Viele kleine Holzboote hüpfen über die Wellen, die sich auf dem Bassin im Jardin du Luxembourg kräuseln. Mit langen Stöcken geben die Kinder ihnen einen Schubs. „Genau hier hat sie gesessen“, ruft Regine Zweifel und zeigt auf die Steineinfassung. In ihrer Hand hält die Stadtführerin eine alte Autogrammkarte. Auf dem Foto lässt Romy Schneider gerade eines der Spielzeug-Boote zu Wasser und lächelt dabei süß in die Kamera. „Und da drüben, an der Treppe neben der Amphore, haben Romy und Horst Buchholz sich im Film geküsst“, erklärt Regine Zweifel und zieht ein zweites Foto aus der Handtasche. „Monpti“ ist in verschnörkelter Schrift auf den Bildrand geschrieben.
Für die Dreharbeiten zu dem deutschen Kinofilm besuchte Romy Schneider 1957 zum ersten Mal die französische Metropole. Ob sie damals ahnte, wie sehr diese Stadt ihr Leben prägen würde? „In Paris habe ich leben und lieben, mich zu bewegen und mich zu kleiden gelernt“, wird sie viele Jahre später in ihr Tagebuch schreiben. „Ich habe das Gefühl, ich wurde in Wien geboren, um in Paris zu leben.“ Fast 20 Jahre lang hat Romy, mit kurzen Unterbrechungen, in der Stadt gelebt. Sie floh hierher, um das Sissi-Image loszuwerden und um der Kontrolle der strengen Mutter zu entgehen. „Romy war damals 21. Die Stadt war für sie der Inbegriff von Freiheit, selbstbestimmtem Leben und Liebe“, sagt Paris-Expertin Zweifel, die sich für individuelle Führungen auf die Spuren der Leinwandlegende macht.
Am Quai Malaquais, in Haus Nummer 3, steht im dritten Stock ein Fenster offen. Hier war das erste Liebesnest von Romy Schneider und Alain Delon. Zwei Jahre wohnten sie in den beiden schmal geschnittenen Zimmern, die Toilette auf dem Treppenabsatz. Romy hatte Delon 1958 beim Dreh zu dem Melodram „Christine“ kennengelernt. Während sie am Anfang noch wenig begeistert von dem „zu wohl frisierten, als Gentleman verkleideten Burschen“ war, war es um ihn sofort geschehen. „Sie hat mich fasziniert. Ich konnte ihrer Reinheit nicht widerstehen“, sagte er. Ein paar Wochen später, am Ende der Dreharbeiten in Wien, war auch Romy „hin und weg“. Sie flog gegen den Willen ihrer Mutter nach Paris und meldete sich vom Flughafen Orly aus bei Delon.
Damals war die 21-Jährige der Superstar und er noch ein No-Name. Das war ihr egal. Das Paar genoss das Leben, besuchte Theater- und Kino-Premieren und feierte die Nächte durch. Tagsüber lernte Romy Französisch und erkundete mit der Métro die Stadt. „Die Pariser U-Bahn ist zwar oft schmutzig, dafür aber unerhört schnell“, schwärmte sie in einem Interview. Ein Métro-Ticket kostete damals nur 37 Centimes (heute 1,70 Euro). Sonst war Romy weniger preisbewusst. Als Kind aus wohlhabendem Hause hatte sie nie den Umgang mit Geld gelernt, sondern gab es mit vollen Händen aus.
Auch wenn sie mit ihrer Heimat zeitlebens auf Kriegsfuß stand, so vermisste sie doch das herzhafte deutsche Brot. Ihre Rettung war Lionel Poilâne. Bis heute backt der kleine Bäcker in der Rue du Cherche-Midi 12 rustikales Vollkornbrot im Holzofen. Ein Laib kostet 8,50 Euro. Im „Les Deux Magots“ ist man bis heute stolz, dass die schöne Schauspielerin hier ein und aus ging. Das Café im Stadtteil Saint-Germain des Prés war damals ein Literaten- und Künstlertreff. Bis 1974 wohnte Romy mit ihrem Sohn David um die Ecke, in der Rue Bonaparte 34, und ließ hier gerne den Abend ausklingen. „Madame trank gerne ein Glas Rotwein und nicht selten auch zwei und rauchte dazu eine Gauloises“, erinnert sich einer der Kellner.
