoo. Für Kinder ist das ein Grund, hierher zurück zu wollen. Und zufriedene Kinder bedeuten zufriedene Eltern.