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BAD WIDLBAD
Wie Camping sich ändert: Grüne Wiese mit Komfort
Wie Camping sich ändert: Hat Camping in Deutschland Zukunft? Klar, sagt Andreas Harter, der seinen Platz im Nordschwarzwald zum Family Resort entwickelt hat. Ein Blick hinter die Kulissen.
Sabine Dähn-Siegel
Sabine Dähn-Siegel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 03:05 Uhr

Die Brötchentüte liegt vor dem Gatter, das Frühstück kann warten. Erst müssen die beiden Blondschöpfe den Ziegen noch schnell ein paar Leckerbissen bringen. In Geduld üben dürfen sich auch die abreisebereiten Großeltern vom Spielkameraden der Mädchen während der vergangenen Tage. Der Junge im Vorschulalter besteht darauf, den Hirschen ein Adieu zuzurufen, den Langohren ein letztes Mal das seidige Fell zu kraulen. Tiere hautnah erleben zu können, das scheint für die kleinen Gäste vom Kleinenzhof im Nordschwarzwald ein besonderes Erlebnis zu sein. Ein Eindruck, den Andreas Harter bestätigt: „Unsere zutraulichen Vierbeiner kommen toll an. Gerade bei den Kindern, die zu Hause halt kein Tier haben“, sagt der Chef des Campingplatzes.

Der Betriebswirt und Koch weiß nicht nur, was Kinder lieben. Er kennt sich auch aus mit den Ansprüchen, Wünschen und Interessen seiner erwachsenen Gäste. Liegt wohl in der Familie, die bereits vor rund 160 Jahren in die Tourismusbranche eingestiegen ist. Eine Tradition, die der 35-Jährige mit Ehefrau Franziska und seinen Eltern Karin und Karl, die sich mit 60 Jahren der Rente noch fern fühlen, fortsetzt.

Gastwirtschaft und Bauernhofpension, später, in den frühen 50ern des vorigen Jahrhunderts dann Zeltplatz auf der Wiese mit Einkaufsmärktle. All das wurde mittels Familienpower Stück für Stück in ein sogenanntes „Family Resort“ umgewandelt – in eine Anlage für Familien, die die Freiheit und das Flair des mit fünf Sternen ausgezeichneten Campingplatzes suchen, die es ungezwungen mögen, die aber gern viele Sport- und Freizeitangebote haben. Die Kinderprogramme nutzen, aber keine Vollanimation für ihren Nachwuchs benötigen, weil die Familien auch selbst etwas gemeinsam unternehmen wollen. Die gute regionale Küche schätzen und den eigenen Herd gerne mal unbenutzt lassen. Gefragt sei bei einem Campingplatz „die grüne Wiese mit Komfort zu bezahlbaren Preisen“, bringt es der Hausherr auf den Punkt.

Auch Zelten ist wieder im Trend

Der Urlaub auf der grünen Wiese boomt. Seit Jahren wachsen die Zulassungszahlen für Caravans und Reisemobile. Auch Zelten ist wieder im Trend. Im vergangenen Jahr wurden bis Oktober 51 000 Freizeitfahrzeuge neu zugelassen. Allein in Deutschland gibt es fast 3000 Campingplätze, auf denen im Jahr etwa 30 Millionen Übernachtungen zusammenkommen.

Und der Campingurlaub wird immer angebotsreicher, immer komfortabler, ja sogar immer luxuriöser. „Glamping“ nennt sich dieser Trend – ein Kunstwort aus glamourös und Camping. Gemeint sind damit zum Beispiel selbst mit Geschirrspüler ausgestattete Safarizelte oder schicke Mobilheime.

Auch auf dem Kleinenzhof im Schwarzwald hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Der Urlaub im eigenen Caravan, Wohnmobil und Zelt oder mal so „zum Ausprobieren“ im mietbaren Mobilheim ist nur eine der Möglichkeiten dort. Es gibt aber noch mehr Alternativen. Gäste können auch im Hotel auf dem Gelände wohnen oder in einer der Ferienwohnungen oder Apartments, in denen bis zu sechs Personen unterkommen können. Frühstück inklusive – so man möchte. Die Wohnungen befinden sich auf dem Gelände, verteilt in vier verschiedenen Häusern. „Sie sind unsere Antwort auf ein inzwischen komplett verändertes Urlaubsverhalten“, sagt Andreas Harter.

Was sich geändert hat? Die Gäste kommen nicht mehr als Einzelfamilie, sondern oft gemeinsam mit befreundeten Familien. Großeltern reisen für ein paar Tage an, um mit der jungen Familie beisammen zu sein. Oder Oma, Opa und Enkel machen Campingurlaub und die Eltern kommen später nach, genießen in einer Wohnung aber mehr Privatsphäre als im Wohnwagen.

