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PJÖNGJANG
Nordkorea – Reise in ein abgeschottetes Land
Meine Reise: Wer Nordkorea hört, denkt an Diktatur, Sozialismus, politische Spannungen. An nichts jedenfalls, das Lust macht auf Urlaub. Und trotzdem war Christoph Walther da. Ein Leser berichtet über Fremdes in Ostasien.
Das Leben auf dem Land ist einfach. Ochsenkarren und Fahrräder dominieren die Wege.
Foto: Alle Christoph Walther | Das Leben auf dem Land ist einfach. Ochsenkarren und Fahrräder dominieren die Wege.
Von unserem Leser Christoph Walther
 |  aktualisiert: 04.03.2017 03:50 Uhr

Warum reist man nach Nordkorea – freiwillig und dann noch in seinem Urlaub? Unser Leser Christoph Walther aus Gerbrunn (Lkr. Würzburg) war da. Mit seinem Bericht eröffnen wir die Reihe „Meine Reise“. In loser Folge veröffentlichen wir Leserberichte über Reisen, die nicht alltäglich sind. Sie haben zum Beispiel Deutschland zu Fuß durchquert, einen Survivaltrip in die sibirische Tundra unternommen, einen Kochkurs auf den Bahamas gemacht oder auf einer Alm Melken gelernt? Schreiben Sie uns, wo Sie waren, an red.reise@mainpost.de. Wir nehmen mit Ihnen Kontakt auf um zu klären, ob Ihr Urlaub in unsere Reihe passt.

Warum also Nordkorea? Vordergründig lässt sich das mit Reise- und Abenteuerlust erklären. Doch dahinter steht der Wunsch, das am meisten abgeschottete Land der Welt zu besuchen, dem politischen System dort zu begegnen und sich ein eigenes Bild zu machen – soweit das überhaupt möglich ist.

Die Reise zusammen mit meinem Bruder beginnt mit einem Flug nach Peking und anschließend einer 24-stündigen Bahnfahrt nach Pjöngjang, der Hauptstadt von Nordkorea. Es ist in diesem Land die einzige Zugstrecke, die man als Ausländer befahren darf. Im Schlafwagen mit Vierbett-Abteil treffen wir auf den dritten Mann, einen Polizisten aus Schwaben, der während der nächsten zwölf Tage zu unserer Dreier-Reisegruppe gehören wird.

Den ersten Eindruck vom Land bekommen wir an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze. Auf beiden Seiten steht der Zug jeweils circa zwei Stunden für die Grenzformalitäten. Die Nordkoreaner lassen alle Gepäckstücke öffnen, greifen mit der Hand hinein, blättern in meinem Reiseführer. Später werde ich erfahren, dass das Buch in Nordkorea verboten ist, weil es „falsche Informationen“ über das Land enthalten soll. Der Grenzer kann es aber nicht lesen, erkennt jedoch schöne Bilder und gibt mir das Buch zurück. Mein Sprachbuch mit Lautschrift in Deutsch dagegen weckt seinen Verdacht. Es macht auf dem Bahnsteig die Runde unter den Beamten, bis wohl irgendjemand klarstellt, dass es harmlos ist. Ich erhalte es zurück. Die Anspannung legt sich.

Der Zug fährt mit 60 bis 80 km/h Richtung Pjöngjang. Im Hauptbahnhof werden wir drei von zwei Reiseleitern und einem Fahrer in Empfang genommen. Das Trio wird bis zur Rückfahrt nicht mehr von unserer Seite weichen. Sie organisieren das Reiseprogramm und sagen uns, was wir fotografieren dürfen und was nicht. Auch ein Einzelreisender würde drei Begleiter zugeordnet bekommen, erfahren wir. Einer unserer Reiseführer (28) spricht recht gut Deutsch, er hat vier Jahre an der Uni in Pjöngjang studiert. Die andere Reiseführerin (22) spricht ein schwer verständliches Englisch.

Unser Yanggakdo International Hotel mit 48 Stockwerken liegt auf einer Insel im Fluss Taedong. Aus dem 28. Stock haben wir eine tolle Sicht auf die Stadt. Sie besuchen dürfen wir aber nicht ohne unsere Reiseleiter. „Das ist Regel bei uns“, sagen sie. Wie auch, dass Blumen vor dem „Großen Monument“ niederzulegen sind. Das sind 20 Meter hohe Bronzestatuen von Diktator Kim Il-Sung und seinem Sohn Kim Yong-Il. Diese Stätte gilt als heiliger Ort, sich vor der Statue zu verbeugen sei Brauch und der Höflichkeit geschuldet, sagt der Reiseführer. Ich bin zwar bereit, Blumen zu kaufen. Verbeugen will ich mich aber nicht.

