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Québec: Ab in die Wildnis!
Weit und breit das einzige Haus: die Auberge de montagne des Chic-Chocs
Foto: Pia Lehnfeld | Weit und breit das einzige Haus: die Auberge de montagne des Chic-Chocs
Pia Lehnfeld
Pia Lehnfeld
 |  aktualisiert: 27.04.2023 05:16 Uhr

Nur langsam geht es bergauf, entlang an dichten Nadelwäldern, über hölzerne Brücken und durch enge Täler. Weit und breit keine Menschenseele, kein Haus, keine Zivilisation. Willkommen in der Wildnis! Etwa eineinhalb Stunden dauert die Autofahrt zur Auberge (Französisch für Herberge) de montagne des Chic-Chocs, einer einsamen Lodge inmitten der Gaspésie-Halbinsel der kanadischen Provinz Québec. 55 Kilometer geht es von Cap-Chat, einer kleinen Stadt am Sankt-Lorenz-Strom, südlich über Stock und Stein. Die Straße ist im Winter mit einem Auto kaum passierbar. Doch im Sommer, wenn die Chic-Choc-Berge (in Reiseführern auch unter Monts Chic-Chocs oder Chic-Choc Mountains zu finden) von Schnee befreit sind, lässt sich die Strecke zumindest mit einem Geländewagen gut bewältigen. Schneeraupen am Straßenrand lassen erahnen, wie der Transport im Winter aussieht.

Und dann ist sie plötzlich erreicht, die Auberge de montagne des Chic-Chocs. Umschlossen von Wäldern und Bergen thront sie in 615 Metern Höhe stolz auf einem Vorsprung inmitten der Wildnis. Schnell wird klar: Wer in die Lodge – ein Öko-Vier-Sterne-Hotel mit nur 18 Zimmern und die einzige Mountain Lodge in Ostkanada – kommt, soll eins werden mit der Natur.

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Kein Handyempfang

Es gibt kein Telefon, kein WLAN, kein Fernsehen. Handyempfang? Der hat sich schon auf der Hinfahrt verabschiedet. Stattdessen ein gemütlich-rustikales Ambiente samt großem Kamin im Aufenthaltsraum, Sauna und Whirlpool. Und: Die Auberge verfügt über ein gut 60 Quadratkilometer großes Territorium voller Seen, Wasserfälle und Elche. Statt E-Mails schreiben und Social Media heißt es nun Wandern, Mountainbiken oder Kanufahren – abgeschnitten vom Rest der Welt. Digital Detox at its best – Zwangserholung für Überarbeitete und Gestresste.

Wer in dieser Gegend auf der Suche nach einer anderen Unterkunft ist, hat Pech. Die Auberge ist zusammen mit der Luftlinie 44 Kilometer entfernten Gîte du Mont-Albert am Fuße des Mont Albert das einzige Hotel im Inneren der nur schwer zugänglichen Gaspésie-Halbinsel. Nachvollziehbar also, warum die Micmac-Indianer die Berge Chic-Chocs – zu Deutsch: „undurchdringliche Mauer“ – tauften.

Wölfe wurden ausgerottet

Angst vor gefährlichen Wildtieren muss in den Chic-Choc-Bergen, die sich südlich des Sankt-Lorenz-Stroms erstrecken, allerdings niemand haben. „Wölfe waren auf der südlichen Seite des Stroms zur Jagd ausgesetzt und wurden ausgerottet“, sagt Manager Guy Laroche. Zwar gibt es Schwarzbären in Québec – zu Gesicht bekomme man die scheuen Tiere jedoch so gut wie nie, heißt es. Dafür verspricht Laroche: „Ihr werdet aber sicher einen Elch sehen.“ Im Territorium der Auberge ist die Jagd verboten, die Gegend ist bekannt für ihre hohe Elchpopulation.

Gleich die erste Wanderung zum Wasserfall Chute Hélene wird zu einem Abenteuer. Es geht die steilen Hänge hinab, ein Trampelpfad führt durch den dichten, hellgrünen Farn. Die Luft ist schwül-heiß an diesem Nachmittag – ganz anders, als man sie in Kanada vermutet. Moskitos sorgen für das ein oder andere ungebetene Souvenir und beißen sich sogar durch die Kleidung. In der Ferne donnert es. Unten am Wasserfall ist es frischer. Die imposanten Wassermassen stürzen die Klippen hinab, um sich dann in einem klaren Bach zu verlieren, der sich schließlich seinen Weg durch die Wälder bahnt.

Erwischt! Eine Elchkuh steht gut getarnt zwischen den Baumstämmen.
Foto: Pia Lehnfeld | Erwischt! Eine Elchkuh steht gut getarnt zwischen den Baumstämmen.

