Der Mond ist weit weg – und doch so nah. Gut vier Stunden Flug ab Deutschland und dann noch ein paar Kilometer über Land. Denn der Mond ist auf den Kanarischen Inseln, unter anderem mitten auf Teneriffa.
Wie auf dem Mond, nur bunter: So lässt sich die Gegend rund um den Teide beschreiben. Wer als Wanderer im Norden der Insel unterwegs ist, kommt an Spaniens höchstem Berg (3718 Meter) nicht vorbei. Was gut ist, denn die betörend-unwirkliche Vulkanlandschaft zieht in ihren Bann, lässt die Speicherkarten der Fotoapparate voll werden – und lenkt leicht davon ab, dass Teneriffas Norden auch andernorts für offene Münder bei Naturliebhabern sorgt.
Das Teno-Gebirge zum Beispiel. Aus Lava ist auch hier alles, daran kommt man auf Teneriffa nicht vorbei. Aber im Gegensatz zur Teide-Region kommt die weitgehend einsame Gegend mit ihren bis zu 1300 Meter hohen Gipfeln sattgrün und mystisch bis dramatisch daher – vor allem im häufigen Nebel.
Kurven, Kurven und nochmal Kurven
Am bekanntesten ist im Teno vor allem die zerklüftete Masca-Schlucht, durch die man vier Stunden bis zum Meeresstrand wandern konnte. Wegen des großen Touristenandrangs und damit einhergehender Unfälle wurde sie allerdings im Januar bis auf Weiteres geschlossen.
Das muss man nicht bedauern: Direkt von der unglaublich kurvigen Straße zwischen Santiago del Teide und dem Bilderbuch-Dorf Masca zweigt der Guergues-Steig ab. Von ihm aus blickt man die stellenweise senkrechten Felswände hinunter in die Masca-Schlucht. Perspektivwechsel ohne Schranken – und leicht zu wandern. Überhaupt muss man als Wanderer kein Hochalpinist sein, um auf Teneriffa auf seine Kosten zu kommen. Kletterpassagen gibt es nicht. Aber steil und damit schweißtreibend kann es immer wieder werden.
Gerade im Teno-Gebirge verläuft so mancher Wanderweg auf steinigen Pfaden, die die Einheimischen zum Teil bis vor nicht allzu langer Zeit als einzige Verbindung zwischen den Dörfern nutzten. So wie zwischen El Palmar und Teno Alto: Die Verbindungsstraße gibt es erst seit den 1970er Jahren. Der Weg von früher ermöglicht heute eine Wanderung durch zauberhafte Natur. Die darf als einzigartig bezeichnet werden: Auf Teneriffa wächst eine Reihe von Pflanzen, die endemisch sind, die es also nur auf den Kanaren gibt. Der ab Mai vor allem auf der Teide-Hochfläche rot blühende Natternkopf zählt dazu. Das schlanke Gewächs gilt als inoffizielles Wahrzeichen von Teneriffa.
Dann ist da noch die Sache mit den Mufflons
Auch im Tierreich gibt es Einzigartiges: Die blau schimmernde Kanarieneidechse zeigt durch ihren Namen, dass es sie nur auf den Inseln westlich von Afrika gibt. Lange suchen muss sie der Wanderer auf Teneriffa nicht: Ständig raschelt es in den Gebüschen oder Steinhaufen – und kaum kommt die Sonne raus, tanken die Echsen auf den Felsen Wärme.
Abgesehen davon ist auf den kargen Lava-Hochflächen rund um den Teide in der Tierwelt nicht viel los – sollte man meinen. In Wahrheit tummeln sich dort Lebewesen, die kaum ein Wanderer zu Gesicht bekommt: Mufflons. Diese scheuen Wildschafe sind für Naturschützer allerdings eine Plage, fressen sie das sowieso schon spärliche Grün weg. So versucht die Regionalregierung seit Jahren, die Mufflons in den Griff zu bekommen. Ziel ist die Ausrottung, denn die Tiere haben auf den Kanaren keine natürlichen Feinde – und gehören auch nicht dorthin. Ausgesetzt wurden sie Anfang der 1970er Jahre noch unter dem Regime des Alleinherrschers Franco. Wie überliefert ist, hatten sich damals Jäger auf Teneriffa dafür stark gemacht, weil sie bis dahin nur Kleinvieh wie Kaninchen oder Tauben vor die Flinte bekamen. Um den Spaß am Jagen zu steigern, sollten größere Lebendziele her.
Doch der Schuss ging nach hinten los. Die wilden Mufflons vermehrten sich so stark, dass sie schließlich zum Dorn im Auge der Naturschützer wurden. Die Regionalregierung setzt nun ausgerechnet auf die Hilfe der Jäger. Wichtig zu wissen für Wanderer: An einigen Tagen der Woche sind wegen der Jagd Wege im Teide-Nationalpark gesperrt. Schilder an zentralen Stellen weisen darauf hin. Der ganz große Wurf scheint das mit der amtlichen Mufflon-Jagd aber auch nicht zu sein: Einem örtlichen Medienbericht zufolge ist der Ehrgeiz der Waidmänner nicht immer ausgeprägt. Denn so mancher von ihnen will offenbar nicht wieder zurück in die Zeiten von Kaninchen und Taube – Mufflon-Plage hin oder her.