Fahrten mit der Metro stehen auf dem Programm. Manche Stationen sind wie in Moskau prachtvoll gestaltet. Triumphbogen zur Befreiung von den Japanern, Turm der Juche-Idee, Revolutionsmuseum, der Kim-Il-Sung-Platz, das Denkmal zur Gründung der Arbeiterpartei sind weitere Stationen. Alle Bauten und Plätze haben gigantische Ausmaße. Doch nirgends kann man sich hinsetzen, Bänke oder Cafés zum Verweilen gibt es in der ganzen Stadt nicht. Es gibt keine Fußgängerzone, Werbung existiert nur als Banner mit politischen Parolen, der Autoverkehr ist überschaubar. Eine achtspurige Straße kann man im Land der Fußgänger und Fahrradfahrer gefahrlos überqueren.

Viele der Denkmäler haben symbolisch gehaltvolle Baumaße

Im Koreakrieg wurde das alte Pjöngjang durch die Amerikaner so gut wie völlig zerstört. Die neue Stadt wurde großzügig mit Sichtachsen und mehrspurigen Straßen wiederaufgebaut. Viele der Denkmäler haben symbolisch gehaltvolle Baumaße: Jahrestage oder Geburtsdaten der Führer bestimmen Höhe oder Ausmaß der Bauten. Nur das Universitätsgebäude darf man als Tourist nicht betreten. Pjöngjang ist insgesamt eine boomende, moderne Stadt mit vielen neuen Hochhäusern. Hier leben rund drei Millionen der 23 Millionen Nordkoreaner.

Das Leben auf dem Land ist deutlich einfacher. Es dominieren Ochsenkarren und Fahrräder. Die Maisernte liegt zum Trocknen auf den Straßen. Hirten mit Ziegen, Hühnern und Puten sind zu sehen, einfache, vom Staat gebaute Häuser mit Kleingärten zur Selbstversorgung. Die Mais- und Reisfelder sind meist von Sojabohnenpflanzen umgeben. Überall sitzen Menschen, die sich unterhalten. Schweine werden auf dem Fahrrad zum Markt gefahren. Es ist schwülwarm. Das Wetter ist kontinental, im Winter kann es hier gut minus 20 Grad werden.

Mit einer 40-sitzigen Iljuschin 18 fliegen wir von Pjöngjang in den Norden nach Samjiyon. Von dort geht es auf den höchsten Berg des Landes, den 2750 Meter hohen Paektusan – ein heiliger Berg der Revolution. Das ist weithin sichtbar in den Berg gemeißelt. Die letzte Etappe bewältigen wir mit einer stark in die Jahre gekommenen Standseilbahn. Oben kommt die Sonne heraus, wir schauen in einen über 300 Meter tiefer liegenden, blaugrünen Kratersee. Es ist eine atemberaubend schöne, karge Bergwelt.

Auf der Autobahn geht es nach Panmunjon an die Grenze zu Südkorea. Die Autobahn voller Schlaglöcher wird auch von Fußgängern und Radfahrern genutzt. Das Verkehrsaufkommen ist gering. Lastwagen, Busse, Militärfahrzeuge und amtliche Autos sind unterwegs. Autos aus Privatbesitz sind an den gelben Nummernschildern zu erkennen und selten. Die einzige Autobahnraststätte des Landes erwartet ihre Gäste mit dem Verkauf von Schriften von Kim Il Sung und zur Bewirtung mit Stühlen auf dem Parkplatz.

An der Grenze ist alles genau geregelt: Vormittags dürfen Nordkoreaner nach Südkorea schauen, am Nachmittag schauen Südkoreaner nach Nordkorea. So ist sichergestellt, dass man sich nicht sieht. Auf der nordkoreanischen Aussichtsterrasse kommt es aber dennoch zu einer bemerkenswerten Begegnung: Der uns führende Offizier fragt, wer in der Reisegruppe der Polizist sei. Er habe gehört, dass Deutschland Probleme mit Terroristen habe. Was der Polizist denn mache, wenn ein Terrorist kommt, und dann die Frage an ihn, ob er stolz auf seinen Beruf und sein Land sei. Alles andere als ein klares „ja“ würde kein Nordkoreaner verstehen. Unser Reiseführer dolmetscht. Beide Polizisten geben sich die Hand und wir fotografieren diese überraschende Begegnung.