Dazu gibt es noch die Dauercamper, die auch auf dem Kleinenzhof bis zu zwei Drittel der 300 Plätze belegen – ein wichtiger Faktor für den Betrieb, „auch wenn die Zeiten vorbei sind, in denen sie Jahrzehnte ein- und denselben Platz innehatten“. Heute ziehen selbst Dauercamper, die überwiegend aus dem bis zu 80-Kilometer-Umkreis stammen, nach zwei, drei Jahren weiter, berichtet der Juniorchef.

Deutsche Gäste, die früher in der Hauptsaison zwei Wochen blieben, gehören ebenfalls der Vergangenheit an. „Im Trend sind kürzere Urlaube, verlängerte Wochenenden. Wenn die Feiertage arbeitnehmerfreundlich liegen, spüren wir das.“ Als ein Ausdehnen der Saison oder gar als Tendenz zu ganzjährigen Campingfreuden sieht Harter das allerdings nicht. Seiner Einschätzung nach ist die Zahl der Winter-Camper „bestenfalls stagnierend und sehr überschaubar“.

Fünf Sterne mit viel Indoor-Programm

So viele Aktivitätsmöglichkeiten so eine modern gestaltete Fünf-Sterne-Anlage den Gästen auch unter Dach bieten mag – zum Beispiel Hallenbad, Sauna, ein großes Freizeithaus mit Mehrzweckspielfeld, Jugend- und Kinderbereich, Vortragsraum und Fitnessstudio: Bei schlechtem Wetter leert sich der Platz. Viele Camper ziehen der Sonne nach. Und da es auf vielen Campingplätzen Usus ist, dass selbst bei Voranmeldung für einen längeren Zeitraum nur die Dauer des tatsächlichen Aufenthaltes bezahlt werden muss, kann ein Schlechtwetter-Sommer für die Betreiber schmerzlich sein.

„Das macht leider auch die Hauptsaison, in der wir für viele Camper aus den Benelux-ländern erste Anlaufstelle sind, für uns unkalkulierbarer“, bedauert Harter. Schließlich müssen hinter den Kulissen Planungen und Entscheidungen getroffen werden, die den Campingplatzbetrieb unter allen Umständen gewährleisten.

Es werde zunehmend schwieriger, den Personaleinsatz zu steuern. Platz-, Sanitär- und Apartmentreinigung, Abrechnung, Verkauf im Minimarkt, Restaurantbetrieb, die Vermietung von Elektroautos und -bikes, Tipps zur Freizeitgestaltung – alles muss laufen. Und obwohl immer Familienangehörige vor Ort seien, obwohl man saisonabhängig gute festangestellte Mitarbeiter und Aushilfen habe, muss der Chef einräumen: „An manchen Tagen ist das nicht alles zur vollen Zufriedenheit der Kleinenzhof-Besucher zu schaffen.“ Vor allem nicht bei denen, die meinen, „unsere Fünf-Sterne-Klassifizierung für den Campingplatz beziehe sich auch auf das Hotel. Zum Verwöhnen und Bemuttern reicht unser Personalschlüssel nicht.“

Aber dafür, dass das Gros der Gäste sich hier wohlfühlt und gerne wiederkommt, schon. Für den 35-jährigen Juniorchef war die Ausrichtung auf Familienurlaub, rückblickend betrachtet, „eine gute Entscheidung“. Man sieht's am Streichelzoo. Für Kinder ist das ein Grund, hierher zurück zu wollen. Und zufriedene Kinder bedeuten zufriedene Eltern.

