Häuser in hellblau, in grün, dann wieder knallig pink. Kaum eins höher als zwei Stockwerke. Manche schmückt ein Erker, viele eine blumenverzierte Veranda. Links ein knuffiges Vintage-Café, rechts ein Schmucklädchen, auf der anderen Seite der Main Street ein Klamottenshop für Wanderfreunde, daneben im ehemaligen Saloon das Burger-Restaurant. Und ein Geschäft für Weihnachtsbedarf gibt?s auch. Die „Main Street“ in Breckenridge erinnert den Besucher aus Deutschland auf den ersten Blick an Wertheim-Village, das Outlet-Center an der Autobahn A 3. So eine Stadt im Zuckerbäcker-Stil, die gibt es wirklich, im amerikanischen Westen, auf 2900 Metern Höhe. Fehlt eigentlich nur noch, dass ein Cowboy durch die Kulisse reitet. Immerhin: Ein goldener Cadillac biegt gerade um die Ecke.
Dabei ist Breckenridge alles andere als ein Kunstprodukt. Im Gegenteil. Das 4700-Einwohner-Städtchen nennt sich selbst „A Real Town“ (eine wirkliche Stadt). Eine, die Geschichte atmet wie wenig andere in den Rocky Mountains. Während Orte wie das 40 Kilometer entfernte Skisport-Mekka Vail erst im 20. Jahrhundert am Reißbrett konstruiert wurden, ist Breckenridge historisch gewachsen. Es waren Goldsucher aus dem rund 130 Kilometer entfernten Denver, die anno 1859 in der Umgebung erstmals Beute machten.
Mit den Minen entstand die Siedlung Breckinridge. Der Name geht auf den damaligen US-Vizepräsidenten John C. Breckinridge zurück. Ihn wollten die Gründer freundlich stimmen, auf dass er ihrer Stadt ein Postamt zuteilte. Der Plan ging auf. Als Breckinridge später im Bürgerkrieg mit den Südstaaten sympathisierte, war er nicht mehr so gelitten. Also änderte man den Namen: Breckenridge statt Breckinridge.
Derweil nahm der Goldrausch Fahrt auf. „Mitte der 1860er Jahre hatte Breckenridge 9000 Einwohner, 13 Salons und zwei Rotlichtbezirke“, berichtet Stadtführerin Heather bei der Führung durch die Quartiere aus viktorianischer Zeit. Ende des 19. Jahrhunderts war der große Boom vorüber, gleichwohl schloss die letzte Goldmine erst 1972. Heute lebt die Stadt (mit ihren 190 Abfahrten und 34 Liften) vor allem vom Ski-Tourismus. Doch immer mehr Gäste kommen auch im Sommer.
15 Autominuten von der Stadt entfernt, starten wir mit Guide Abraham zur fünfstündigen Hiking-Tour durch den White River National Forest. Vorbei an Moorseen und Wasserfällen geht es durch dichten Nadelwald in die Höhe. Die Luft wird dünner, Abraham empfiehlt uns Wanderern neben dem Wassertrinken „regelmäßiges Atmen“. „Was denn sonst?“, würde man gerne fragen. Aber wir wandern einfach weiter. Keine Sorge, auch wenig Geübte kommen hier gut voran. Für all die Mühen gibt?s schließlich Entschädigung: Der blaue Himmel bietet traumhafte Ausblicke auf das Bergpanorama der Rockys. Hinter der Baumgrenze führt der Weg weiter vorbei an Wiesen mit Arnika, Akelei und Sommerwurz zu den Mohawk Lakes. Ehrensache, dass wir es vorbei an Schneefeldern bis hinauf zum Upper Lake schaffen. „Jetzt sind wir über 4000 Meter hoch“, sagt Abraham. Das Atmen klappt problemlos, längst haben wir uns akklimatisiert. Die spektakuläre Bergkulisse rückt noch ein Stückchen näher.
Szenenwechsel. Zwischen Geröllpisten und aufgelassenen Bergbau-Halden leben Wesley und sein Team mit 160 Huskies. Zwischen vier Monaten und 14 Jahren sind die Tiere alt, am liebsten würden sie gleich losrennen. Wesley schlägt vor, sich mit Tretrollern von den Huskys ziehen zu lassen. Doch Vorsicht, das schaut gefährlich aus. Nach kurzem Überlegen sagen wir ab. Rex, Tyra und ein halbes Dutzend Kollegen kommen gleichwohl zu ihrer Trainingseinheit: Im offenen Vierrad-Wagen ziehen sie uns durch die Prärie. Lautes Gebell, großer Spaß. Vor allem, wenn es durch Pfützen geht. . .