Das ist ein Dorado für Wanderer
Schlimmer noch: Jetzt scheinen auch Jäger auf der Nachbarinsel La Gomera auf den Geschmack gekommen zu sein. Denn erste Mufflons wurden auch dort gesichtet. Es ist unwahrscheinlich, dass sie durch den Atlantik hinübergeschwommen sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Weniger Probleme als mit den Mufflons haben die Tinerfenos, wie die Einheimischen genannt werden, mit Wanderern. Sie sind willkommen, wie allein das gute Netz an Wegen gerade im Norden der Insel zeigt. Die Beschilderung ist nicht immer lückenlos, doch auf den Hauptwegen wie im Teide-Nationalpark kann man sich auf sie verlassen.
Wer neben dem Wandern auch der Botanik zugetan ist, wird auf Teneriffa ebenfalls sein Glück finden. Das ist auch der Topografie der Insel zu verdanken. Zum Beispiel: Vom Strand beim Weinort Icod de los Vinos bis zum Gipfel des Teide sind es in gerader Linie gerade mal zehn Kilometer. Doch auf dieser Strecke geht es von Meereshöhe auf 3718 Meter hoch. Da wird schnell klar: In Teneriffas Norden wird es überall sehr schnell sehr steil. Botaniker wissen das zu schätzen: Flora und Fauna wechseln sich rege ab, je höher man kommt. Besonders gut ist das bei Wanderungen im Orotavatal zu erkennen. Das würdigte schon der Berliner Naturforscher Alexander von Humboldt, als er 1799 bei einem Aufenthalt aufs Orotavatal aufmerksam geworden war. Heute erinnert oberhalb der Stadt La Orotava ein Aussichtspunkt („Mirador de Humboldt“) daran.
Für Bade-Urlauber ist Teneriffas Norden nicht erste Wahl
Die Gegend ist auch in anderer Hinsicht interessant: Wegen des Wasserreichtums bohrten die Tinerfenos früher die Hügel an, um über künstliche Kanäle ihre Felder bewässern zu können. Zwar gibt es solche Eingriffe heute nicht mehr. Doch allerlei Bewässerungstechnik in Form großer Becken oder langer Freiluft-Leitungen sieht man auf der regenarmen Insel immer noch.
Apropos Wasser: Teneriffa ist nur zum Teil eine Badeinsel. Strand, Sand, Sonnenbrand – das ist eher was für den Süden, der sowieso wesentlich touristischer ist als der Norden. Dort wiederum ist Baden im Meer schon deshalb kaum ein Thema, weil man wegen der zum Teil mehrere hundert Meter hohen Steilküsten nicht ans Wasser kommt. Strände gibt es, doch man muss sie suchen.
Was Baden im Norden angeht, ist das schmucke Garachico eine der Ausnahmen. Eine besondere zudem: Ein Vulkanausbruch 1706 zerstörte große Teile des Dorfes, ließ aber Lavabecken am Meer zurück. Sie sind heute ein wunderbares Naturfreibad – bei freiem Eintritt.
Tipps zum Trip
- Anreise: Alle gängigen Fluglinien steuern Teneriffa an. Die Flugzeit beträgt gut vier Stunden ab Frankfurt/Main. Die Insel hat zwei Flughäfen: einen im Nordosten bei Santa Cruz und einen im Süden („Reina Sofia“), über den der Hauptanteil der Touristenflüge abgewickelt wird.
- Mietwagen: Das öffentliche Netz der Busgesellschaft Titsa ist gut und zuverlässig. Doch für die entlegensten Ecken Teneriffas ist ein Mietwagen ratsam. An den Flughäfen sind alle großen Verleiher vertreten. Wichtig: Die oft sehr steilen, engen und kurvigen Straßen im Inselnorden verlangen Autofahrern einiges ab.
- Literatur: Mit 80 Tourenvorschlägen von leicht bis schwer ist der „Rother Wanderführer“ das Standardwerk für Touren auf Teneriffa (14,90 Euro, Bergverlag Rother, München). Auch wer auf GPS vertraut: Gutes Kartenmaterial ist empfehlenswert, zum Beispiel die Kompass-Karte zu Teneriffa mit allen wichtigen Wanderwegen.
- Teide: Wer sich den nicht allzu schweren, aber langen Aufstieg ersparen will, kommt auf Spaniens höchsten Berg auch mit einer Seilbahn. Sie führt bis knapp unter den Gipfel (einfache Fahrt: 13,50 Euro für Erwachsene, Online-Reservierung ist zu empfehlen). Auf den Gipfel kommt man – Naturschutz! – nur mit behördlicher Genehmigung, für die ein langer Vorlauf einzukalkulieren ist.
- Wander-Tipps: Für alle Touren im Norden der Insel ist zu beachten, dass das Wetter sehr schnell umschlagen kann. Vor allem der Nebel macht dann die Orientierung gefährlich schwierig. Festes Schuhwerk, ausreichend Wasser, Ersatzproviant und warme Kleidung im Gepäck sollten für Wanderer Standard sein.