Trampelpfade stammen von den Elchen

Auf dem Rückweg zur Lodge zeigt Petrus, was ein Gewitter in den Chic-Choc-Bergen bedeutet: tropisches Dschungel-Feeling in Kanadas Osten. Wie aus dem Nichts ergießt sich ein gewaltiger Regenschauer über die Wälder. Binnen Minuten ist der Boden aufgeweicht. Doch nicht das richtige Wetter für eine Wanderung, es geht zurück. „Die meisten Trampelpfade stammen von den Elchen“, erklärt Guy Laroche später. „Die müssen wir gar nicht anlegen.“ Einzig blicken ließ sich an diesem Tag kein Elch. Enttäuschung macht sich breit. Vor allem, als Isaac – ein Guide der Auberge – beim Abendessen erzählt: „Ich habe heute schon einen Elch gesehen.“ Doch dann beruhigt er: „Ich verspreche Euch, Ihr werdet morgen einen sehen.“ Hoffentlich!

Regionale küche mit französischer Tradition

Abends wird in der Auberge gemeinsam gegessen, familiär geht es hier zu. Ein Menü gibt es nicht, stattdessen für alle dasselbe Gericht. „Wir kaufen nur einmal in der Woche ein“, sagt Laroche. Das will gut organisiert sein. Der Qualität des Essens tut das keinen Abbruch. Küchenchef Alain Laflamme ist ein Kenner der regionalen Küche, die von der französischen Tradition noch stark geprägt ist. Als schließlich die Nacht über den Chic-Choc-Bergen hereinbricht und die Wälder mit ihrer Dunkelheit verschlingt – da fühlt man sich fast ein wenig verloren in der Wildnis Québecs. Inzwischen ist die Luft kalt und klar. Mond und Sterne sind die einzige Lichtquelle in dieser pechschwarzen, stillen Nacht.

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Foto: Pia Lehnfeld

Natur so weit das Auge reicht

Am nächsten Tag steht eine Wanderung auf den nach seiner Höhe benannten Mont 780 an. Ob es heute mit dem Elch klappt? Isaac begleitet uns. Mit einer Machete schneidet er den Pfad frei. Hier kommt selten jemand vorbei. Nur mühsam geht es voran. Auch wenn die Chic-Chocs nicht besonders hoch sind – der höchste Berg ist mit 1268 Metern der Mont Jacques-Cartier –, ist die Wanderung wegen der Schwüle durchaus anspruchsvoll.

Doch die Aussicht vom Gipfel auf die Landschaft lässt alle Anstrengung vergessen. Der Blick schweift über die Bergketten und die dunkelgrünen Wälder bis zum Horizont. Natur, so weit das Auge reicht. Keine Stromtrassen, keine Straßen, kein einziger Fremdkörper in der Natur. Dazu absolute Stille. In den Weiten der Chic-Choc-Berge ist die Einsamkeit zu Hause.

Imposant: der Wasserfall Chute Hélene in den Chic-Choc-Bergen
Foto: Pia Lehnfeld | Imposant: der Wasserfall Chute Hélene in den Chic-Choc-Bergen

Begegnung mit einem Elch

Auf dem Rückweg zur Auberge, als die Hoffnung schon fast geschwunden ist, geschieht es dann plötzlich doch noch: Ein Elch steht zwischen den Baumstämmen, gut getarnt mit seinem dunkelbraunen Fell. Es ist eine Elchkuh. Majestätisch steht sie da, den Blick ruhig auf die Wanderer gerichtet. Für ein paar Minuten bleibt Snow White so stehen, vollkommen anmutig, ehe sie wieder in den Tiefen der Wälder verschwindet.

Tipps zum Trip

Die Preise für ein Doppelzimmer in der Auberge starten im Sommer (Anfang Juli bis Mitte September, Nebensaison) pro Person ab 145 Euro pro Nacht. Im Preis enthalten: Verpflegung, Aktivitäten, Ausrüstung und der Transport.

Internet: www.sepaq.com/ct/amc Québec ist die flächenmäßig größte Provinz Kanadas und die einzige, in der Französisch ausschließliche Amtssprache ist. Die Hauptstadt der Provinz heißt ebenfalls Québec. Die meisten Menschen in Québec sprechen zwar Englisch, Französischkenntnisse sind abseits der Städte dennoch von Nutzen.

Die Halbinsel Gaspésie bildet einen Teil von Québec. Der Name geht auf die Micmac-Indianer zurück und bedeutet „Ende der Welt“. Da der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle bildet, wurde die Infrastruktur entlang des Sankt-Lorenz-Stroms gut ausgebaut.

Moskitos sind im Sommer eine echte Plage: Mückenschutz nicht vergessen!

Vogelfreunde kommen in Québec auf ihre Kosten: Auf der kleinen Insel Île aux Lievres (Hare Island) im Sankt-Lorenz-Strom beispielsweise lassen sich zahlreiche Vögel – darunter auch Eiderenten – beim Nisten beobachten. Mehr Infos über Québec gibt es im Internet unter www.quebecmaritime.ca

„Die meisten Trampelpfade stammen von den Elchen.“
Guy Laroche, Manager der Auberge de montagne des Chic-Chocs
 
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