Auf dem Weg zurück ins Städtchen machen wir Station bei der Breckenridge Brewery. Craft-Biere sind in den USA ein Renner, überall schießen kleine Brauereien aus dem Boden, um den Einheitsbieren der großen Konzerne Paroli zu bieten. Mit irren Rezepten wird da experimentiert. Kokosnuss-Bier? Geht so. Schokolade-Kaffee-Bier? Lecker. Bourbon-Bier? Gruselig. Und dann noch „Helles“ und „Hefeweizen“ als „special offer“. Ja, da fühlen wir uns daheim. Tags drauf beim Tasting in der Breckenridge Destillery schaut?s ähnlich aus. Whiskey mit Chili-Note oder Espresso-Aroma braucht kein Mensch. Klassischer Bourbon hingegen: ein Traum.
Höchste Zeit, die nächste Aktivität zu starten. Javier holt uns ab, zum Stand-up-Paddling. Oder einfach nur SUP, wie die Einheimischen sagen. Doch bevor es mit dem Spezialboard, eine Art verkürztes Surfbrett, auf den Colorado geht, steht erst eine fast zweistündige Autofahrt an. Solche Entfernungen sind nichts im Wilden Westen. Unterwegs sieht Amerika aus wie im Cowboy-Film. Rötlich schimmern die Felsen, vom Grün der Rockys ist nicht mehr allzu viel geblieben. Angekommen in Rancho del Rio verteilt Javier Bretter, Paddel und Schwimmwesten. Jeder muss es versuchen. Stehen auf dem Brett und dann noch paddeln? Im Schwimmbad vielleicht, aber auf dem Colorado mit Strömung? Jetzt bloß nicht ins Wasser fallen. Bleibt nur eins: Weichei sein und auf Knien paddeln. Schaut nicht elegant aus, funktioniert aber. Halbwegs wenigstens. Nur der Ausblick auf die grandiose Felslandschaft am Ufer kommt ein bisschen kurz.
Javier schaut etwas kritisch. Darf er auch, schließlich hat er letzten Sommer 22 Tage lang den Grand Canyon auf dem Board durchpaddelt. Plötzlich ragen Steine aus dem Wasser. „Am ersten rechts vorbei und dann zwischen den beiden Felsen dahinten einfach durch. Aber passt auf die Strudel auf.“ Durchatmen. Irgendwie klappt es. Und nach zwei Stunden (mit Pausen) ist die Sieben-Kilometer-Tour auch schon vorbei.
Zur Belohnung gibt?s nach der Rückkehr ins SUP-Camp Burger bei K.K. Seit 23 Jahren führt die alte Dame („mein Alter sag ich nicht“) hier in der Prärie den Grill mit dem sinnigen Namen „Center of the Universe“. K.K.'s rauem Charme entkommt niemand, sie liebt Janvier und seine Sportsfreunde. Die Burger dauern, aber sie sind großartig: Neben dem Rindfleischklops liegen Sauerkraut, Gurke und eine scharfe Wurst im Brötchen. So muss der Wilde Westen sein.
Tipps zum Trip
Information: Alles Wissenswerte rund um Breckenridge liefert die Website www.gobreck.com/deutschland
An- und Einreise: Die Lufthansa bietet Direktflüge von Frankfurt und München nach Denver an; United Airlines fliegt ab Frankfurt mit Zwischenstopp in Washington oder Chicago. Wer in die USA einreist, muss sich vorher über das „Electronic System for Travel Authorization“ (ESTA) im Internet eine elektronische Einreisegenehmigung besorgen. Diese kostet 14 Dollar (Zahlung per Kreditkarte) und gilt zwei Jahre. Am Flughafen Denver Weiterfahrt mit Mietwagen oder mit dem Colorado-Mountain-Express-Shuttle (Kosten ab 53 Dollar) nach Breckenridge.
Unterkunft: Great Western Lodging bietet verschiedene Arten von Unterkünften an: www.gwlodging. Die Anlage „The Coral“ bietet Appartements ab 184 Dollar die Nacht. Eines der wenigen Hotels mit komplettem Service: Beaver Run (www.beaverrun.com).
Bergtouren: Geführte Wander-, Rad- und Kletterausflüge sind ab 69 Dollar buchbar: www.coloradobikeandskitours.com
Stand-up-Paddling: Die 2,5-Stunden Tour für Anfänger auf dem Colorado-River gibt's mit Guide ab 109 Dollar online unter: www.standuppaddlecolorado.com
Hundeschlitten: Die 75-minütige Tour mit dem Cart kostet 65 Dollar für Erwachsene, 45 für Kinder. Info: www.snowcapssleddogs.com
Goldmine: Die historische Mine Breckenridge (3,5 Kilometer vom Zentrum) ist von Mai bis Oktober täglich geöffnet, im Winter geschlossen. Führungen (mit Goldwaschen) kosten 29,95 Dollar für Erwachsene, 15,95 für Kinder. Info: www.countryboymine.com