Beim Essen, Einkaufen und in den Hotels bleiben wir als Touristen unter uns

Die Menschen sind freundlich, es gibt keine Feindseligkeit, vereinzelt skeptische Blicke. An einem Wasserfall tanzen wir spontan mit einer Gruppe picknickender Nordkoreaner, die Musik dabei haben. Beim Essen, Einkaufen und in den Hotels bleiben wir als Touristen unter uns. Wir werden in ausgesuchte Gaststätten und Läden geführt. So treffen sich die verschiedenen Reisegruppen aus Zug und Flugzeug immer wieder, tauschen Eindrücke aus. Das Essen ist für Touristen ausgesprochen reichhaltig und schmackhaft. Die Waage zu Hause gibt gnadenlos Rückmeldung. Viele Nordkoreaner haben Smartphones, doch es gibt nur ein regionales Intranet. Zugang zum weltweiten Internet ist einer Privatperson nicht möglich. Erst 50 Kilometer vor der Grenze zu China gibt mein Handy ein Funksignal, doch eine SMS kann ich nicht nach Deutschland schicken.

Bei den durchaus möglichen politischen Diskussionen mit unserem Reiseführer wurde dies deutlich: Nordkorea hat ein politisches Trauma durch die Kolonisation durch Japan. Es versteht sich als einziger sozialistischer Staat der Welt. Deshalb ist Nordkorea seine wirtschaftliche und politische Eigenständigkeit ohne fremde Truppen im Land wichtig – und der Atombombenbesitz wird als Garantie gewertet, dass das Land nicht angegriffen wird. Waffenbesitz als Faustpfand für Frieden ist eine Argumentation, die uns Deutschen durchaus bekannt ist, wenn man im Kalten Krieg aufgewachsen ist, ebenso das Leiden der Koreaner an der Teilung ihres Landes.

Als Resümee bleibt: Man kann nach Nordkorea reisen und sich einen eigenen begrenzten Eindruck machen. Dafür hat sich der Aufwand gelohnt. Der Bewegungsspielraum allerdings ist eingeschränkt. Und es begleitete uns immer wieder der Zweifel, ob das, was uns gezeigt wurde, inszeniert oder authentisch war.

Mit dem Zug geht es zurück nach Peking – zu aggressiver Leuchtreklame, Obdachlosen am Hauptbahnhof, einer Fußgängerzone und lärmendem Verkehrschaos. Vorher hätte ich nie gedacht, dass ich mich in Peking schon (fast) wieder wie zu Hause fühle.

Tipps zum Trip

Reiseplanung: Individual- oder Gruppenreisen sowie die Besorgung eines notwendigen Visums werden von Reisebüros in Deutschland angeboten und vermittelt. Die Reiseroute wird mit dem staatlichen Büro in Nordkorea abgestimmt. Der Preis richtet sich neben der Länge der Reise und der Route auch nach der Zahl der Teilnehmer. Es gibt Anbieter, die auch schon für einen Teilnehmer aktiv werden. Auf kurzfristige Änderungen des Programmes vor Ort muss man sich allerdings immer einstellen. Währung: Gezahlt wird überall in Nordkorea mit Euro, US-Dollar oder Yuan. Wechselgeld ist manchmal eine Mischung aus allen drei Währungen. Inländische Währung kann ein Tourist nicht erwerben. Essen und Trinken: Touristen werden in bestimmte Restaurants geführt, Nordkoreaner essen dort in der Regel nicht. Touristen werden gut, ausreichend und vielfältig versorgt. Getrunken werden häufig Tee und ein süffiges Bier auf Gersten- und Reisbasis. Selbst Coca-Cola ist für Touristen zu haben. Die Versorgung der Einheimischen scheint in Ordnung, die Zeiten der Mangelversorgung sind inzwischen vorbei. Literaturtipps: Christian Eisert (2015): „Kim & Struppi. Ferien in Nordkorea“, Berlin, Ullstein Verlag. Arno Maierbrugger (2014): „Nordkorea. Geschichte, Kultur, Sehenswürdigkeiten“, Berlin, Trescher Verlag.
Auf dem Land liegt die Maisernte zum Trocknen aus.
Foto: Christoph Walter | Auf dem Land liegt die Maisernte zum Trocknen aus.
Tanz unterm Parteizeichen.
Foto: Christoph Walter | Tanz unterm Parteizeichen.
Das „große Monument“: Diktator Kim Il-Sung und sein Sohn Kim Yong-Il.
Foto: Christoph Walter | Das „große Monument“: Diktator Kim Il-Sung und sein Sohn Kim Yong-Il.
Pjöngjang – eine moderne Großstadt.
Foto: Christoph Walter | Pjöngjang – eine moderne Großstadt.
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