Doch lange wohnte Romy nicht in Saint-Germain. Insgesamt zog sie acht Mal innerhalb der Stadt um. Nach der Verlobung kaufte Alain Delon eine 650 Quadratmeter große Stadtvilla in der Avenue de Messine 22 und ließ sie umbauen. Heute weht über der Eingangstür eine blau-gelbe Fahne, ukrainisches Kulturzentrum steht am Klingelknopf. Die Direktorin Olena Mistal öffnet. Eigentlich hat sie Feierabend, aber als sie hört, dass Regine Zweifel auf den Spuren von Romy unterwegs ist, überlegt sie es sich anders und beginnt eine kleine Führung. „Den nachtblauen Teppich im Eingangsbereich hat Alain Delon ausgewählt“, erklärt sie und führt die geschwungene Treppe hinauf in den zweiten Stock. In der Sauna liegt noch ein Stapel Holzscheite von damals. Wirklich spannend wird es unter dem Dach. Versteckt hinter einer Tapetentür führt eine schmale Treppe nach oben in ein Badezimmer. Der Boden ist mit grünem Teppich ausgelegt, die Wände sind mit einer Palmen-Tapete tapeziert, in einer Nische ist ein Whirlpool eingelassen. „Alain und Romy haben dieses geheime Liebesnest selbst gestaltet“, sagt Mistal. Vor zwei Jahren sei Delon noch einmal hier gewesen. „Er war aufgewühlt“, erzählt sie. Hier hatte Delon Romy verlassen. Als sie 1963 von einem Dreh in Hollywood nach Hause kam, lag neben einem Strauß roter Rosen ein Brief: „Bin mit Natalie nach Mexiko, alles Liebe Alain.“ Romy war am Boden zerstört. Sechs Jahre später hat Delon das Haus für zwei Millionen Franc (300 000 Euro) verkauft.
Über kaum eine Schauspielerin wird so viel spekuliert wie über Romy. Wohl nicht zuletzt, weil ihre Geschichte so märchenhaft begann und so tragisch endete. Auch um die Todesursache ranken sich Legenden. Brachte sie sich bewusst um? Starb sie an einem falsch dosierten Medikamentenmix? Ihr letzter Lebensgefährte Laurent Petin hatte sie am Morgen des 28. Mai 1982 tot am Schreibtisch in der gemeinsamen Wohnung in der Rue Barbet de Jouy 11 gefunden. Das Sandsteinhaus, unweit des Rodin-Museums, ist frisch sandgestrahlt. Die Scheiben sind dunkel getönt, auf den langen Glasbalkonen lässt sich kein Mensch blicken. Dieses Haus wirkt wie ein Fremdkörper in der Straße mit den ansonsten schönen Bauten aus dem 18. Jahrhundert. Fremd im eigenen Leben, so muss Romy sich gefühlt haben, nachdem ihr Sohn David bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen war.
Bis vor ein paar Jahren kamen noch regelmäßig Fans, um Blumen vor dem Haus niederzulegen. Hausmeister Monsieur Vautrin hatte zu Lebzeiten versucht, die Erinnerung an Romy lebendig zu halten und für die Hauswand eine Gedenktafel gebastelt. „Sie war so eine wundervolle Schauspielerin“, sagt seine Witwe. „Es wäre doch schade, wenn sie in Vergessenheit gerät.“ Vor ihr liegt ein Zeitungsausschnitt von damals. Auf dem Foto auf der Titelseite verlässt Alain Delon mit versteinerter Miene das Haus.
Woran Romy gestorben ist? Herzversagen, steht im Totenschein. „Irgendwie stimmt das ja auch“, sagt die Hausmeisterin. „Mit gebrochenem Herzen kann man in der Stadt der Liebe nicht leben.“
Tipps zum Trip
Information: Atout France – Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 100128, 60001 Frankfurt; Internet: www.rendezvousenfrance.com
Buchtipp: Regine Zweifel, „Paris in kleinen Dosen, 17 sehenswerte Schleichwege“ (ISBN 978-3000281143) Regine Zweifel, „111 Pariser Orte, die man gesehen haben muss“ (ISBN 978-389705823)
Die Paris-Kennerin Regine Zweifel bietet auch Touren durch Paris an – unter anderem auf den Spuren von Romy Schneider. Internet: www.paris-in-kleinen-dosen.de Essen wie Romy: Café-Restaurant „Les Deux Magots“ (6 Place Saint-Germain des Prés), ein Treff für Künstler und Intellektuelle. Romy wohnte drei Gehminuten von hier entfernt (Kaffee: 4,20 Euro, Bier 25 cl: 7,50 Euro).
Im Fischrestaurant Le Dôme (108 Boulevard du Montparnasse) hat Romy Schneider angeblich einen ihrer letzten Abende verbracht. In der L’Orangerie de Paris (28 rue Saint Louis en l’île) feierte Romy 1975 ihre Hochzeit mit Daniel Biasini. Sie nannte das Restaurant „mein Esszimmer“. Es hat mittlerweile den Besitzer gewechselt. Ein Foto mit Romy? Im Wachsfigurenkabinett Musée Grévin steht ein sehr schönes Abbild der Schauspielerin, wie sie vor einem Spiegel sitzt und sich abschminkt. Das Grévin ist eines der meistbesuchten Museen der Stadt
(10 Boulevard Montmartre; www.grevin.com). Weitere Erinnerungsstücke in der Cinémateque française, 51, rue de Bercy . Die letzte Ruhestätte: Romy Schneider wurde in Boissy-sans-Avoir im Département Yvelines etwa 50 Kilometer vor Paris beigesetzt, wo auch ihr Sohn David begraben liegt. Auf ihren Wunsch steht auf dem Grabstein nur ihr bürgerlicher Name: Rosemarie Albach.