Tipps zum Trip

Messe CMT in Stuttgart: Die CMT, die erste große Caravaning- und Touristikmesse dieses Jahres, findet vom 14. bis 22. Januar in Stuttgart statt. Camping-Partnerregion der Messe ist der Nordschwarzwald. Er präsentiert sich dort mit einem besonderen Programm. Neben Fremdenverkehrsämtern und Tourismusunternehmen werden dort auch 850 Reisemobile, Caravans und Freizeitfahrzeuge präsentiert. Die Messe im Internet: www.messe-stuttgart.de/cmt Natur oder Kultur? Beides findet, wer im Nordschwarzwald ausspannen will. Die als „Nachhaltiges Reiseziel“ zertifizierte „Unendlich Region“ Nordschwarzwald setzt sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit vorhandenen Ressourcen ein. Dazu gehört auch, dass Wirte mit Zutaten aus der Region kochen. Und es gehört dazu, dass Urlauber vor Ort ein E-Mobil mieten können. Infos zum Thema Nachhaltigkeit im Nördlichen Schwarzwald und zu den aktuellen Angeboten in der Region finden Sie im Internet unter unter: www.mein-schwarzwald.de Camping: Mehr als 60 Campingplätze gibt es im Schwarzwald, außerdem Dutzende Wohnmobilstellplätze. Eine Broschüre „Camping & Caravan“ kann angefordert werden bei Schwarzwald-Tourismus, Tel. (07 61) 89 646 93; Internet: www.schwarzwald-tourismus.info Auf Familien eingestellt ist der ganzjährig geöffnete Kleinenzhof (Camping, 306 Stellplätze auf einem langgestreckten Wiesenareal am Fluss, umgeben von Wald; 40 Mietunterkünfte) in Bad Wildbad im Tal der Kleinen Enz. Anschrift: Kleinenzhof 1, 75323 Bad Wildbad; Tel. (0 70 81) 34 35; Internet: www.kleinenzhof.de Preise in der Hauptsaison: Erwachsene 8 Euro, Kinder bis zwölf Jahre 5,20 Euro, (Wohnmobil-) Stellplatz 9,90 Euro. Mobilität: Elektroautos für bis zu fünf Personen und mit einer Reichweite von etwa 150 Kilome- tern können Urlauber ab Frühjahr 2017 wieder bei der Tourismus GmbH Nördlicher Schwarzwald, Tel. (0 70 52) 81 69 770, Internet: www.mein-schwarzwald.de buchen und voraussichtlich wie im Vorjahr auf Wunsch direkt im Kleinenzhof übernehmen. Der Tagespreis liegt bei 19 Euro, 39 Euro kostet das Zwei-Tages-Paket, zwei wählbare Eintrittsgutscheine für verschiedene Attraktionen sind inklusive. Ebenfalls bei der Tourismus GmbH buchbar ist das „Stadtflucht“-Angebot: Elektroauto für zwei Tage, Übernachtung inklusive Frühstück (Drei-Sterne-Landhotel), Eintrittsgutscheine zum Baumwipfelpfad und ins Gasometer in Pforzheim mit Asisi Panometer ab 99 Euro pro Person. Pforzheim feiert 2017 „250 Jahre Schmuck, Uhren und Design“ mit Ausstellungen und Live Acts. Im Gasometer ist das von Yadegar Asisi geschaffene, weltgrößte 360-Grad-Panorama „Rom 312“ noch bis Herbst 2017 zu sehen. Das Rundbild zeigt den triumphalen Einzug von Kaiser Konstantin und seinen Legionären nach der siegreichen Schlacht gegen Konstantins Gegner Maxentius im Jahr 312. Sehenswert: das Schmuckmuseum der Stadt (Internet: www.schmuckmuseum-pforzheim.de) Karlsruhe lässt sich energiefreundlich und ohne große Muskelkraft mit dem Scrooser der Firma CitySeg (www.city-seg.de) erkunden. Das neue Lifestyle-Gefährt funktioniert ähnlich wie ein Tretroller. Im Sommer empfiehlt sich der Besuch der kostenfreien Schlosslichtspiele (3. August bis 10. September) mit spektakulärer Illumination des Karlsruher Schlosses. Ausflugs- und Wandermöglichkeiten gibt es viele im Nordschwarzwald – zum Beispiel zu Deutschlands höchst gelegenem Hochmoor auf dem Sommerberg mit Besuch des Baumwipfelpfades. Der 13 Kilometer lange Wasser-, Wald- und Wiesenpfad führt als Rundwanderweg in das idyllische Rötelbachtal, vorbei an imposanten Felsformationen zu eindrucksvollen Aussichtspunkten. In Bad Herrenalb öffnet am 13. Mai 2017 die sogenannte kleine Landesgartenschau (bis 10. September). Ihr Herzstück ist der neu gestaltete Kurpark, das historische Klosterareal, die Schweizerwiese und das Flüsschen Alb.
Das historische Klosterareal in Bad Herrenalb lädt ein zum Bummeln.
Foto: Sabine Dähn-Siegel | Das historische Klosterareal in Bad Herrenalb lädt ein zum Bummeln.
Camper finden im Schwarzwald eine gute Infrastruktur.
Foto: Sabine Dähn-Siegel | Camper finden im Schwarzwald eine gute Infrastruktur.
Karlsruhe lässt sich umweltfreundlich per Scrooser erkunden.
Foto: Sabine Dähn-Siegel | Karlsruhe lässt sich umweltfreundlich per Scrooser erkunden.
Tiere hautnah erleben – das gehört zum Kleinenzhof.
Foto: Sabine Dähn-Siegel | Tiere hautnah erleben – das gehört zum Kleinenzhof.
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